West is west

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Vor über zehn Jahren erzählte der britische Culture-Clash-Hit „East is East“ mit viel Humor von der turbulenten, bisweilen schwierigen Zusammenkunft unterschiedlicher Weltanschauungen und Kulturen. Die Geschichte um ein pakistanisches Familienoberhaupt und seine englische Familie findet nun ihre ebenso charmante Fortsetzung. „West is West“ verlegt dabei den Schauplatz vom nordenglischen Salford ins fremde Pandschab-Tal. In der Rolle des Patriarchen gibt es ein Wiedersehen mit dem britisch-indischen Schauspielstar Om Puri. Mit viel Humor schildert Khan Din den Grenzgang zwischen zwei Kulturen, mischt sich auf angenehm unverkrampfte Art englische Fish’n’Chips-Mentalität mit rhythmischen Bollywood-Klängen. Regisseur Andy De Emmony gelingt eine außergewöhnliche Familienzusammenführung, deren multikultureller Ton ganz einfach gute Laune verbreitet.

Webseite: www.westiswest-film.de

UK 2010
Regie: Andy De Emmony
Drehbuch: Ayub Khan Din
Produktion: Leslee Udwin, Jane Wright, Shaana Levy
Darsteller: Om Ouri, Aqib Khan, Linda Bassett, Emil Marwa, Lesley Nicol, Ila Arun, Raj Bhansali
Laufzeit: 102 Minuten
Verleih: Kool
Kinostart: 14.6.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es ist die Geschichte von einem Vater und seinem Sohn, von zwei Familien, die nach drei Jahrzehnten aufeinander treffen und von zwei Kulturen, die trotz gemeinsamer Wurzel zunächst noch nach Gemeinsamkeiten suchen müssen. „Papa“ George (Om Puri), ein Patriarch alter Schule, der vor vielen Jahren aus seiner Heimat Pakistan nach Salford im Norden Englands kam, bereitet der jüngste Spross der Familie einigen Kummer. So schwänzt Sajid (Aqib Khan) inzwischen regelmäßig die Schule. Von seinen Klassenkameraden wird seine pakistanische Herkunft nicht wirklich akzeptiert. Sajid fühlt sich als Außenseiter, der zudem mit aller Macht gegen den allzu dominanten Vater rebelliert. In dieser Situation weiß George keinen anderen Rat, als sich mit seinem Sohn in ein Flugzeug zu setzen und die ferne Heimat zu besuchen. Dort, so hofft George, lernt Sajid endlich den nötigen Respekt vor seinem Vater und die Werte, die ihm wichtig sind.

Natürlich geht der Plan so leicht nicht auf. Schon gar nicht, wenn man weiß, dass wir uns in der Fortsetzung des Indie-Erfolgs „East is East“ befinden. Seinerzeit trafen wir zum ersten Mal auf „Papa“ George und seine Familie, die den strengen muslimischen Werten und dem von ihm propagierten Lebensstil nicht viel abgewinnen konnte. Seine englische Ehefrau Ella (Linda Bassett) und die Kinder zogen es vor, sich westlich zu kleiden und zu leben. Einige Jahre später wankt der Patriarch, als er mit der eigenen Vergangenheit und Ehefrau Nr.1 (Ila Arun) konfrontiert wird. Diese hatte er vor über dreißig Jahren mit seinen anderen Kindern in Pakistan zurückgelassen, um im Westen sein Glück zu suchen.

Von den tristen Arbeitersiedlungen Nordenglands bis in das exotische, in der Grenzregion zwischen Indien und Pakistan gelegene Pandschab-Tal verläuft die Reise, auf die uns das Sequel mitnimmt. Dabei erlebt nicht nur Sajid einen faszinierenden, überaus unterhaltsamen Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen und Weltanschauungen. Auch für den vermeintlichen Traditionalisten George ist die Begegnung mit der eigenen Vergangenheit ein durchaus heilsamer Schock. Wie das selbsternannte Familienoberhaupt von seiner verlassenen Ehefrau in die moralische Enge getrieben wird und er sich seine eigenen Fehler letztlich eingestehen muss, all das verändert ihn und seine Sicht auf die Welt. Inmitten der faszinierenden Natur des Pandschabs, fernab des regnerischen englischen Alltags gelingt Regisseur Andy De Emmony eine außergewöhnliche Familienzusammenführung, deren multikultureller Ton ganz einfach gute Laune verbreitet.

