Vielleicht lieber morgen

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Außenseiter, Sonderling und noch dazu der Neue: Der 15-jährige Charlie besucht die High School und findet dort unerwartet echte Freunde. „Vielleicht lieber morgen“ blickt mit gelegentlicher Wehmut und Nostalgie auf die spannende Phase des Erwachsenswerdens und der ersten große Liebe. „Percy Jackson“-Darsteller Logan Lerman gelingt ein bemerkenswertes Charakterportrait. Unterstützung kommt von „Hermine“-Darstellerin Emma Watson und Shooting-Star Ezra Miller („We need to talk about Kevin“).

Webseite: www.vielleichtliebermorgen-film.de

OT: The perks of Being a Wallflower
USA 2012
Regie & Drehbuch: Stephen Chbosky
Produktion: Lianne Halfon, John Malkovich, Russell Smith
Darsteller: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller, Paul Rudd, Nina Dobrev, Dylan McDermott, Kate Walsh
Laufzeit: 103 Minuten
Verleih: Capelight
Kinostart: 1.11.2012

PRESSESTIMMEN:

Emma Watson wirbelt die Gefühle und Hormone eines sensiblen Schülers mit traumatischer Vergangenheit durcheinander. Erwachsenwerden war schon lange nicht mehr so charmant.
STERN

FILMKRITIK:

Mit der High School beginnt für viele ein neuer Lebensabschnitt. Die Adoleszenz, begleitet von ihren üblichen Konflikten aber auch Entdeckungen, ist dabei ein reichlich seltsames Ding. Man lässt die Kindheit allmählich hinter sich, nur um gleichzeitig von der Welt der Erwachsenen weiter ausgeschlossen zu sein. Der 15-jährige Charlie (Logen Lerman) kennt dieses Gefühl des Nichtdazugehörens nur zu gut. Er ist der typische Außenseiter, der als Neuling geradezu ehrfürchtig zu den Schülern aus den höheren Klassen aufblickt. Daneben schleppt er aber noch weitere Probleme mit sich herum. Der Selbstmord seines ehemals besten Freundes ist so eines. Andere sind hingegen weniger offensichtlich. Erst als er Sam (Emma Watson) und Patrick (Ezra Miller) kennenlernt, zwei Schüler des Abschlussjahrgangs, steigt sein vorher nicht vorhandenes Selbstbewusstsein. Plötzlich wird Charlie sogar zu privaten Partys eingeladen.

Der Übergang zum Erwachsenwerden, genauer die manchmal schwierige High-School-Zeit, bildet die Kulisse für Stephen Chboskys gefühlvolles und angenehm leises Coming-of-Age-Stück, das nicht allein als das Portrait eines Außenseiters im Gedächtnis bleibt. Chbosky, der hier seinen eigenen Roman verfilmte, versteht es, den besonderen Mikrokosmos einer amerikanischen High School abzubilden – angefangen bei bisweilen seltsam anmutenden Fächern wie dem Heimwerkerkurs, über den Spießrutenlauf in der Schulkantine bis hin zu den bereits erwähnten Privatpartys. Und natürlich darf die so wichtige Prom Night nicht fehlen. Es ist am Ende ein aus zahllosen Filmen vertrautes Umfeld, was von Chbosky für seine vielschichtige Außenseitergeschichte ausgewählt wurde.

