Verbrannte Erde

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Ein Film wie ein Uhrwerk, ein Thriller ohne Hektik, ein Berliner Gangsterfilm ohne ein Gramm Fett. Vierzehn Jahre nach „Im Schatten“ kehrt Thomas Arslan zusammen mit seinem Hauptdarsteller Mišel Matičević in die Welt des Gangsters Trojans zurück und hat mit „Verbrannte Erde“ eine Hommage an Genre-Meister von Melville bis Mann gedreht, die doch etwas ganz Eigenes ist – und ein großer Berlin-Film.

Verbrannte Erde
Deutschland 2024
Regie & Buch: Thomas Arslan
Darsteller: Mišel Matičević, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Bilge Bingül, Marie-Lou Sellem.

Länge: 101 Minuten
Verleih: Piffl
Kinostart: 18. Juli 2024

FILMKRITIK:

Trojan (Mišel Matičević) braucht Geld. Ein Deal in Frankfurt ging schief, beim verticken der teuren Uhren wollte sein Hehler den Berufsverbrecher übers Ohr hauen, doch so leicht ist Trojan nicht auszutricksen. Nun kehrt er nach Berlin zurück, die Stadt, die er vor 12 Jahren verließ. Doch seine alten Kontakte sind eingerostet, ein Kumpel, der sich zur Ruhe gesetzt hat, hilft aus: Die Vermögensberaterin Rebecca (Marie-Lou Sellem) hat eine Sache laufen, ein Gemälde von Caspar David Friedrich soll für einen privaten Kunden gestohlen werden.
Mit von der Partie sind Luca (Tim Seyfi), die Fahrerin Diana (Marie Leuenberger) und der Computerexperte Chris (Bilge Bingül). Ort des Verbrechens ist ein Museum in Dahlem, im beschaulichen Südwesten Berlins, doch während der Coup selbst problemlos über die Bühne geht, erweist sich einmal mehr das Verticken der Ware als Problem. Denn der Mittelsmann Victor (Alexander Fehling) hat eigene Pläne und erweist sich bald als fast spiegelbildlicher Widersacher von Trojan.
Keine überflüssigen Worte verliert Trojan und mit ihm der Film, der ihn umgibt. Es dauert eine gute Stunde, bis Trojan zum ersten Mal eine Unterhaltung führt, bei der es nicht um den Job geht, bei der er auf Floskeln wie „Siehst gut aus Trojan“ eingeht und sich für einen Moment wie ein ganz normaler Mensch verhält. Denn meist ist Trojan ganz Profi, lebt nur für die Arbeit, ist präzise und genau, spürt, wenn etwas nicht richtig ist, wenn er Gefahr läuft, betrogen zu werden.
Was Thomas Arslan an dieser Figur interessiert ist also nicht die Tiefe des Charakters, sondern die reine Oberfläche, das Agieren, das Handeln. Ein Film der Beobachtung und der Bewegung ist „Verbrannte Erde“, kein reißerischer Thriller, auch wenn die Spannung bisweilen enorm ist. Schüsse fallen nicht wahllos, sondern gezielt, so wie Trojan darauf achtet, keine unnötigen Bewegungen zu machen, so versucht Arslan filmisch auf den Punkt zu sein, keine Schnörkel zu ziehen, nie den Stil in den Vordergrund zu stellen.
Gerade dieser Verzicht auf Ballast macht die Qualität aus, so wie wenn die Crew nach dem Coup im Dunkeln in einem Park steht und beobachtet, wie die Polizei mit leuchtendem Blaulicht vergeblich nach ihnen sucht. Oder der Coup im ehemaligen Ethnologischen Museum, alte Westberliner Architektur, längst verlassen, Tod. Ohnehin Berlin: Die Stadt fungiert quasi als zweiter Hauptdarsteller, auch wenn „Verbrannte Erde“ sicherlich nicht für die Tourismuswerbung verwendet werden wird. Und das nicht, weil hier Gangster im Mittelpunkt stehen, sondern weil die Stadt ihr hässliches Gesicht zeigt: Nicht Fernsehturm oder Brandenburger Tor sind zu sehen, sondern kalte, leblose Plätze, belanglose Investorenarchitektur, austauschbare Kettenhotels.
Stil hat das nicht, der Film dafür umso mehr. Immer wieder versucht sich das deutsche Kino an Genre-Geschichten, versucht das im Fernsehen so unsagbar wie unsäglich erfolgreiche Krimi-Genre auf die große Leinwand zu bringen und reicht doch meist nicht über eine durchschnittliche Tatort-Folge hinaus. Nicht so Thomas Arslans, dem in kongenialer Symbiose mit seinem Hauptdarsteller Mišel Matičević mit „Verbrannte Erde“ etwas sehr Seltenes gelingt: Ein cooler deutscher Film.

Michael Meyns