Wann wird es endlich wieder Sommer?

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„Wann wird es endlich wieder Sommer?“ erzählt die außergewöhnliche Geschichte einer Dresdener Band, die sich von einer Protestkapelle zu einem integrativen Musikprojekt entwickelte. Ein Projekt, das zeigt, wie Integration auch gelingen kann: durch gemeinsames Musizieren. Dabei wird klar, dass Musik zu etwas ganz Besonderem im Stande ist. Sie baut (Berührungs-)Ängste zwischen Einheimischen und Migranten ab und lässt eine einzigartige Verbindung über Klänge entstehen. Entstanden ist ein zutiefst menschlicher, sehr emotionaler Film, der seinen Protagonisten sehr nahe kommt. Ein mutiges Plädoyer für ein offenes, tolerantes Miteinander.

Webseite: www.hechtfilm.de

Deutschland 2017
Regie: Barbara Lubich, Michael Sommermeyer
Drehbuch:  Barbara Lubich
Darsteller: Michal Tomaszewski, Karzan Mustafa, Thabet Azzawi, Germi Riess, Alexander Valnov
Länge: 98 Minuten
Verleih: Hecht Film / Barnsteiner Film
Kinostart: 15. Februar 2018

FILMKRITIK:

Elf Dresdener Musiker gründeten im Jahr 2001 die Band „Banda Comunale“, die 2015 deutschlandweit bekannt wurde. Die Gruppe spielte auf Anti-Nazi-Demos und Pegida-Veranstaltungen, um dem braunen Mob mit Musik und Lautstärke entgegenzutreten. Es folgten Willkommenskonzerte vor und in Flüchtlingsheimen. Im selben Jahr entschieden die Musiker, nicht nur für sondern auch mit den Migranten zu spielen: „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ erzählt von schicksalhaften Begegnungen und der verbindenden Kraft der Musik.

Für „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ begleiteten die Filmemacher Michael Sommermeyer und Barbara Lubich die Band durch das Schicksalsjahr 2015. Dem Jahr der großen Flüchtlingswelle. Lubich verfasste auch das Drehbuch zum Film. Die Beiden realisierten 2013 bereits die Doku „Come together. Dresden und der 13. Februar“. „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ erlebte seine Uraufführung auf der DOK Leipzig 2017.

Der Film erzählt eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Eine Geschichte über eine Gruppe von Dresdener Freunden, die beispielhaft aufzeigt, wie Protest gehen kann: friedlich, musikalisch und mit viel Spaß. Allerdings war der Anlass, der der „Banda Comunale“ erstmals große mediale Beachtung einbrachte, alles andere als spaßig.

Denn der chronologisch erzählte Film steigt mit intensiven Bildern aus dem Jahr 2015 ein, die wir alle noch im Kopf haben. Rassistische Wutbürger und Pegida-Anhänger ziehen durch die Straßen von Dresden und heizen die Stimmung gegen Geflüchtete auf. Ein dunkles Kapitel jüngster deutscher Geschichte. Aber es bilden sich Gegendemos, die ihren Unmut über den ausländerfeindlichen Mob zum Ausdruck bringen. Vor allem „Banda“-Bandleader Michał Tomaszewski ist es, der durch seine präzisen Schilderungen die damalige Situation und Atmosphäre greifbar macht. Gerade während der Pegida-Kundgebungen.

Immer mittendrin im Gewusel: „Banda Comunale“, die mit ihrer Mischung aus Balkanbeats und Klezmer für gute Laune unter den Gegendemonstranten sorgen. Und mittendrin sind stets auch Sommermeyer und Lubich, die sich ganz dicht an ihre musizierenden Protagonisten heften. Nicht zuletzt bei den „Banda“-Auftritten in den Notunterkünften und Turnhallen. Mit Hilfe der Musik gelingt es, zu den Migranten durchzudringen. Es wird zusammen gelacht und ausgelassen getanzt. In diesen fröhlichen Momenten, die zu den schönsten im ganzen Film zählen, sind die Sorgen und Nöte der Geflüchteten ganz weit weg.  

Im Rahmen jener Auftritte kamen die Musiker mit den Flüchtlingen ins Gespräch und lernten einander näher kennen. Der Stein des Anstoßes zu Gründung von „Banda Internationale“. Dies ist die eine Geschichte, von der „Wann wird es endlich wieder Sommer?“ berichtet: wie alles begann und wie aus einer deutschen Protest-Band eine internationale, bunte Gruppe von Musikern wurde, die eine Begegnung auf Augenhöhe schafft. Trotz – oder gerade wegen – kultureller, ethnischer und religiöser Unterschiede.

Auf der anderen Seite beleuchtet der Film die vielen Einzelschicksale der Geflüchteten, die beim gemeinsamen Musizieren neuen Lebensmut und Hoffnung schöpfen. Behutsam nähern sich die Filmemacher den Migranten und zeichnen gefühlvolle Porträts mutiger Menschen, die Schlimmes erlebt haben. Wie Qutaiba, ein palästinensischer Flüchtling aus einem syrischen Camp, das 2015 vom IS überrannt und dann von der syrischen Armee völlig zerstört wurde.  Oder Thabet, der erst eine Odyssee durch die arabischen Nachbarländer Syriens durchlaufen musste, bevor er endlich in Deutschland ankam.

Björn Schneider