Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?

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Eine chaotische Familie macht sich, teils freiwillig, teils unfreiwillig, auf den Weg ans Meer. In ihrem Spielfilmdebüt schickt Regisseurin und Autorin Kerstin Polte ihre Protagonisten auf eine Reise zu sich selbst und in eine Herberge, deren Wirt sich für den lieben Gott hält. Trotz einer prominenten Schauspielerriege verströmt der Film nur wenig von der Poesie, um die das Drehbuch so angestrengt ringt. Die Figuren bleiben gefangen in holzschnittartigen Konturen und vorsätzlich originellen Dialogen, in denen Leichtigkeit behauptet, aber nicht eingehalten wird.

Webseite: www.alamodefilm.de

Deutschland 2017
Regie: Kerstin Polte
Darsteller: Corinna Harfouch, Karl Kranzkowski, Meret Becker u.a.
Länge: 90 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 3. Mai 2018

FILMKRITIK:

Figuren, die nicht recht zueinander passen oder sich auseinander gelebt haben, werden im Kino gerne auf eine Reise geschickt. Unterwegs mit allerlei Hindernissen konfrontiert, finden die Charaktere oftmals wieder zusammen. Ein solches Roadmovie entwirft auch Regisseurin Kerstin Polte in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm: Eine chaotische Familie macht sich auf den Weg ans Meer – und zu sich selbst.
 
Charlotte (Corinna Harfouch) und Paul (Karl Kranzkowski) sind ein Paar, dass sich nach 37 Jahren Ehe nicht mehr viel zu sagen hat und mehr schlecht als recht nebeneinanderher lebt. Ihre Tochter Alex (Meret Becker) müht sich dauergestresst als alleinerziehende Mutter und angehende Fahrlehrerin durch ihr Leben und ringt um einen besseren Draht zu ihrer eigenwillig-altklugen Tochter Jo (Annalee Ranft). Als Charlotte und Jo nach einem verkorksten Kindergeburtstag eines Tages Richtung Meer durchbrennen, machen sich Alex und Paul auf die Suche nach ihnen. Dabei hilft ihnen die ungewöhnliche Truckerin Marion (Sabine Timoteo), ein zierliches Wesen, das ihren Lkw mit unzähligen Fotos bizarrer Wolkenformationen ausgestattet hat.
 
In der Ausgangssituation erinnert vieles an die aberwitzige Reisegesellschaft in „Little Miss Sunshine“. Doch an den anarchischen Humor und die ungezwungene Spontaneität dieser amerikanischen Tragikomödie kann Poltes Geschichte zu keiner Zeit anknüpfen: Zu gestelzt sind die Dialoge, zu vorsätzlich die Volten der Charaktere, zu aufgesetzt die einzelnen Szenen. Aus nahezu jeder Einstellung spricht das Bemühen des Drehbuchs, Tiefe, Sinn und Originalität zu konstruieren. Die angestrebte Leichtigkeit aber geht dabei völlig verloren. Je länger der Film dauert, desto uninteressanter werden die holzschnittartigen Figuren.
 
Von einigem Unterhaltswert ist immerhin Bruno Cathomas in der Rolle des Pensionswirts Hörster. Auf einer abgelegenen Insel betreibt er eine malerisch-abgewrackte Herberge und wacht über hunderte von Schlüsseln zu Zimmern ohne Gäste. Hörster hält sich selbst für den lieben Gott und begleitet den Film mit verschwurbelten Einsichten aus dem Off, aus denen nicht ganz klar wird, ob er vielleicht doch ein höheres Wesen ist. Am Ende ist das egal, denn immerhin verleiht dieser verschrobene Eigenbrötler dem Film einen Hauch jener Poesie, um die er ansonsten so verbissen ringt.
 
Auch der prominente Cast will dem Film nicht wirklich Leben einhauchen. Die Schauspieler bleiben gefangen in den starren Konturen ihrer Figuren und der aufdringlichen Bedeutungsschwere des Drehbuchs. Man hat Corinna Harfouch oder Meret Becker schon in so vielen starken Rollen gesehen. Doch in diesem Film gelingt es selbst ihnen nicht, sich aus dem Korsett ihrer Charaktere frei zu spielen.
 
Klaus Grimberg