Khawla, Aysha und Rehab sind Klempnerinnen in Jordanien, und sie sind Freundinnen. Alle drei verbindet neben ihrem ungewöhnlichen Beruf der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit. Doch als Khawla unter Korruptionsverdacht gerät, wird die Freundschaft der Drei auf eine harte Probe gestellt. Beinahe wie ein Spielfilm wirkt das überzeugende Kinodebüt der jungen deutschen Filmemacherin Daniela König. Ihre humorvoll erzählte, originelle Dokumentation über Frauen, die sich mit Rohrzange und Wasserschlauch emanzipieren, lebt von drei wunderbaren Heldinnen, die von Minute zu Minute liebenswerter werden.
Webseite: riseandshine-cinema.de
Dokumentarfilm
Deutschland 2019
Regie: Daniela König
88 Minuten
Verleih: Rise & Shine
Start: 5. März 2020
arabisch mit deutschen Untertiteln
FILMKRITIK:
Am Anfang steht die Geschäftsideeeinercleveren Frau: Khawla lässt sich von ihrem Mann anlernen und wird Klempnerin in Amman, im Grunde eine Win-Win-Situation für jordanische Frauen. Aufgrund der strengen Gesetze dürfen Frauen nämlich nicht mit fremden Männern allein sein, also auch nicht mit einem Klempner, der traditionell in Jordanien viel zu tun hat. In dem extrem wasserarmen Land sind Rohrbrüche und verschmutzte Tanks an der Tagesordnung. Was liegt näher, als Klempnerinnen auszubilden, die problemlos Zugang zu den Haushalten haben? Khawla setzt sich gegen Vorurteile und Hindernisse durch, ihr Business wird zum Erfolg. Nebenbei hält sie Vorträge und ist oft zu Gast in TV-Talkshows, besonders seit sie ein eigenes Ausbildungsprojekt für Frauen gegründet hat. Rehab und Aysha sind Absolventinnen ihrer Klempnerinnenschule und arbeiten mit Khawla im Team. Aysha, die als Witwe ihre drei Kinder durchbringen muss, träumt davon, sich zu ihrem 40. Geburtstag mit einer eigenen Firma selbständig zu machen. Rehab ist geschieden, hat vier Kinder und putzt nebenbei in einem Fitness-Studio. Als Khawla erfährt, dass sie der Korruption verdächtigt wird und sich deshalb vor Gericht verteidigen muss, gerät ihr ganzes Projekt ins Wanken. Die Aufträge bleiben aus, und als sie die anderen Frauen um Hilfe bittet, muss sie erkennen, dass Solidarität keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, nicht einmal unter Freundinnen, die so viel miteinander verbindet wie Khawla, Aysha und Rehab.
Am Anfang stehen die fröhlichen Bilder einer gemeinsamen Autofahrt. Khawla holt ihre beiden Kolleginnen und Freundinnen ab, um mit ihnen zu einem Auftrag zu fahren, den die Drei professionell erledigen. Im Schnelldurchlauf wird Khawlas Aufstieg gezeigt, einschließlich ihrer selbstbewussten Auftritte im Fernsehen. Langsam aber wandelt sich das Bild. Parallel zu der Entwicklung, die Khawla im Mittelpunkt eines Gerichtsverfahrens zeigt, lernt man die Frauen immer besser kennen, die kesse Rehab – als Kettenraucherin stets auf der Jagd nach preiswerten Zigaretten –, die anfangs schüchterne Aysha, die schließlich sogar Autofahren lernt, weil sie das für ihre Selbständigkeit braucht, und Khawla selbst, die nur mit Mühe ihren Optimismus bewahrt. Die humorvolle Leichtigkeit des Beginns weicht einer wachsenden Ernsthaftigkeit, ohne dass sich dabei die Stimmung komplett dreht. Was anfangs aufgrund der originellen Ausgangsposition – drei muslimische Klempnerinnen in einem extrem wasserarmen Land – noch sehr exotisch wirkte, wird selbstverständlich, und die Frauen werden immer liebenswerter in all ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
Daniela König zeigt, ohne zu bewerten, sie lässt die Frauen sprechen, ohne zu kommentieren, und erreicht dadurch einen extrem hohen Grad an Realismus. Vielleicht wird ihr Film damit ein wertvollerer Beitrag zur Emanzipation in einem islamischen Land und zur Auseinandersetzung damit als durch die ewige Kopftuchdebatte. Die Frauen selbst scheint das Thema überhaupt nicht zu interessieren. Die offensiv gefärbte Blondine Khawla mit ihren wehenden langen Haaren und ihrer westlichen Kleidung agiert ganz selbstverständlich neben ihren Kolleginnen und Freundinnen in unterschiedlichen Graden der Verhüllung. Im Vordergrund steht das Erreichen finanzieller und beruflicher Unabhängigkeit und natürlich ihre Freundschaft in allen Höhen und Tiefen. Ein Tanklasterfahrer, der Wasser liefert, stellt so etwas wie ein Bindeglied zwischen den Frauen, ihrem Job und dem Wasser dar. Er erinnert immer wieder an das ursprüngliche Problem, die Wasserknappheit, und er zeigt, wie das System der Wasserversorgung in Jordanien funktioniert. Als einer der wenigen männlichen Akteure des Films schafft er eine zusätzliche Erzählebene, die als inszenierte Wirklichkeit den dokumentarischen Charakter gleichzeitig unterstützt und konterkariert. Immer stärker entwickelt sich so ein Stil, der sich am Spielfilm orientiert, ohne dass die dokumentarische Ebene verlassen wird. Dieses Kunststück wird auch durch den genialen Filmschnitt von Alex Bakri erreicht.
Einzig und allein die Untertitel sind nicht komplett gelungen. Leider gibt es hier ein paar Übersetzungen aus dem Arabischen, die ungeschickt wirken. Da wird z. B. der (deutsche) Straftatbestand der „Korruption“ bzw. „Vorteilsgewährung“ mit „Machtmissbrauch“ übersetzt, und Khawla hat angeblich eine NGO gegründet, die wahrscheinlich eher eine Art Verein oder eine Kooperative ist. Doch diese minimalen Pannen, so überflüssig und lästig sie auch sind, schmälern das Vergnügen nur unwesentlich. Insgesamt ist Daniela König ein feiner, kleiner Film gelungen, der sehr viel Spaß macht, wunderbar konzipiert und gestaltet ist und dabei hoch interessante Einblicke in das Leben und den Alltag von Frauen in einer vom Islam geprägten Kultur gewährt.
Gaby Sikorski