Hier mischt sich auf eine angenehm unverkrampfte Art die englische Fish’n’Chips-Mentalität mit rhythmischen Bollywood-Klängen, treffen westliche auf fernöstliche Werte. Neben dem großartigen Om Puri, der als verunsichertes Familienoberhaupt seine Paraderolle gefunden zu haben scheint, ist es vor allem der junge Aqib Khan, der zum Publikumsliebling avancieren dürfte. Das Nachwuchstalent macht aus dem anfangs schüchternen, dann aber zunehmend selbstbewussten Teenager den heimlichen Star dieser länder- wie kulturenübergreifenden Entdekungsreise. Wie schon bei „East is East“ stammt die Vorlage von Ayub Khan Din, für den die Geschichte zugleich zu einem Teil seines Lebens wurde. Die autobiographischen Elemente helfen dem Film, eine besondere Nähe zu den Figuren und ihren Schicksalen aufzubauen. Gerade die Annäherung der beiden Ehefrauen verläuft anders, als man dies zunächst erwarten konnte. Mit viel Humor schildert Khan Din den Grenzgang zwischen zwei Kulturen, für den es am Ende kein Patentrezept geben kann.

Marcus Wessel

George Khan ist „Paki“ (Pakistaner), lebt jedoch schon seit 30 Jahren in Nordengland. Das wäre vielleicht auch so geblieben, würde nicht der jüngste Sohn Sajid, noch im Schulalter, ab und zu Probleme machen, zum Beispiel mit den Erziehungsmethoden des Vaters nicht einverstanden sein oder die Schule schwänzen. Allerdings hat das Schwänzen auch eine Ursache: der Junge wird immer wieder als „Paki“ gehänselt. Die Gefahr, dass Sajid kriminell werden könnte, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

Guter Rat ist teuer. Zum Leidwesen seiner englischen Frau Ella beschließt George, Sajid nach Pakistan zu schicken. Er soll Bekanntschaft mit den „alten Werten“ machen.

George reist natürlich mit. Jetzt wird es dramatisch. Denn in Pakistan sitzt mit zwei Töchtern Georges erste Ehefrau Basheera, die er damals verließ. Dafür bekommt er nach anfänglichem Respekt dann doch einiges zu hören.

Noch brenzliger wird es, als zusammen mit einer Freundin Ella anreist, um abzurechnen und um Sajid zurückzuholen. Brenzlig schon allein deshalb, weil die beiden Frauen nichts voneinander wussten. Sie können sich außerdem schon rein sprachlich nicht verstehen – und sonst naturgemäß zunächst auch nicht - wobei Geld eine nicht geringe Rolle spielt.

Doch das wird dann zusehends besser.

Sajid findet es mit der Zeit im Pandschab gut. Er findet einen neuen Freund, trifft auf einen weisen Sufi und sucht außerdem für seinen scheuen älteren Bruder eine Frau.

An prallem Leben und Beziehungsdramatik ist einiges los in diesem Film. Die Vorgängerproduktion war „East is East“. Damals bestand Georges Problem in der Entscheidung zwischen der pakistanischen und der englischen Kultur; er entschied sich für letztere, ließ seine eigentliche Familie im Stich. In diesem Film muss die Entscheidung zwischen den beiden Frauen fallen. Und sie fällt auch.

Probleme, Gefühle und originäres Pandschab-Leben gibt es genug in diesem Film. Von der Kamera sind sie – auch das Treiben auf den Märkten und in den Suks – hervorragend eingefangen.

Om Puris Darstellungskunst (als George Khan) ist nicht von schlechten Eltern, das weiß man. Linda Basset spielt, ebenfalls gut, die Ella, Mrs. Khan Nr.2, Ila Arun die Basheera, Mrs. Khan Nr.1. Erstaunlich zieht sich Aqib Khan als Sajid aus der Rolle.

Thomas Engel