Voices from the Fire

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Sklaverei gibt es nicht mehr, oder? Offiziell mag das stimmen, inoffiziell sieht die Lage dagegen ganz anders aus. Besonders in der Prostitution ist Zwang an der Tagesordnung und in diesem Bereich hat Helen Simon ihren Dokumentarfilm „Voices from the Fire“ gedreht, der auf eindringliche Weise die Alltäglichkeit von sogenannter moderner Sklaverei schildert.

Webseite: www.derfilmverleih.de

Deutschland/ Tschechien 2022
Regie & Buch: Helen Simon
Dokumentarfilm

Länge: 91 Minuten
Verleih: Der Filmverleih
Kinostart: demnächst

FILMKRITIK:

40 Millionen Menschen werden jedes Jahr Opfer von moderner Sklaverei, damit wird ein Umsatz von 150 Milliarden Euro gemacht. Vermutlich jeder hat schon einmal Obst oder Gemüse gegessen, das in Italien oder Spanien von Migranten gepflückt wurde, die in sklavenähnlichen Umständen leben. Vermutlich jeder hat schon einmal ein Kleidungsstück bei einem der globalen Unternehmen gekauft, die in Bangladesch oder Kambodscha von Frauen genäht wurden, die nur ein paar Cent pro Tag verdienen. Und die allermeisten, die diese Zeilen lesen, werden kommenden Winter wohl die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar sehen, auch wenn dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und beim Bau der Stadien tausende der ausgebeuteten Arbeiter aus dem globalen Süden bei Unfällen gestorben sind.

Viele Bereiche gibt es, in denen Formen der modernen Sklaverei zu finden sind, Helen Simon konzentriert sich in ihrem Dokumentarfilm „Voices from the Fire“ auf einen, in dem die Ausbeutung am offensichtlichsten ist: Die Prostitution. Aus nachvollziehbaren Gründen kann es keine genauen Zahlen über den Anteil der Zwangsprostituierten geben, doch ohne Frage ist er sehr hoch. Die Geschichten hinter den Menschen ähneln sich dabei immer wieder, wie im eindrucksvollsten Element von Helen Simons Films angedeutet wird. In einer Art griechischem Chor werden Aussagen von Prostituierten aus aller Welt gesprochen, die Variationen der selben Geschichte erzählen: Eine meist junge Frau verliebt sich in einen Mann, der oft älter ist, er macht sie abhängig, führt sie langsam an die Welt der Prostitution heran, überredet sie, ihm zuliebe, in einem Bordell zu arbeiten, setzt sie unter Druck, macht ihr ein schlechtes Gewissen. Was folgt sind Formen der Ausbeutung, Verkauf in andere Bordelle, oft in Verbindung mit Drogen, die abstumpfen und eine Flucht immer schwieriger machen.

Zwei Frauen, denen dies gelungen ist, zählen zu den Stimmen, die in „Voices from the Fire“ ihre Geschichten erzählen. Am Lagerfeuer sitzen sie, die eine in Südafrika, die andere in Europa, beschreiben ihren Leidensweg, aber auch, wie sie sich daraus befreit haben und sich nun für andere Frauen einsetzen. Auf Konferenzen gegen Menschenhandel sprechen sie, machen auf die Missstände aufmerksam, spenden Mut und kämpfen für härtere Gesetze.

Ein inhaltlich eindringlicher Film ist Helen Simon mit „Voices from the Fire“ gelungen, der stilistisch bisweilen etwas bemüht künstlerisch wirkt. Nicht alle Stilisierungen und visuellen Überhöhungen wirken gelungen, ein pragmatischerer Ansatz wäre hier überzeugender gewesen. Denn die berührenden Berichte der Frauen reichen am Ende vollkommen aus, um die physischen und psychischen Folgen von Zwangsprostitution schmerzhaft deutlich zu machen.

 

Michael Meyns