We feed the world

Gewächshäuser so weit das Auge reicht. Hühner in rauen Mengen. Sojafelder, wo gestern noch Regenwald stand. Erwin Wagenhofer hat sich in seinem Dokumentarfilm „We feed the world – Essen Global“ auf die Spur von Lebensmitteln gemacht. Was er zeigt, kann einem durchaus auf den Magen schlagen, zumindest aber zum Nachdenken bringen. Darüber zum Beispiel, was gut gefüllte Kühlschränke in Überflussgesellschaften mit Armut und Hunger in anderen Ländern zu tun haben. Ein Dokumentarfilm, der viele Verbraucher die Tomaten von ihren Augen nehmen lassen sollte.

Webseite: www.essen-global.de

Österreich 2005
Regie: Erwin Wagenhofer
Dokumentarfilm; mit: Jean Ziegler (UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung), Karl Otrok (Produktionsleiter eines Saatgutherstellers), Peter Brabeck (Konzernchef Nestlé International), Hannes Schulz (Geflügelzüchter), Fischer in Frankreich, Landwirte in Brasilien etc.
96 Minuten
Verleih: Delphi Filmverleih
Kinostart: 27.4.2006

PRESSESTIMMEN:

Wagenhofers Meisterschaft als Dokumentarist besteht darin, dass er allein die Bilder und seine Gesprächspartner sprechen läßt - und das Ganze mit einer grandios unauffälligen Tonkulisse unterlegt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Eine Doku, die auf den Magen schlägt - und dennoch Zuschauer begeistert.
SPIEGEL Online

Ein ganz sachlicher, ruhiger und daher umso erschreckenderer Film. Es geht um den alltäglichen Wahnsinn rund um unsere Lebensmittel. Sachlich, analytisch führt der Film den Irrsinn um unser Essen vor Augen.
ZDF Heute-Journal

Ein solides Stück Aufklärung. Der Film zeigt uns die Abgründe hinter unserer bunten Supermarktwelt.
ARD-Kulturreport

Bevor Sie einkaufen: Gehen Sie erst ins Kino.
Man kann niemanden verdonnern, sich zu informieren. Nur appellieren und höflich bitten. ALSO BITTE, versäumen Sie nicht den Film We Feed the World. Aber Vorsicht, er könnte ihre Ernährungsweise ändern.
STERN

Eine Doku, die sich Aufklärung, nicht Anklage zur Aufgabe gemacht hat... Ohne Begleitkommentar argumentiert 'We feed the world' durch Montage, eingeblendete Fakten und ausgewählte Interview-Statements.
Blickpunkt Film

Wie oft wir uns selbst in die Einkaufs-Tasche lügen und auf den schönen Schein unserer Lebensmittel hereinfallen, ist schon absurd. Dabei sind wir weder uninformiert noch doof. "Strauchtomaten aus Spanien", das hört sich doch lecker und ganz natürlich an? Die sind bestimmt auch gut und auf jeden Fall billiger als im Bioladen... Die Dokumentation von Erich Wagenhofer räumt mit derlei Gefühlsduselei auf. Der Österreicher hat den widernatürlichen Weg verfolgt, den unsere Nahmung, zum Nutzen Weniger und zum Schaden Tausender, zurücklegt... Die Rechercheleistung ist enorm, Wagenhofers Gesprächspartner sind Insider und reden Tacheles...
PUBLIK

FILMKRITIK:

Mit Tomaten fing das Dokumentarfilmprojekt für den österreichischen Filmemacher an. Wagenhofer wollte wissen, wo die auf dem Wiener Naschmarkt verkauften Paradeiser denn her kommen. Der Weg führte ihn nicht etwa in Nachbars Garten, sondern in den Süden Spaniens, wo um Almeria herum der Welt größtes Gewächshausgebiet besteht. Nun ist es ja nicht so, dass Verbraucher hierzulande nicht wüssten, dass die Masse des im Super- und längst auch auf dem traditionell von lokalen Anbietern beschickten Wochenmarkt gehandelten Gemüses unter solchen Bedingungen wächst. Die bis ans Ende des Horizontes reichende Fülle an Gewächshäusern verblüfft, nein: schockiert aber dann doch. Absurder noch: ein Teil der hier billigst und häufig auch mit staatlichen Subventionsgeldern produzierten Ware findet sich später auch auf afrikanischen Märkten wieder. Im Senegal zum Beispiel, wo es deutlich unter dem Preis heimischer Produkte angeboten wird. Die Folge: die afrikanischen Bauern verkaufen ihre eigenen Produkte nicht mehr, verlieren dadurch ihre Existenz, sind gezwungen, ihr Land zu verkaufen, emigrieren (oft auch illegal) Richtung Europa, landen möglicherweise in Almeria, wo sie als billige Arbeitskräfte in den Gewächshäusern selbst Teil einer paradoxen Wertschöpfungskette werden.
 

