Vom Lokführer, der die Liebe suchte…

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Eigen und ungewöhnlich ist Veit Helmers neuer Film „Vom Lokführer, der die Liebe suchte...“ in jedem Fall, erzählt er doch eine märchenhafte Geschichte ganz ohne Dialoge. Dass dabei ein Büstenhalter als Variante zu Aschenputtels Schuh fungiert, wirkt allerdings oft wie eine schlüpfrige Altherrenphantasie, die nur zum Teil durch Witz, Situationskomik und Melancholie gebrochen wird.

Webseite: www.neuevisionen.de

Deutschland 2018
Regie: Veit Helmer
Buch: Leonie Geisinger & Veit Helmer
Darsteller: Miki Manojlovic, Denis Lavant, Chulpan Khamatova, Ismail Quluzade, Maia Morgenstern, Paz Vega
Länge: 90 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 7. März 2019

FILMKRITIK:

Der Lokführer Nurlan (Miki Manojlovic) steht kurz vor der Pensionierung. Ein paar Mal noch die Lok durch die schmalen Gassen des aserbaidschanischen Dorfes steuern, in dem er lebt, dann kann er seinen Lebensabend genießen. Allerdings allein, denn Nurlan findet keine Frau. Doch bei seiner letzten Fahrt geschieht etwas Merkwürdiges: Bei der Fahrt durch die Gassen, wo die Menschen ihre Wäsche über der Bahnlinie aufgespannt haben, oft auf den Gleisen sitzen und erst im letzten Moment zur Seite springen, wenn der Zug vorbeirauscht, verfängt sich ein Büstenhalter an der Lok. Er gehört einer unbekannten Frau, die Nurlan einmal schemenhaft gesehen hat, als sein Zug an ihrem Fenster vorbeifuhr.
 
Doch wie Frau und Büstenhalter zusammenbringen? Kurzentschlossen mietet sich Nurlan im Hotel des Vororts ein und macht sich auf die Suche. Mit Hilfe eines kleinen Waisenjungen (Ismail Qulzade) ersinnt er immer neue Methoden, um die lokalen Frauen dazu zu bringen, seinen Büstenhalter anzuprobieren. Doch er will nie passen und langsam verliert Nurlan die Hoffnung. Statt die Liebe zu finden, droht ihm stattdessen Prügel von den Ehemännern der Frauen.
 
Statt Aschenputtels Schuh ist es in Veit Helmers märchenhaftem Film also ein Büstenhalter, mit dem die Angebetete gefunden werden soll. Allein dieses Konstrukt mutet schwierig an, zumal Helmer seinen nach Liebe suchenden bisweilen in Situationen schickt, die streng genommen als sexuelle Belästigung bezeichnet werden müssen, etwa wenn Nurlan des Nachts in das Zimmer einer schlafenden Frau einsteigt, um ihre Brüste mit dem BH abzugleichen. Etwas gebrochen wird diese zumindest im Ansatz fragwürdig schlüpfrige Altherrenphantasie durch den märchenhaften filmischen Stil. Denn Helmer verzichtet vollständig auf Dialoge, bedient sich stattdessen eines ausgefeilten Sounddesigns und vor allem der Mimik seine Darsteller. Ideal besetzt wirkt vor allem der aus etlichen Filmen Emir Kusturicas bekannte Miki Manojlovic, dazu der Franzose Denis Lavant als angehender Lokführer und zahlreiche internationale Schauspielerinnen, die dem Lokführer schöne Augen machen.
 
Problematischer ist dann allerdings wieder die Art und Weise, wie Helmer sich eines Vororts der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku bedient, in dem tatsächlich die Häuser sehr eng an die Gleise gebaut sind. Dass die autokratische Regierung versuchte, die Dreharbeiten zu verhindern kann man geradezu verstehen, zeichnet Helmer doch das Bild einer rückständigen Gesellschaft, in der sämtliche Männer Schnauzbarttragende Schlägertypen sind und von Moderne keine Spur herrscht. All das ist ein bisschen schade, denn gerade stilistisch besitzt „Vom Lokführer, der die Liebe suchte...“ viele Qualitäten. In satten Farben hat Helmer gedreht, teilweise bewusst Beleuchtungsfehler und Laufstreifen eingebaut, die das digitale Material wirken lassen wie altes, analoges Filmmaterial. Ein zeitloser visueller Stil entsteht dadurch, der ideal zum erzählerischen Ansatz passt, der nicht ganz Stummfilm ist, aber auch kein normaler Dialogfilm. In den besten Momenten mag man hier an die Filme von Tati denken, geprägt allerdings weniger von Satire, als von einer zarten Melancholie, die gerade zum Ende mit einer überraschenden Wendung aufwartet, die den vorher immer wieder problematischen Eindruck deutlich abschwächt.
 
Michael Meyns