Und morgen die ganze Welt

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Widerstand als Schutz unserer freiheitlich demokratischen Ordnung und als Verteidigung unserer hart erkämpften Grundrechte. Genau darum geht es der Antifa-Kommune, in die die Hauptfigur von „Und morgen die ganze Welt“ eintritt. Sie engagiert sich, kämpft für ihre Überzeugungen – und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Julia von Heinzes couragierter, in authentischen Handkamera-Bildern eingefangener Film folgt einer mutigen Frau im Kampf gegen rechten Terror. Selbst wenn der Film nicht alle Fragen beantwortet: Er ist wichtig, besitzt ganz zentrale Botschaften und fängt zentrale Momente immer wieder mit erstaunlicher Sensibilität und Intimität ein. Für Hauptdarstellerin Mala Emde gab’s dafür auf dem Filmfestival in Venedig den Preis der Filmkritik als beste Schauspielerin.

Website: www.alamodefilm.de/kino/detail/und-morgen-die-ganze-welt.html

Frankreich, Deutschland 2020
Regie: Julia von Heinz
Drehbuch: Julia von Heinz, John Quester
Darsteller: Mala Emde, Noah Saavedra, Tonio Schneider, Andreas Lust
Länge: 111 Minuten
Kinostart: 29. Oktober 2020
Verleih: Alamode, Vertrieb: Die Filmagentinnen

Pressestimmen:

"Die Suche einer jungen Frau nach ihrem Weg, ihre Ambivalenz, ihre Stille, ihre Kraft - großartig gespielt von der 24jährigen Mala Emde. Ein packender, ein schmerzlich aktueller, aber auch erfrischend junger Film." ZDF Heute Journal

"Ein mutiger Film mit einer packenden Story." ARD tagesthemen

„Und morgen die ganze Welt" ist engagiertes, politisches Kino. SWR

"Die Milieu- und Jugendstudie wandelt sich zum Politthriller, der um die Frage kreist, ab wann Gewalt im Kampf gegen rechts erlaubt oder gar geboten ist. Der politisch engagierte Film greift ein brisantes Thema auf und glänzt durch viele sprechende Details und herausragende Schauspieler." FILMDIENST

"Eine Antifa-Milieustudie voller Dringlichkeit. (...) Venedig-Festivalchef Alberto Barbera hat auch schon zu Protokoll gegeben, dass er hier eine neue Generation am Werk sieht, die den politischen Impuls des Neuen deutschen Films aus den Sechzigerjahren weiterträgt." SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

JULIA VON HEINZ zu ihrem Filmtitel:
"Den Titel finde ich spannend. Es ist das Lied der Hitlerjugend: "Heute gehört uns Deutschland - und morgen die ganze Welt". Das ist die Gefahr, die Luisa und die Gruppe, mit der sie zusammen ist, fühlen: Wenn wir sie jetzt machen lassen, gehört ihnen morgen wieder Deutschland, morgen wieder die ganze Welt."

Ein Interview von DeutschlandfunkKultur mit Regisseurin JULIA VON HEINZ hier...

FILMKRITIK:

Luisa (Mala Emde) stammt aus gut situierten Verhältnissen, hat vor kurzem ihr Jurastudium begonnen und ein stabiles soziales Umfeld. Dennoch ist sie innerlich getrieben und unzufrieden mit der politischen Situation in Deutschland: die politische Rechte wird stärker und populistische Parteien legen in Umfragen zu. Für sie ist klar, dass man dagegen aktiv etwas tun muss. Gemeinsam mit einigen Gleichgesinnten beschließt sie, den Hetzern Paroli zu bieten. Unter den politisch Aktiven sind jedoch junge Leute, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Luisa muss sich entscheiden: Ist ihr ihre Zukunft, die sie sich durch Gewaltaktionen verbauen könnte, wichtiger als ihr gesellschaftliches Anliegen?

Wie eine Klammer legt sich der Artikel 20 unseres Grundgesetzes um diesen Film, wenn er am Anfang und ganz zum Schluss, mal in Textform, mal mündlich vorgetragen, auftaucht. „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“, Und weiter, sinngemäß: Wer dies zu beseitigen oder zerstören versucht, provoziert den Widerstand, zu dem „alle Deutschen das Recht haben“ – wenn es keine andere Lösung gibt. Der Artikel ist die Antriebsfeder für alle Handlungen der linken Kommunarden im Film.

Julia von Heinz, die sich früher selbst für die Antifa engagierte, hält sich dabei nicht lange mit Einführungen oder Erklärungen auf. Schon in den ersten zehn bis fünfzehn Minuten sind die Kommune, deren Standort sowie die wichtigsten Anhänger etabliert und vorgestellt. Dazu zählen auch Alfa (Noah Saavedra) und Lenor (Tonio Schneider). Zwei junge Männer, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Und zu denen sich Luisa – aus jeweils anderen Gründen – hingezogen fühlt.
Obwohl von Heinz immer wieder Luisas Gefühle vor allem für den Kommunen-Macho Alfa subtil und in beiläufig eingestreuten Szenen aufzeigt, verliert sie die Haupthemen ihres Films nie aus den Augen. Es ist zum einen die Kernfrage, wie weit man für seine Überzeugungen und per Grundgesetz garantierten Rechte wirklich gehen darf. Und: Was es mit einem macht, wenn man selbst plötzlich Dinge tut, zu denen man sich früher nie im Stande fühlte. Illegale, unrechtmäßige Aktionen und Taten (Gewalt, Einbrüche, Überwachung), um ein höheres Ziel zu erreichen. Das Ziel, rechten Terror und populistisches Gedankengut zu bekämpfen.

Mit diesen Themen schlägt von Heinz, die mit ihrer Handkamera ganz dicht bei ihrer Hauptfigur und bei den Protesten immer mittendrin im Geschehen ist, gekonnt den Bogen in die Realität. In unsere Gegenwart. Eine Zeit, in der radikale und fremdenfeindliche Ansichten wieder zunehmen. Und nationalistische, demokratiefeindliche Strömungen mehr Zulauf erhalten. In einer Sequenz wird ein ausländischer Imbissbudenbesitzer von Nazis verprügelt. In einer anderen Szene, es ist die Protestkundgebung einiger rechter Hardliner, zeigt der Film die blinde Zerstörungswut und den Hass der Faschisten. Es sind erschütternde, eindringliche Bilder, die einem jedoch aus den Nachrichten bekannt vorkommen.

Einziger Wermutstropfen: Von Heinz hätte den anderen Nebenfiguren etwas mehr Beachtung und Screentime zugestehen können. Von Luisas Eltern, dem Jura-Professor mit seinen trockenen Vorlesungen, ihrer Kommunen-Freundin oder einem als väterlicher Freund und Vertrauter auftretender Alt-Linker – über sie alle hätte man gerne mehr erfahren. Wie haben sie Luisas Weltbild und politische Einstellungen geprägt? Welchen Einfluss haben sie auf ihre Taten? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Björn Schneider