Wer war Hitler?

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Die Frage, wer Hitler war und vor allem, was ihn antrieb stellt sich die Geschichtsschreibung, aber vor allem die Deutschen seit Jahrzehnten. Unzählige Bücher sind geschrieben, unzählige Filme gedreht worden, da fällt es schwer, dem Thema neues hinzuzufügen. Genau das ist das Hauptproblem von Hermann Pölkings „Wer war Hitler?“, der zwar einiges unbekanntes Filmmaterial zusammenträgt, aber keine eigene Haltung zu seinem Thema entwickelt.

Webseite: www.wer-war-hitler.de

Dokumentation
Deutschland 2017
Regie & Buch: Hermann Pölking
Länge: 196 Minuten (Kinofassung)
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 16. November 2017

FILMKRITIK:

Wenn man über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, nach dem Tod von Adolf Hitler noch einen weiteren Film über den selbsternannten „Führer“ der Deutschen dreht, braucht das schon einen guten Grund. Das ist auch Regisseur Hermann Pölking wohl bewusst, der seinen Film „Wer war Hitler?“ mit zwei Begründungen rechtfertigt: Zum einen sei es die erste Kino-Dokumentation über Hitler seit gut vier Jahrzehnten, ein Argument, dass ein wenig vorgeschoben anmutet, ist diese nun ins Kino kommende 197 Minuten lange Fassung seines Werkes doch nur die Kurzversion einer 460 Minuten langen Festivalfassung, die wiederum die kürzere Version einer zehnteiligen TV-Version ist. Hier von einer originären Kino-Dokumentation zu sprechen ist also irreführend.
 
Die zweite Begründung ist da schon vielversprechender: Allein anhand von Originalaussagen soll die Geschichte Hitlers erzählt werden, mittels einer Collage aus Zitaten von Zeitgenossen und Zeitzeugen, Mitstreitern und vor allem Hitler selbst, soll ein Bild des Diktators gezeichnet werden, das von Objektivität und Unvoreingenommenheit gekennzeichnet ist. Unterlegt sind diese Zitate mit Bildern, bekannten und weniger bekannten, die Pölking in jahrelanger Recherche in unzähligen Archiven ausgegraben hat.
 
In 14 Kapiteln wird nun das Leben Hitlers nachgezeichnet, Kapitel, die in ihren Titeln Antworten auf die übergeordnete Frage zu geben trachten, Wer war Hitler?: Von Ein Volksredner, über Ein Mörder bis hin zu Ein Kriegsverbrecher reichen die Antworten, die aber eigentlich keine Antworten sein wollen. Ähnlich wie es etwa der Ansatz der Bernd Eichinger-Produktionen „Der Untergang“ (und etwas später auch „Der Baader Meinhof Komplex“) war, scheint auch Pölking zu glauben, das eine möglichst neutrale Darstellung seines Themas genügt. Alles soll hier wahr sein, die Zitate sind im gesprochenen Text aufs penibelste belegt (was nebenbei verdeutlicht warum in wissenschaftlichen Texten Fußnoten Fußnoten sind und nicht im Fließtext stehen), die Bilder echt, im Sinne von aus der Zeit und nicht nachgestellt, doch von der angestrebten Neutralität ist Pölking weit entfernt.
 
Nur „spärliche, nicht wertende Kommentare“ verbinden die Zitate, so behauptet Pölking, doch Sätze wie „Wie alles in Mein Kampf ist auch diese Darstellung Hitlers eine Stilisierung und kann angezweifelt werden“ oder „Seine politischen Grundsätze leitet er aus einer primitiv darwinistischen Lehre vom Kampf ums Dasein ab. Dieser Kampf ist ein Hitlers Augen ein Ausleseprozess, in dem hochwertige Rassen eine größere Überlebenschance haben.“, sind zwar inhaltlich nicht problematisch, aber natürlich durch und durch wertend.
 
Was ebenso für die Nachvertonung der meist stummen Bilder gilt, vor allem aber die weit über 100 Sprecher der Zitate, die manchmal passen, oft viel zu modern wirken und im Fall von Jürgen Tarrach, der Adolf Hitler spricht, besonders fragwürdig erscheint: Da raunt und grummelt es, spricht Tarrach Hitler betont guttural, so wie man es aus den Tonaufzeichnungen Hitlers kennt, die ihn zu so einer leicht zu parodierenden Gestalt gemacht haben. Das Hitler allerdings in jedem Moment seines Lebens gesprochen, ja, deklamiert hat, als würde er eine Versammlung fanatischer SS-Generäle zum Opfergang auffordern, darf man getrost bezweifeln.
 
So recht scheint Pölking seinem Ansatz der Neutralität dann doch nicht getraut zu haben, was man ihm angesichts des Themas kaum verdenken kann. Doch je mehr wertende Kommentare er einfügt, desto konventioneller wird dieser ausufernde biographische Abriss Hitlers. Manches interessante, tatsächlich unbekannte Bildmaterial hat Pölking zwar ausgegraben, eine neue, gar originelle Antwort auf die ewige Frage „Wer war Hitler?“ ist diese Dokumentation allerdings nicht.
 
Michael Meyns