Waren einmal Revoluzzer

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Johanna Moders Film erzählt von Menschen, die nicht nur abstrakt für etwas Gutes sind, sondern tatsächlich mal selbst etwas Gutes tun wollen. Darum helfen sie auch einem Russen, aus der Heimat nach Österreich zu fliehen. Da er aber auch noch seine Familie mitbringt und nicht ganz ehrlich war, kommt es bald zu Konflikten. Ein kluger, in seiner Konsequenz auch beeindruckender Film über das Helfen und wie es einem um die Ohren fliegen kann.

Website: www.jip-film.de/waren-einmal-revoluzzer/

Waren einmal Revoluzzer
Österreich 2019
Regie: Johanna Moder
Buch: Johanna Moder, Marcel Mohab, Manuel Rubey
Darsteller: Julia Jentsch, Manuel Rubey, Aenne Schwarz, Marcel Mohab, Lena Tronina
Länge: 104 Minuten
Verleih: jip film & verleih
Kinostart: 9.9.2021

FILMKRITIK:

Helene (Julia Jentsch) bittet ihren Freund, der geschäftlich nach Moskau muss, ihrem Ex Pavel etwas Geld zu bringen. Tatsächlich ist es mehr, als sie gesagt hat. Denn Pavel muss Russland verlassen. Darum entscheiden Helene und ihre Freunde auch, dass sie ihm helfen wollen. Als er aber in Wien ankommt, hat er auch seine Frau und sein Kind im Schlepptau. Sie alle leben nun bei Helene, die mit der Situation überfordert ist, und dass umso mehr, als sie erfährt, dass Pavels Frau auch noch mit internationalem Haftbefehl gesucht wird. Das Chaos ist vorprogrammiert und am Ende ist nichts mehr so, wie es war.

Die österreichische Filmemacherin Johanna Moder hat mit „Waren einmal Revoluzzer“ einen klugen und pfiffigen Film abgeliefert. Sie befasst sich mit Menschen, die über die eigene Hilfsbereitschaft stolpern, weil sie nicht in der Konsequenz durchgedacht haben, was diese bedeutet. Man könnte sagen, der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Oder auch: Helfen ist schön, wenn es einen so gut wie nichts kostet. Exemplarisch dafür ist der Moment, als Helene der jungen Mutter die ausgemusterten Klamotten ihrer Tochter geben will – für deren Sohn. Es ist ein Moment der Hilfsbereitschaft, der nach hinten losgeht. Weil Helene wohl Dankbarkeit erwartet hat, aber nur Unverständnis erhält.

Zugleich zeigt Moder in ihrem Film aber auch, wie die neuen Umstände alte Zustände aufreißen. So kriselt es zwischen einem Paar, bei dem die Frau nicht nur ihren Hang zum Helfen erkannt hat, sondern auch noch erfahren hat, wie schön es ist, mit Kindern umzugehen, während der Mann das „Russenproblem“ am liebsten so schnell wie möglich loswerden würde.

Im Zentrum der Geschichte stehen Mittdreißiger, die sich selbst mal als Revoluzzer sahen, die aber längst in miefiger Spießigkeit angekommen sind – und aus der auch nicht mehr ausbrechen. Die Eigenwahrnehmung kollidiert hier ganz gewaltig mit dem Tatsächlichen und führt zu Erkenntnissen der Figuren, die reichlich bitter sind. Als Zuschauer ergibt sich wiederum wenig Erkenntnisgewinn. Irgendwie ist man aber ganz froh, nicht in der Position von Helene und ihren Freunden zu sein. Denn wenn man sieht, was in der Welt schiefläuft, ist man doch immer der Meinung, etwas müsste getan werden. Die Wahrheit ist aber auch, dass die meisten damit besserfahren, wenn „die anderen“ sich darum kümmern …

Peter Osteried