Es gehört ein gehöriges Maß an Selbstbewußtsein dazu – manche werden es auch anmaßend finden – ein 166 Minuten langes filmische Tagebuch zu drehen. Und das ist nur die Kurzversion des neuen Films von Peter Mettler, der in „While the Green Grass Grows“ kurz gesagt seine Eltern beim Sterben beobachtet – und dies zum Anlass für weitreichende, assoziative, oft berührende Reflektionen nimmt, die um Leben und den Tod, vor allem aber die Schönheit der menschlichen Existenz kreisen.
Über den Film
Originaltitel
While The Green Grass Grows
Deutscher Titel
While The Green Grass Grows (Parts 1+6)
Produktionsland
CHE, KAN
Filmdauer
166 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Mettler, Peter
Verleih
GMfilms Michael Höfner
Starttermin
02.10.2025
Vor inzwischen über 20 Jahren wurde der schweizerisch-kanadische Regisseur mit seinem essayistischen Dokumentarfilm „Gambling Gods and LSD“ bekannt, der den Zuschauer auf eine dreistündige Reise um die Welt mitnahm, auf der Suche nach Transzendenz, die, wenig überraschend, vor allem in Indien mit seinen Mystikern, seiner spirituellen Verbindung zur Erde, zu längst verstorbenen Gurus zu finden war.
In vielerlei Hinsicht ist nun „While the Green Grass Grows“ ein Seelenverwandter dieses früheren Films, ein Weiterdenken, ein Vertiefen von Gedanken und Ideen. Seinen Anfang nahm das Projekt während der Corona – Pandemie, die nicht nur Treffen zwischen Peter Mettler und seinen alternden Eltern kompliziert machte, sondern den Filmemacher wie so viele Menschen, die auf einmal in ihrer Wohnung oder ihrem Haus isoliert waren, zum Kramen in der Vergangenheit brachte.
Mettler fand im Keller Material seiner ersten filmischen Versuche, Jahrzehnte zurückliegende Bilder, die nun wie aus einem anderen Leben wirken, wie eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart und vielleicht auch der Zukunft. So wie ein Stollen in einem Bergwerk, in den ein alter Freund – und dessen Hund – Mettler führt, mit seinen noch nicht erschlossenen Flözen wie eine Verbindung zur Vergangenheit der Erde zu bilden scheint.
Ewig und und beständig wirkt die Natur an solchen Orten, viel fragiler der Mensch, der nach vielleicht 80 Jahren unweigerlich seinem Ende entgegensieht. Zu Beginn des Films stirbt Mettlers Mutter, die Frage, was mit ihrer Asche geschehen soll steht im Raum, später wird auch sein Vater im Krankenhaus liegen, die Kamera ist immer dabei und meist auch an.
Manchmal streift Mettler die Grenze zum Voyeuristischen, wenn sein Vater praktisch bewusstlos im Krankenbett liegt oder er mit der Kamera fast bis in den Verbrennungsraum eines Krematorium geht. Seine Mitmenschen werden es von Mettler gewohnt gewesen sein, dass die Kamera nie oder selten aus war, dass praktisch alles was sie filmte als potenzielles Material für einen Film dienen konnte.
Einmal wird er darauf hingewiesen die Kamera doch vielleicht einmal auszuschalten, einen Rat den Mettler natürlich nicht annimmt. Vielleicht zum Glück könnte man am Ende der mäandernden, reichen, assoziativen 166 Minuten dieser Kurzversion eines ambitionierten Projektes sagen. Nur der erste und der letzte Teil umfasst „While the Green Grass Grows“, geplant ist ein siebenteiliges Mammutwerk, das am Ende in ganzer Länge über zehn Stunden dauern soll und damit zu den längsten Filmen der Filmgeschichte zählen würde.
Mit einer normalen Kinoerfahrung hat auch diese Kurzversion nichts mehr zu tun. Man muss sich darauf einlassen, einem Mann und seinen Gedankengängen zu folgen, sich von Assoziation treiben zu lassen, die man vielleicht manchmal nicht sofort nachvollziehen kann, die im Gedankengebäude, das Peter Mettler hier entwirft irgendwie aber doch Sinn ergeben. Und dass die Themen, die er hier umkreist, jeden betreffen, steht ohnehin außer Frage: Das Leben, die Existenz, Tod, Vermächtnis, Ewigkeit. Inspirierende Gedankengänge zeigt Peter Mettler auf, mehr kann man vom Kino eigentlich nicht verlangen.
Michael Meyns