Voll verschleiert!

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Eine Satire über Islamismus, die Rolle der Frau im Islam und falsch verstandene Toleranz. Kann man sicherlich versuchen, das Thema ist zwar heikel, aber natürlich auch relevant. Was man jedoch zumindest tun sollte, ist genau hinschauen, präzise sein und nicht allerlei Klischees und Vorurteile fahrlässig durcheinander würfeln, so wie es Sou Abadi in ihrem Film „Voll verschleiert!“ tut.

Webseite: www.vollverschleiert-derfilm.de

Cherchez la Femme
Frankreich 2017
Regie & Buch: Sou Abadi
Darsteller: Félix Moati, Camélia Jordana, William Lebghil, Anna Alvaro, Carl Malapa, Predrag Manojlovic, Oscar Copp
Länge: 98 Minuten
Verleih: NFP
Kinostart: 28. Dezember 2017

FILMKRITIK:

Armands (Félix Moati) Eltern stammen aus dem Iran und flohen einst nach der islamischen Revolution nach Frankreich. Für Politik interessiert sich Armand nicht, dennoch ahnt er, dass seine Eltern wenig begeistert über seine Beziehung zu Leila (Camélia Jordana) sind, deren Herkunft der arabisch geprägte Maghreb ist. Doch nicht nur Armands Eltern könnten Probleme bereiten, vor allem Leilas Bruder Mahmoud (William Lebghil) steht der Beziehung im Weg: Der ist nach einem Aufenthalt im Jemen radikalisiert zurückgekehrt, trägt einen dichten Bart und predigt die Lehren des Propheten.
 
Sehr zum Unwillen der säkularisierten Leila, die sich bald in ihrer eigenen Wohnung eingesperrt sieht. Um sie dennoch besuchen zu können, fällt Armand ein gewagter Plan ein: In einem Ganzkörperschleier, der nur die Augen frei lässt, klopft er an Mahmouds Tür und stellt sich als Scheherazade vor. Anfangs reagiert Mahmoud zwar skeptisch auf die scheinbar tief religiöse Person, doch deren Wissen über den Islam und seine Lehren begeistern ihn bald so sehr, dass er sich bald unsterblich in Scheherazade verliebt. Eine Wendung, mit der Armand und Leila nun wirklich nicht gerechnet haben.
 
Integrationskomödien erfreuen sich gerade in Frankreich zunehmender Beliebtheit, von „Zum Verwechseln ähnlich“ bis „Monsieur Claude und seine Töchter“, wobei gerade dieser und der neue Film von Philippe de Chauveron - „Hereinspaziert!“ - auch viel Kritik erfahren, ihr schlichtes Weltbild, die grob geschnitzten Figuren problematisiert werden. Im Versuch, Klischees zu hinterfragen, bestärkten sie diese und würden sich zumindest problematischer Stereotype bedienen heißt es, eine Kritik, die sich auch Sou Abadi gefallen lassen muss.
 
Es ist verblüffend, dass Abadi aus dem Iran stammt, denn die Leichtfertigkeit mit der sie in „Voll verschleiert!“ Religionen, Länder, Ideologien vermischt, lässt eher vermuten, dass ihr noch nicht einmal bewusst ist, dass in Iran persisch gesprochen wird und nicht arabisch. Hauptaspekt ihres Films ist die Radikalisierung eines Moslems, der in diesem Fall aus dem Jemen zurückkehrt und mit seinen fundamentalistischen Ansichten mit der säkularen französischen Gesellschaft aufeinander prallt. Eigentlich ein lohnendes Sujet, gerade wenn die mit der Radikalisierung einhergehende Veränderung im Kleiderstil und den religiösen Traditionen thematisiert werden. Dass es Araber wohl wenig komisch finden, wenn man sich über sie lustig macht, ist eine andere Sache, die Filmemacher zurecht nicht davon abhalten sollte, Satiren über solche Extreme zu drehen.
 
Problematisch wird es aber dann, wenn wie im Fall von Sou Abadis „Voll verschleiert!“ so unsauber erzählt wird, so oberflächlich hingeschaut wird. Im Presseheft beschreibt Abadi etwa, dass Initialzündung des Films sei ein Erlebnis gewesen, als sie in Teheran mit dem Tschador bekleidet durch Ämter stolperte. Nun ist der Tschador jedoch ein Schleier, der das Gesicht freilässt und somit etwas ganz anderes als der Niqab, der Gesichts verhüllende Schleier, der als Mittel der Komik in Abadis Film fungiert. Dieser ist im Iran praktisch nicht zu finden, dafür ist die iranische Gesellschaft, trotz aller Missstände, viel zu offen. Dagegen ist der Niqab in zunehmend vom Denken radikaler Islamisten geprägten arabischen Staaten wie dem Jemen oder Afghanistan gang und gäbe.
 
Solche und andere fahrlässige, oberflächliche Vermischung unterschiedlicher Welten und Ideologien, die wenig miteinander zu tun haben, machen „Voll verschleiert!“ so problematisch. Wenn man schon sein Recht als westlicher Filmemacher in Anspruch nimmt, eine Satire über so ein sensibles Thema wie den radikalen Islamismus zu drehen, dann wäre es geboten, viel genauer hinzusehen, als es Sou Abadi getan hat.
 
Michael Meyns