Erwin Wagenhofer spart es sich, die Stationen dieses geschilderten Szenarios filmisch festzuhalten. Knappe, in den Film eingeblendete Aussagen dieser Zusammenhänge oder Sätze aus dem Mund von Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, reichen aus, um das Dilemma, an dem letztlich auch der Konsument mit seiner Kaufentscheidung Anteil hat, deutlich zu machen. Angenehm an Wagenhofers Film: er bewertet nicht, er hält sich nüchtern an Fakten, zeigt aber Missstände auf und appelliert an das persönliche Verantwortungsbewusstsein des Zuschauers.

Als ein weiteres Beispiel dient dem Österreicher die vor allem für Futtermittel so notwendige Produktion von Soja. Für sie fallen in Brasiliens Bundesstaat Mato Grosso Unmengen von Regenwald der Motorsäge zum Opfer. Er zeigt die Situation auf dem Land in Rumänien, wo Hybridsaatgut auf dem Vormarsch ist und den kleinen Bauern Konkurrenz macht. Dass neu designte Genfood-Früchte geschmacklich nichts mehr mit ihren Urahnen zu tun haben, den Verbraucher scheint es nicht zu stören. Hauptsache der Geldbeutel bleibt geschont. Aufschlussreich ist auch das Kapitel über die Fischfangmethoden und –erfahrungen in der Bretagne, nahe gehend der Besuch in einer Geflügelfabrik. Dort sorgt die maschinelle Fließbandabfertigung auf der einen Seite für Staunen ob der ausgeklügelten Verwertungskette, gleichzeitig widert der seelenlose Umgang mit dem ein paar Bilder zuvor noch flaumig aus dem Ei geschlüpften putzigen Federvieh an.

Ähnlich wie der von der Globalisierung der Weinproduktion und der Vernetzung des weltweiten Weingeschäfts handelnde „Mondovino“ von Jonathan Nossiter macht „We feed the world“ Zusammenhänge deutlich, offenbart sich auch die manchmal seltsame Rolle der EU. Dass Peter Brabeck, Konzernchef von Nestlé International voller Stolz berichtet, wie sein Unternehmen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen Anteil am Gemeinwohl der Gesellschaft hat, ist keinesfalls zynisch. Hier vertritt ein Mensch eine Ansicht, die sein Job von ihm verlangt. Auch Karl Otrok, Produktionsleiter des weltgrößten Saatgutherstellers Pioneer in Rumänien, gibt sich loyal, leugnet aber auch nicht die Schattenseiten seines Metiers: „Wir sollten uns damit abfinden, dass es bald kein Lebensmittel mehr gibt, das gentechnikfrei ist.“

Dem entgegen zu wirken ist ein Anliegen von „We feed the world“. Mit seinen aussagekräftigen Bildern bietet Erwin Wagenhofer nicht nur sachliche Information, sondern auch Nahrung für das Auge. Spannend dürfte sein, welche Dynamik der Film unter Verbrauchern verbreiten wird, und wie die zahlreichen Organisationen – zum Beispiel aus dem Bereich Biologischer Lebensmittelproduktion, Humanitärer Hilfsgemeinschaften oder dem Umweltschutz – auf ihre Interessen aufmerksam machen können. Dazu Erwin Wagenhofer: „Wir können so sicher nicht weiterleben. Wir müssen anders leben, wir müssen anders essen, anders einkaufen, wir müssen andere Filme anschauen.“

Thomas Volkmann