Wem gehört mein Dorf?

Aus dem Kleinen heraus über das Große erzählen: Nach diesem Prinzip verfährt Christoph Eder in seinem Dokumentarfilm „Wem gehört mein Dorf?“, das über Verdrängungsprozesse, Gentrifizierung, Profitstreben und Gleichgültigkeit am Beispiel des Heimatdorfs des Regisseurs erzählt, dem Ostseebad Göhren auf Rügen.

Website: https://jip-film.de/wem-gehoert-mein-dorf

Dokumentarfilm
Deutschland 2021
Regie & Buch: Christoph Eder
Länge: 96 Minuten
Verleih: jip film & verleih
Kinostart: 12. August 2021

 

Über den Film

Originaltitel

Wem gehört mein Dorf?

Deutscher Titel

Wem gehört mein Dorf?

Produktionsland

DEU

Filmdauer

100 min

Produktionsjahr

2021

Produzent

Peters, Julia

Regisseur

Eder, Christoph

Verleih

Starttermin

11.08.2021

 

FILMKRITIK:


Laut Wikipedia lebten zum Stichtag 31. Dezember 2019 exakt 1277 Menschen in Göhren auf Rügen, einem winzigen Seebad im Osten der beliebten Ferieninsel. Meist ist es hier eher beschaulich, allein in den Sommermonaten erlebt Göhren wie ganz Rügen einen Boom, fallen Touristen in das Dorf ein, manche nur auf einer Tagestour, die nach dem Essen einer Bratwurst, dem Trinken eines Bier, vielleicht noch einem Sprung ins Wasser schon vorbei ist.

Keine Frage: Göhren profitiert vom Tourismus, doch wie weit soll man sich dem Profitstreben einiger weniger unterordnen? Im Dorf ist das vor allem der aus Westfalen stammende Investor Wilfried Horst, der – das bestreiten auch seine Gegner nicht – seit der Wende viel für das Dorf getan, Millionensummen investiert, es verwandelt hat. Ihm treu zu dienen scheinen die so genannten Vier von der Stange, vier alteingesessene Dorfbewohner, die seit langem auch im Gemeinderat sitzen und scheinbar jedes neue Bauvorhaben von Horst kritiklos durchwinken. Doch nun ist es genug, nun formt sich eine Bürgerinitiative, die gegen einen weiteren Ausbau von Hotels und Wohnanlagen protestieren, die die Natur erhalten und den Investor stoppen wollen.

Eine klassische David gegen Goliath-Geschichte also, und es ist klar, auf wessen Seite Christoph Eder steht. Voller Sympathie für den kleinen Mann beschreibt er den Kampf gegen den Investor, lässt zwar auch die Gegenseite zu Wort kommen, doch wenn unberührte Natur gegen Neubausiedlung steht, Bürgerinitiative gegen gesichtslosen Investor sind die Fronten klar verteilt.

Warum die Dorfbewohner dem Treiben so lange zugesehen haben, warum sie ihre Grundstücke freiwillig verkauft haben fragt man sich, auch, warum die ungeliebten Mitglieder des Gemeinderates immer und immer wieder neu gewählt wurden, wenn ihr Tun der Mehrheit doch missfällt? Vielleicht musste das Maß erst voll sein, damit engagierte Bürger endlich auf die Barrikaden gehen, eine Bürgerinitiative formen, sich selbst in den Gemeinderat wählen lassen.

Diesen urdemokratischen Prozess begleitet Christoph Eder mit seiner Kamera, lässt die beteiligten Personen zu Wort kommen, zeichnet auch durch alte Videoaufnahmen von sich und seinen Freunden, ein paradiesisches Bild von einer Heimat, die zu verschwinden droht. So oder ähnlich geht es in vielen deutschen Orten, in kleinen Dörfern und großen Städten. Lange Zeit wurde dem Markt, dem schnellen Geld alles untergeordnet, erst spät, vielleicht zu spät, fällt auf, dass man das, was man einst für ein paar Euro verkauft hat, nicht mehr wiederbekommt.

Im Fall von Göhren feiert die Bürgerinitiative einen Erfolg, sie zieht in den Gemeinderat ein, die Demokratie macht es möglich. Zu gern würde man nun aber auch wissen, ob es gelingt, die Dinge wirklich zu verändern. Vielleicht dreht Christoph Eder in einigen Jahren ja eine Fortsetzung und erzählt davon, wie die neuen Mitglieder des Gemeinderates damit umgegangen sind, plötzlich Verantwortung, aber auch Macht zu besitzen.

Michael Meyns

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