Vineta

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Männer unter Hochdruck zeigt Franziska Stünkel in ihrem Debütfilm über Workaholics und deren hermetische Welt und greift damit eine aktuelle Entwicklung auf. Während die einen händeringend nach Arbeit suchen, müssen die anderen mit immer mehr Arbeitsverdichtung zurechtkommen, oft über die Belastungsgrenze hinaus. Der zweite Handlungsstrang streift eine weitere gesellschaftspolitische Frage. Wie viel Überwachung darf dem Bürger in seiner Privatsphäre und im öffentlichen Raum zugemutet werden? Die beiden Themen fügen sich in dem Film, der auf einem Theaterstück Moritz Rinkes basiert, nicht immer naht- und geräuschlos zusammen. Seine Qualitäten entfaltet „Vineta“ aber als bedrückende Charakterstudie mit ausgezeichneter Besetzung, in der Peter Lohmeyer als langsam durchdrehender Architekt und Ulrich Matthes als diabolischer Projektleiter herausragen.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2006
Regie und Buch: Franziska Stünkel
Darsteller: Peter Lohmeyer, Ulrich Matthes, Justus von Dohnanyi, Susanne Wolf, Matthias Brandt
Länge: 93 Minuten
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 3. April 2008

PRESSESTIMMEN:

...auf film-zeit.de


FILMKRITIK:

Sebastian Färber (Peter Lohmeyer) kann nichts und niemand aufhalten. Als der Architekt einen Preis für einen Entwurf erhält, nimmt er ihn nachlässig entgegen und verschwindet gleich von der Party. Die Arbeit ruft. Während er über seinem nächsten Projekt brütet, bricht er zusammen. Kaum ist Färber im Krankenhaus aufgewacht, steht er auf und macht sich auf den Weg ins Büro. Da kann seine Tochter noch so viel betteln. Schließlich steht ein neuer Kunde auf der Matte. Robert Leonhard (Ulrich Matthes) will von Färber binnen zwei Wochen einen Entwurf für eine komplette Stadt auf der Insel Vineta, eine Stadt, die sicher und menschenfreundlich zugleich ist. Selbstverständlich macht sich Färber sofort auf den Weg. In einer abgeschirmten Villa auf der Insel trifft er auf den Architekten Born (Justus von Dohnanyi), der an einer eigenen Stadtplanung arbeitet, und weitere Fachkräfte wie den Finanzexperten Montag (Matthias Brandt). Offenbar sollen die beiden Planer unter Konkurrenzdruck zu Höchstleistungen getrieben werden. Während sie Tag und Nacht an ihren Idee feilen, stellt Färber fest, dass in seinem Zimmer eine Kamera installiert ist und jemand in seinen Unterlagen schnüffelt. Nachdem Montag Andeutungen über seltsame Vorgänge gemacht hat und in der See ertrinkt, beginnt der Architekt nachzuforschen, was tatsächlich hinter dem Projekt steckt.  
Eine Villa mit Arbeitszellen für die fleißigen Bienen – es ist nicht nur äußerlich ein klaustrophobischer Käfig für die Spitzenkräfte der Wirtschaft, auch innerlich sind sie gefangen in einem Raum, der keine Einflüsse von außen zulässt und komplett aus Arbeit besteht. Und das kann man auch anderweitig sehen. Gelegentlich verschwimmt im Halbdunkel Färbers Gesicht mit dem Bildschirm, der Mann löst sich in seiner Arbeit auf. 

Peter Lohmeyer spielt den Architekten als undurchdringlichen Fanatiker – ein Dampfkessel, der kurz vor der Explosion steht. Grau im Gesicht und mit Schweißperlen auf der Glatze stiert er in seinen Bildschirm, dabei unablässig Walnüsse knackend. Die härteste Nuss ist aber zweifellos er selbst. Immerhin waltet bei ihm noch ein Rest Vernunft. Während er transparente Häuserfluchten entwirft, entwickelt sein Kontrahent Born eine hochaufgerüstete Festung, die sein von Angst, Druck und Einsamkeit zerrissenes Innenleben spiegelt. Justus von Dohnanyi ist als abgedrehter Paranoiker ein gleichwertiger Widerpart Lohmeyers. Als fieser Zeremonienmeister dieses Kampfes um Ideen und Macht setzt sich Ulrich Matthes in Szene. Die einzige mitfühlende Seele in diesem Geflecht ist die Assistentin Nina Seiler (Susanne Wolff), die schließlich, vielleicht ein wenig zu stereotyp weiblich, ihre helfende Hand reicht. 

