Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern

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Er wollte nie Filme über die Wirklichkeit machen, sondern eine eigene Filmwirklichkeit kreieren. Das war das Credo des Experimentalfilmers Werner Nekes. Ulrike Pfeiffer widmet sich in ihrem vielschichtigen Porträt „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ dem Leben des Künstlers und zeigt einen Querschnitt seines Schaffens. Der Doku gelingt es, eine Verbindung zwischen Nekes‘ avantgardistischer Kunst und den optischen Illusionen aus der Frühzeit des Films herzustellen. Denn Nekes war nicht nur Regisseur, sondern auch Sammler historischer Objekte aus der Kinogeschichte. Beide Aspekte bringt der Film gekonnt und klug zusammen.

Webseite: mindjazz-pictures.de

Deutschland 2017
Regie & Drehbuch: Ulrike Pfeiffer
Darsteller: Werner Nekes, Bazon Brock, Bernd Upnmoor, Alexander Kluge, Daniel Kothenschulte, Helge Schneider
Länge: 88 Minuten
Verleih: Mindjazz Pictures
Kinostart: 09. November 2017

FILMKRITIK:

Der 1944 in Erfurt geborene Nekes kam eigentlich von der bildenden Kunst, ehe er – angeregt durch die Künstlerin Eva Hesse – in den 60er-Jahren Pinsel durch Kamera ersetzte. Wenig später nahm er an der legendären, 60-stündigen Veranstaltung „FILM IN“ in Hamburg teil. Die „FILM IN“ gilt als der Beginn des Programmkinos. Nekes selbst drehte an die 100 avantgardistische Filme ganz unterschiedlicher Länge. Sein Hang zu unabhängigen, künstlerischen Werken war eng verbunden mit seiner Sammelleidenschaft für kinematographische Objekte, die weltweit einzigartig ist.

Die Dokumentation „Werner Nekes“ erlebte ihre Welt-Uraufführung auf der diesjährigen Berlinale. Der Porträtierte selbst konnte nicht mehr daran teilnehmen, da er einen Monat zuvor verstarb. Es ist die erste Regie-Arbeit von Ulrike Pfeiffer seit 2001. In den letzten Jahren arbeitete sie in erster Linie als Kamerafrau und Fotografin. Sie studierte in den 70er-Jahren künstlerische Fotografie in Köln, danach absolvierte sie ein Filmstudium in Berlin.

„Werner Nekes“ ist ein handwerklich einwandfrei umgesetzter Film, der jegliche Stilmittel des dokumentarischen Porträts nutzt und dramaturgisch gekonnt zusammenführt. Besonders gelungen ist, wie Pfeiffer immer wieder einen direkten Bezug herstellt zwischen Nekes‘ eigenem filmischen Schaffen und dem Beginn des Mediums Film. Denn sowohl das Phänomen der optischen Illusionen aus der Vor- und Frühgeschichte des Kinos als auch Nekes‘ Arbeiten, haben etwas Entscheidendes gemeinsam: sie sind zusammengesetzt aus tausenden, schnell aufeinander folgenden und geheimnisvoll-mystischen Bildern, aus denen ein faszinierendes Ganzes erwächst. Am Anfang steht die Täuschung des Auges, dann erliegt auch der Verstand dieser Illusion.

Pfeiffer bringt in ihrem Film viele beeindruckende Beispiele dafür, vor allem aus den Werken von Nekes. Zu sehen gibt es u.a. Ausschnitte aus „jüm jüm“ (1969), „Mirador“ (1978), „Uliisses“ (1980) oder auch „Johnny Flash“ (1986), seinem wohl bekanntesten Film. Was man sieht, ist für das Auge oft ungewohnt und wirkt nicht selten irritierend oder gar unheilvoll. Eine Einstellung zeigt eine junge Frau (Nekes‘ damalige Lebensgefährtin Dore O.) auf einer Schaukel, im Hintergrund ein gemaltes Objekt, das an einen Phallus erinnert. Die Frau gleitet rhythmisch hin- und her und durch die aneinander montierten Einzelbilder, entsteht der Eindruck einer neuen, filmischen Bewegung des aufgenommenen Objektes.

Doch nicht immer ging Nekes derart komplex und regelrecht mathematisch vor. Die Schlagerfilm-Parodie „Johnny Flash“ z.B. entstand mit einfachsten filmischen Mitteln, die Dialoge waren improvisiert. Am Film wirkten zwei befreundete Künstler mit, die Nekes noch lange begleiten sollten: der Komiker Helge Schneider sowie Regisseur Christoph Schlingensief. Schneider kommt in „Werner Nekes“ ausgiebig zu Wort und erinnert sich – auf die für ihn so typisch schelmische Art – an die Arbeit mit Nekes. Schneider bringt es auf den Punkt wenn er sagt, dass dessen Filme etwas Kindisches und etwas Anstrengendes haben. Aber genau das mache ihren Reiz aus. Man könne sich ihnen nicht entziehen.

Des Weiteren sprach Pfeiffer u.a. mit Regisseuren wie Bernd Upnmoor und Helmut Herbst oder filmte Nekes bei intensiven (Fach-)Gesprächen mit Alexander Kluge. Und toll ist natürlich auch, dass der Film einen ausführlichen Einblick in jene atemberaubende Sammlung von Nekes‘ Objekten gewährt. 600 Jahre Geschichte des Sehens trug er in seinem Mülheimer Privatmuseum zusammen. Darunter: die Laterna Magica, Daumenkinos, Wundertrommeln und magische Sehmaschinen.

Björn Schneider