Am Ende sind es die Momente die zählen, die Erinnerungen, die gemeinsam erschaffen wurden, die Zeit, die zusammen verbracht wurde. Keine besonders weise Erkenntnis, aber eine, die gerne und immer wiederholt werden darf, umso mehr in einem Melodram um eine sterbende Frau, das sich vom Gros ähnlich gelagerter Stoffe abhebt, weil die Erzählung nonlinear ist. Das lässt den Film erscheinen, als würde man den Erinnerungen der Hauptfigur folgen.
Webseite: https://www.studiocanal.de/title/we-live-in-time-2024/
We Live in Time
Großbritannien / Frankreich 2024
Regie: John Crowley
Buch: Nick Payne
Darsteller: Andrew Garfield, Florence Pugh, Grace Delaney
Länge: 107 Minuten
Verleih: StudioCanal
Kinostart: 9. Januar 2025
FILMKRITIK:
Tobias und Almut lernen sich auf ungewöhnliche Art und Weise kennen. Sie fährt ihn über den Haufen. Im Krankenhaus entschuldigt sie sich und lädt ihn in ihr neues Restaurant ein. Man erlebt Almut und Tobias in Momenten des Beisammenseins, vor allem aber in den besonders wertvollen Momenten eines Lebens, in denen Weichen gestellt, Hindernisse überwunden und das Leben angegangen wird. Aber es gibt keinen Regenbogen ohne Regen, und kein Leben, das einfach nur glücklich wäre. Denn Almut ist krank. Sehr krank. Sie muss sich entscheiden. Für eine Therapie, die ihr bei Nichterfolg ein Jahr des Leidens und des Passivseins beschert, oder für ein halbes Jahr des aktiven, im Moment stattfindenden Lebens.
John Crowley, der Andrew Garfield einst in dessen erstem Film „Boy A“ besetzte und generell ein Händchen dafür hat, mit kommenden Schauspielgrößen zu arbeiten – etwa Colin Farrell in „Intermission“ oder Saoirse Ronan in „Brooklyn“ – hat mit „We Live in Time“ einen schönen, aber im Grunde vorhersehbaren Film abgeliefert. Im Kern ist dies lediglich ein Melodram, wie es das im Kino schon häufig gab, nur dass die beiden Hauptdarsteller überragend sind. Und: Die Erzählweise ist anders. Der Film springt narrativ hin und her, fängt nicht am Anfang an, endet aber zumindest am Ende, und fügt dazwischen alles ein. Wie ein Mosaik, das am Ende Form annimmt. Oder wie plötzlich aufblitzende Erinnerungen. Das verleiht dem Film etwas Traumhaftes.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das nicht für jeden Zuschauer funktioniert. Eine lineare Erzählung wäre formelhafter und auch plakativer gewesen, sie hätte auch alle Klischees bedient, und weil diese erprobt sind und funktionieren, hätte „We Live in Time“ so vielleicht einige stärker abgeholt. Die zerfaserte Struktur ist nicht jedermanns Sache. Aber sie ist es, die den Film ungewöhnlich macht.
Florence Pugh und Andrew Garfield sind hervorragend. Sie gehören zu den Besten ihrer Generation und zeigen hier, wieso das so ist. Es liegt vor allem an ihnen, dass der Zuschauer mitgeht, dass er emotional gepackt wird. Die Botschaft ist natürlich denkbar simpel: Lebt eurer Leben und wertschätzt jeden einzelnen Moment, denn ihr wisst nie, wann es vorbei sein kann. Das ist für ein großes Drama zu wenig, für ein großes Melodram reicht es indes schon aus. „We Live in Time“ ist ein schöner Film, über das Leben, die Liebe, das Lachen, aber auch den Abschied.
Peter Osteried