Wie sich die Workaholics langsam zugrunde richten, das tut schon weh beim Zuschauen. Zugleich kann der Film die Spannung bis zum Schluss halten. Die verblüffende und durchdachte Auflösung lässt sich kaum erahnen. Wer sich diese Überraschung erhalten will, sollte vor dem Film keine Zusammenfassung von Moritz Rinkes Theaterstück lesen. 

Volker Mazassek   

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Es gibt nicht nur viele Arbeitslose, sondern auch Arbeitssüchtige, Workaholics, die über der Arbeitswut ihr gewöhnliches Leben versäumen oder gar vergessen. Und dadurch krank zu werden riskieren oder schon krank sind. In manchen Ländern wird Arbeitssucht tatsächlich bereits als Krankheit anerkannt.

Sebastian Färber (Peter Lohmeyer) ist ein solcher Mensch. Von Beruf Architekt, arbeitet er derart intensiv an der Erstellung eines Altersheims, dass er zusammenbricht. Aus dem Krankenhaus flieht er trotz der beschwörenden Mahnungen seiner Tochter Himalaya (Kristina Karst) und stürzt sich in ein neues Projekt: Eine Zukunftsstadt soll er entwerfen mit viel Helligkeit, Wasser und Luft. Er scheint der richtige Mann zu sein, ist er doch eben erst mit einem hohen Preis geehrt worden.

Zur Erarbeitung des Zukunftsprojektes ist auf einer Insel ein Expertenteam zusammengetreten, das von Dr. Leonhard (Ulrich Matthes) mit seiner Assistentin Nina (Susanne Wolff) geleitet wird. Dr. Lutz Born (Justus von Dohnanyi) ist dabei, ein Mann, der mit seinen Plänen denen Färbers diametral entgegensteht. Er will eher eine Festung und viel Sicherheit. Dann ist da noch der Kollege Montag (Matthias Brandt), der Färber später eine geheimnisvolle Nachricht zukommen lassen wird, und andere. 

Was sich lange als Arbeitsvorgang von Interesse anlässt, entwickelt sich bald zur mehrfach in Frage gestellten Angelegenheit, zum mysteriösen – spannungsfördernden – Katz- und Maus-Spiel, offenbar zur absichtlichen Abkehr vom ursprünglich vorgeschobenen Vorhaben.

Geht es tatsächlich um den Entwurf einer progressiven Stadt und Lebensform? Oder handelt es sich um eine Therapie gegen die Arbeitssucht? Was hat die treusorgende Himalaya damit zu tun? Und wird Sebastian Färber sein Leben an der Seite von Nina wieder auffangen können? 

Ein spezieller Lebensaspekt fußend auf dem Drama „Republik Vineta“ von Moritz Rinke. Dass ein Theaterstück zugrunde liegt, bleibt unverkennbar. Die akut werdende Auseinandersetzung mit dem Thema wird sicherlich in der Zukunft noch eine größere Rolle spielen. Insofern liegt hier ausreichend Gesprächsstoff vor. Ein raffinierter Kunstgriff des Dramas und des Films ist es, wie offensichtlich hinter vorgetäuschter Arbeit die Heilung der Krankheit Arbeitswut betrieben wird.

Dass Darsteller wie Peter Lohmeyer, Matthias Brandt, Ulrich Matthes oder Justus von Dohnanyi ihre Aufgabe bestens lösen, versteht sich von selbst. In einer seiner letzten Rollen ist Herbert Fux zu sehen.

Thomas Engel