Underdogs

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Hinter Gittern herrschen latente Aggressionen und ein rauer Umgangston. Auf die Idee, dagegen mit süßen Hundebabys vorzugehen, die man der Obhut der Häftlinge anvertraut, muss man erst einmal kommen. Was in einer New Yorker Strafanstalt äußert erfolgreich erprobt wurde, nahm Filmemacher Jan Hinrik Drevs zum Vorbild seines formal recht konventionellen Feel Good-Movies. Spaß macht das Ganze trotzdem. Selbst wer sich nicht unbedingt als Hundefreund bezeichnen würde, dürfte dem treuen Blick der Vierbeiner erliegen.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2008
Regie & Drehbuch: Jan Hinrik Drevs
Mit Thomas Sarbacher, Clelia Sarto, Ingo Naujoks, Kida Ramadan, Thorsten Merten, Hark Bohm
Kinostart: 24.7.08
Verleih: farbfilm verleih

PRESSESTIMMEN:

...auf film-zeit.de


FILMKRITIK:

Dass sogar die härtesten Kerle einen weichen Kern besitzen, ist hinlänglich bekannt. Doch gerade hinter Gittern, wo es darum geht, sich gegenüber den Mitinsassen zu behaupten, ist einschüchterndes Macho-Gehabe immer noch an der Tagesordnung und das Eingeständnis von Schwäche verpönt. Auch Mosk (Thomas Sarbacher) will stark sein. Und weil das alle sehen sollen, trainiert er verbissen für die knastinternen Meisterschaften im Gewichtheben. In dieser Situation passt es nicht wirklich in sein Konzept, dass die neue Gefängnisdirektorin (Clelia Sarto) ihn und fünf andere Häftlinge für ein ganz besonders Pilotprojekt ausgewählt hat. Sie werden unter Anleitung eines erfahrenen Hundetrainers (Hark Bohm) niedliche Welpen zu zuverlässigen Blindenführhunden ausbilden. Über die Arbeit mit den Tieren sollen die Teilnehmer lernen, ihre aufgestauten Aggressionen in den Griff zu bekommen und Schritt für Schritt Verantwortung für etwas zu übernehmen.
Die Idee zu Underdogs ist in der Realität verankert. Regisseur und Autor Jan Hinrik Drevs drehte 2001 einen Dokumentarfilm über ein vergleichbares Projekt zwischen Mensch und Hund, das mit großem Erfolg in einem New Yorker Gefängnis erprobt wurde. Unter der Überschrift „Puppies behind bars“ wurden Schwerverbrecher mit jungen Hunden zusammengeführt, die sie über ein Jahr lang betreuten. In Interviews mit den Insassen erhielt Drevs einen tiefen Einblick, wie diese Begegnung die Häftlinge veränderte. Diese Erfahrungen flossen in den Film ein, der gerade deshalb so gut unterhält, weil er etwas zusammenführt, was man so im Kino zusammen noch nicht gesehen hat.

Mörder, Drogen-Dealer, Brandstifter, Vergewaltiger – sie alle müssen sich plötzlich um ein ihnen anvertrautes Lebewesen kümmern. Selbst Mosk, der das Projekt lange Zeit innerlich ablehnt, erliegt letztlich dem treuen Blick seines „Pflegekindes“. Das ist keine Überraschung angesichts der von Beginn an spürbaren Konstruktion und Konzeption des Films als familienkompatibles Feel Good-Kino. Hier gilt die alte Maxime vom Weg als das Ziel, wobei Drevs angenehmerweise auf eine allzu schlichte Instrumentalisierung seiner niedlichen Vierbeiner verzichtet. Denn selbst wenn Underdogs nicht ohne die zu erwartenden „Ach wie süß!“-Momente auskommt, kleistert Drevs nicht jede Emotion gleich mit Kitsch und klebriger Sentimentalität zu.

Da mag man dem Film schon eher seine naive Knast-Romantik ankreiden. Beim Abschiedsessen brennen überall kleine Teelichter während zwischen Mosk und der neuen Direktorin auch im übertragenen Sinn die Funken sprühen. Allerdings halten sich solche ungelenkten Drehbucheinfälle in tolerablen Grenzen. Über weite Strecken funktioniert Underdogs als sympathischer Laborversuch, dessen behutsames Knacken einer harten Schale niemanden auf die Füße tritt.

Marcus Wessel

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Eine Justizvollzugsanstalt. Je mehr sie auf dem Kerbholz haben, desto härter geben sich die Knackis, auch vor der Direktorin, die ihren Dienst gerade neu angetreten hat. Diese  wartet mit einem speziellen Programm auf: Ausgewählte Häftlinge sollen im Rahmen eines Langzeitprojektes Blindenführhunde ausbilden – ein Vorhaben, das in amerikanischen Gefängnissen bereits in die Tat umgesetzt wird. 

Sechs Mann werden ausgesucht, darunter der Muskelprotz Mosk, der jedoch keinerlei Interesse zeigt, weil er lieber für die gefängnisinternen Gewichthebermeisterschaften trainiert. Doch, ob er will oder nicht, er wird gezwungen, an der Blindenhundaktion teilzunehmen. Gerade für Mosks Resozialisierung erscheint das nach Ansicht der Gefängnisoberen erforderlich und geeignet.

Er muss also einen Welpen in seine Zelle aufnehmen. Lange lehnt er dies innerlich ab, behandelt den Hund schlecht, macht bei der Dressur keinerlei Fortschritte, gefährdet das gesamte Projekt. Der Streit mit den „Kollegen“ ist programmiert. 

Da wird Mosks Hund mit dem Namen Grappa krank. Man weiß nicht, ob er durchkommt. Das ruft bei seinem gefangenen Herrchen endlich Gefühlsregungen hervor. Mosk besinnt sich, beginnt, sich an das Tier zu gewöhnen, es zu lieben.

Eine Fast-Liebesgeschichte passiert jetzt sogar mit der Direktorin.

Dann ist es Zeit, die Führhunde an die Blinden abzugeben. Für Mosk ist das nun beinahe unmöglich geworden. Vorübergehend reagiert er unberechenbar. Es ist nur zu hoffen, dass er wieder zur Vernunft zurückfindet.

Eine ungewöhnliche Geschichte. Nähert man sich ihr, kann plötzlich zur nachvollziehbaren Realität werden, dass ein verstockter Mensch durch die Beziehung zu einem Tier sich gefühlsmäßig völlig verändern kann. Das wird hier demonstriert und vermag sogar zu überzeugen. 

Das Drumherum ist durchaus beachtenswert: das aus der Nähe zu erlebende Gefängnismilieu; die Auswahl der „Kollegen“; das Spiel der Direktorin (Clelia Sarto); die Verkörperung der langsamen Wandlung des Mosk durch den vortrefflich agierenden Thomas Sarbacher; die perfekten Hundedressuren.

Ein Knacki macht durch die Liebe zu einem Tier eine völlige Gemütswandlung durch. Ein Sujet wie kein anderes, aber eine menschlich wie „tierisch“ interessante und sogar ein wenig erwärmende Geschichte.

Thomas Engel