Warfare

Während man noch darüber grübelt, wie nah die US-amerikanische Wirklichkeit an Alex Garlands letzten Film, die im April 2024 veröffentlichte Dystopie „Civil War“, heranreichen könnte, legt der britische Filmemacher schon die nächste Arbeit vor, in der ein bewaffneter Konflikt im Mittelpunkt steht. „Warfare“ befasst sich mit dem Irakkrieg, genauer gesagt mit einem ganz konkreten Manöver, das einen Trupp Navy Seals im November 2006 in eine brisante Lage brachte. Als Koregisseur assistierte Garland der an dem blutigen Einsatz selbst beteiligte Veteran Ray Mendoza, der bei „Civil War“ als militärischer Berater fungiert hatte.

 

Über den Film

Originaltitel

Warfare

Deutscher Titel

Warfare

Produktionsland

USA

Filmdauer

95 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Garland, Alex / Mendoza, Ray

Verleih

Leonine Distribution GmbH

Starttermin

17.04.2025

 

Ausgelassen ist die Stimmung kurz vor Beginn der Operation, als sich die jungen Männer rund um Captain Erik (Will Poulter) gemeinsam das Musikvideo zu Eric Prydz‘ Dance-Hit „Call on Me“ anschauen. Der Ton: bis zum Anschlag aufgedreht. Plötzlich ein Schnitt, das Lied erstirbt, und die US-Soldaten schleichen durch die Dunkelheit einer irakischen Wohngegend. Ihre Aufgabe: eines der Haus stürmen, einnehmen und von dort aus das aufständische Gebiet absichern.

Die Wahl fällt auf ein zweistöckiges Gebäude, das zwei Familien beherbergt. Diese werden in einem Raum zusammengetrieben und zu absoluter Ruhe angehalten. Nur wenig später kommt es in der näheren Umgebung zu verdächtigen Bewegungen, die die Navy Seals in Alarmbereitschaft versetzen. Ein erster Angriff bricht dennoch unerwartet über sie herein. Scharfschütze Elliott Miller (Cosmo Jarvis) wird verwundet und benötigt medizinische Unterstützung. Als ein angeforderter Panzerwagen endlich auftaucht, detoniert eine Bombe und verletzt Miller noch schwerer. Auch Sam (Joseph Quinn) trifft es hart. Erik, der Funker Ray Mendoza (D’Pharaoh Woon-A-Tai) und die anderen kämpfen fortan darum, ihre mit dem Leben ringenden Kameraden irgendwie aus dem unter Beschuss stehenden Haus herauszuschaffen.

War „Civil War“ ein beklemmendes Roadmovie, das ein Amerika der nahen Zukunft im Ausnahmezustand skizzierte, präsentiert sich „Warfare“ als Kammerspiel, das seine wahren Begebenheiten hochintensiv und möglichst detailgetreu rekonstruiert. Ein Großteil der Handlung konzentriert sich auf das Geschehen in und um das besetzte Gebäude und läuft in Echtzeit ab. Schon dadurch entsteht eine ungemeine Drucksituation, die auch auf das Publikum erfasst.

Zur angespannten, klaustrophobischen Stimmung trägt überdies der umsichtige Toneinsatz bei. Feuert der Film anfangs mit „Call on Me“ aus allen Rohren, zeichnet sich die folgende halbe Stunde vor allem durch gebanntes Warten aus. Die Soldaten machen ein paar Scherze, Funksprüche werden ausgetauscht. Ansonsten herrscht allerdings Stille, während die Kamera die Gesichter der jungen Männer aus der Nähe erforscht und jede noch so kleine Regung offenlegt.

Mit der Bombenexplosion ändert „Warfare“ schließlich seinen Modus, geht in albtraumhaftes, panisches Chaos über. Die Kamera wackelt, für kurze Zeit ist die Straße vor dem besetzten Haus in grün-grauen Nebel getaucht. Schmerzensschreie und Anweisungen schwappen dumpf in den Kinosaal und überlagern sich immer wieder. Zudem ungeschönte Bilder schwerster Verwundungen, für die es durchaus einen starken Magen braucht.

Krieg ist brutal, Krieg ist dreckig, Krieg ist nichts für strahlende Helden, wollen uns die beiden Regisseure unmissverständlich sagen und verzichten konsequenterweise auf die in US-Filmen sonst so üblichen pathetischen Gesten. In „Warfare“ irritiert selbst die am Ende obligatorische Fotoshow, bei der Schauspieler und reale Pendants gegenübergestellt werden. Wohl nicht von ungefähr sind die Gesichter vieler echter Soldaten unkenntlich gemacht.

Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Begrenzung des Drehbuchs darf man keine vielschichtigen Charakterporträts erwarten. Vielmehr bekommen wir unterschiedliche Soldatentypen zu sehen. Und so liegt es ganz an den mit Verve agierenden Darstellern, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Fragen nach der Rechtmäßigkeit des Irakkrieges, der Mission der Navy Seals, den genauen Hintergründen spielen keine Rolle. „Warfare“ interessiert sich einzig und allein dafür, den nervenzehrenden Überlebenskampf möglichst authentisch nachzustellen. Was trotz der versiert-mitreißenden Inszenierung auffällt: Den zwei einheimischen Armeeangehörigen, die das US-Militär unterstützen, und den unvermittelt aus dem Schlaf gerissenen Familien schenkt der Film wenig Aufmerksamkeit. Das wiederum ist dann doch recht typisch für amerikanische Produktionen, die reale Kampferlebnisse für die große Leinwand aufbereiten.

 

Christopher Diekhaus

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