Denn Charlie versteckt mehr als nur sein chronisch unterentwickeltes Selbstbewusstsein. In seinem Herzen ringen ganz gegensätzliche Gefühle. Die erste Liebe, Ängste, Zweifel, Zuversicht, fast Übermut. Es ist eine für einen solchen Coming-of-Film durchaus ungewöhnliche Katharsis, von der „Vielleicht lieber morgen“ umrahmt von reichlich Achtziger-Jahre-Musik erzählt. Der Weg dorthin ist manchmal schmerzhaft, dann wieder voller Hoffnung und verläuft doch immer ganz nah bei den Figuren. Vor allem Charlie fühlen wir uns verbunden, was abseits aller Qualitäten der Vorlage und Chboskys Regie auch an der trotz seiner jungen Jahre souveränen Darstellung von Logan Lerman liegt. Nach seinem Auftritt als Percy Jackson im gleichnamigen Familienblockbuster empfiehlt er sich mit dieser deutlich komplexeren Rolle für neue Aufgaben. Manche sehen in ihm bereits den Nachfolger von Michael Cera, der einen ähnlichen Typus verkörpert und für Teenager-Filme allmählich zu alt wird.

An Lermans Seite spielen Ex-„Hermine“ Emma Watson und der aus „We need to talk about Kevin“ bekannte Ezra Miller nicht minder groß auf. Millers exaltierter Nachwuchs-Dandy Patrick ist ein echter Alleinunterhalter und so etwas wie das Spaßzentrum von Chboskys Film, dem man einzig vorwerfen kann, dass er recht kalkuliert vorgeht und dabei den Zuschauer geschickt um den Finger wickelt. Chbosky weiß, wie er Charlies Aufnahme in den High-School-Kosmos in Szene setzen muss, damit man die kleinen Schwächen seiner atmosphärischen Initiationsreise möglichst erst hinterher bemerkt. „Vielleicht lieber morgen“ folgt den Regeln vieler Independent-Produktionen, die in der Schnittmenge von Komödie und Drama verharren. Aber auch wenn man sich dessen bewusst ist, funktioniert der Film erstaunlich gut. Schließlich darf man mit Charlie lachen, bangen, sich freuen und am Ende glücklich das Kino verlassen.

Marcus Wessel

Charlie kommt in die High School. Hunderte von Tagen wird er dort verbringen. 16-17 ist er. Er hat Familie, lebt jedoch völlig zurückgezogen. Er ist in einem Alter, in dem er noch keine feste Orientierung hat. Schreiben liegt ihm, vielleicht wird er eines Tages Schriftsteller. Mit seinem Literatur-Lehrer versteht er sich besonders gut. Freunde nennt er nicht sein eigen.

Es ist voll die Pubertät. „Woher du kommst, weißt du, wohin du gehst, weißt du nicht“, wird einmal gesagt. Wer wäre die richtige Partnerin, wo sie finden? Warum wählen so viele Menschen den falschen Partner, den sie nicht verdienen?, fragt Charlie einmal.

Die Freunde studieren, feiern, schauen sich Rugby-Spiele an, flirten, trinken einen, nehmen manchmal auch Drogen. Charlie sieht dem meistens aus der Ferne zu.

Patrick, gut aussehender Sprücheklopfer, wird so etwas wie Charlies Freund. Er ist in der Regel mit seiner Schwester Sam zusammen. Patrick ist im geheimen homosexuell.

Sam ist Charlies große, immer wieder ersehnte Liebe. Doch sie ist selten bei ihm. Charlies Selbstaufgabe ist so groß, dass er nur will, dass Sam glücklich ist – selbst wenn nicht mit ihm.

Eines Tages muss sie fort. Wird sie zurückkommen – und dann bei Charlie sein?

Ein Lebensabschnitt. Ein entscheidender. Großes geschieht nicht, eher Alltägliches, dies jedoch ausführlich. Im Hintergrund ständig die in diesem Lebensalter überstarken Gefühle – die verletzten, die wartenden, die unsicheren, die glücklichen, die hoffenden.

Sehr sensibel ist das inszeniert und vor allem gespielt. Der Darsteller des Charlie (Logan Lerman) kann eine beachtliche schauspielerische Karriere erwarten. Die Rolle der Sam wird von Emma Watson vorgelebt – längst keine Unbekannte mehr. Und hübsch dazu.

Ein sensibel gestalteter Film über einen wichtigen Lebensabschnitt.

Thomas Engel