Wenzel – Glaubt nie, was ich singe

Zum Vergrößern klicken

Im Osten des Landes kennen ihn viele, im Westen wohl die wenigsten. Auch das ist eine Erkenntnis von Lew Hohmanns Dokumentarfilm „Wenzel – Glaubt nie, was ich singe“, die viel über den Zustands Deutschland, über 30 Jahre nach der Vereinigung erzählt. Und die man bedauern sollte, wie das liebevolle, wohlwollende Porträt des Liedermachers Hans-Eckardt Wenzel zeigt.

Webseite: https://wenzelfilm.de/

Deutschland 2022
Regie & Buch: Lew Hohmann
Dokumentarfilm

Länge: 107 Minuten
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 11. Mai 2023

FILMKRITIK:

Schaut man auf der Homepage von Hans-Eckardt Wenzel wo der Liedermacher in den nächsten Wochen und Monaten auftreten wird, stößt man auf Namen wie Oderaue, Jena, Schwerin, Salzwedel, Weimar oder Halle, zwei Auftritte in Berlin sind geplant, aber selbst dort in der Volksbühne und dem Kabarett Distel, zwei Orte im Ostteil der Stadt, dazu Kamp, einem Dorf am Stettiner Haff.
Dass der Liedermacher Wenzel fast nur im Osten Deutschlands auftritt erzählt auch über 30 Jahre nach dem Mauerfall einiges über die innere Spaltung eines Landes, in den sich Politiker in Sonntagsreden gern viel auf die friedliche Einheit, die Wiedervereinigung einbilden. Die man allerdings durchaus auch als Annektion bezeichnen kann, wie der Filmemacher und Gelegenheitsmusiker Andreas Dresen an einer Stelle anmerkt.
An Dresens Film „Gundermann“ muss man bei Lew Hohmanns Dokumentarfilm „Wenzel – Glaubt nie, was ich singe“ immer wieder denken, beides Künstler, die schon zu DDR Zeiten große Erfolge feierten, nach der Einheit weitermachten, aber trotz der nun offenen Grenzen in gewisser Weise vor einer unsichtbaren Grenze standen.
In Kropstädt bei Wittenberg wurde Hans-Eckardt Wenzel 1955 geboren, schon früh rebellisch und antiautoritär, konnte dennoch an der Humboldt-Universität in Berlin studieren, spielte mit der Musik-Theatergruppe „Karls Enkel“, kritisierte auf unterschwellige Weise die gesellschaftlichen Zustände, so sehr das in einem autokratischen Regime eben ging.
Später folgte zusammen mit Steffen Mensching das Duo „Meh & Weh“, das auch nach der Wende weitermachte.
Reichhaltiges Archivmaterial hat Lew Hohmann zusammengetragen und zeichnet Leben und Wirken von Wenzel nach, unterbrochen von Kommentaren von Freunden und Wegbegleitern wie Antje Vollmer, Konstantin Wecker, Andreas Dresen oder Christoph Hein. Wohlwollend und heimelig wirkt das, fast ein wenig glatt, so wie die sanften Leider von Wenzel auf den ersten Blick wirken.
Doch in ihnen steckt mehr, wird die Kritik am System und den gesellschaftlichen Zuständen oft erst auf den zweiten oder dritten Blick sichtbar, vielleicht auch ein Überbleibsel der Notwendigkeit, sich in einem System wie dem der DDR vorsichtig und verklausuliert ausdrücken zu müssen. Gerade in der zweiten Hälfte von „Wenzel – Glaubt nicht, was ich singe“ wird es jedoch zunehmend gesellschaftspolitischer, wenn sich die Beschreibung von Wenzels Karriere der Wende nähert, dem kurzen Moment, als es möglich schien, die DDR zu reformieren und nicht vom Westen übernehmen zu lassen. Ein wenig Melancholie schwingt in den Aussagen von Wenzel oder Dresen ob der vergebenen Chance mit.
Auch in seiner neben Berlin zweiten Heimat Kamp bleibt Wenzel engagiert: Um das seit Jahren stattfindende Wenzel-Open Air zu retten hilft er eine zum Verkauf stehende Wiese am Hafen zu erwerben. Und vielleicht hilft diese Dokumentation ja auch dabei, den Bekanntheitsradius Wenzels über die ja längst nicht mehr wirklich neuen Bundesländer zu erweitern. Zu wünschen wäre es.

Michael Meyns