Wilhelm Tell

Der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell wird von Nick Hamm zu einem modernen Action-Helden verwurstet, der vom dänischen (!) Hünen Claes Bang als liebevoller Oberhaupt einer Patchwork-Familie gespielt wird, die sich auf Englisch (!) unterhält. Man merkt, weder mit der Realität noch mit Friedrich Schillers berühmten Drama hat „Wilhelm Tell“ allzu viel zu tun und wirkt stattdessen eher wie ein Schweizer „Braveheart.“

 

Über den Film

Originaltitel

William Tell

Deutscher Titel

Wilhelm Tell

Produktionsland

USA,ITL

Filmdauer

133 min

Produktionsjahr

2024

Produzent

N.N.

Regisseur

Hamm, Nick

Verleih

SquareOne Entertainment

Starttermin

19.06.2025

 

Auch wer Friedrich Schillers Drama „Wilhelm Tell“ nicht kennt, kennt zumindest die Szene mit dem Apfel: Der Vater, der seinem Sohn mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf schießen muss. Ein klassischer Moment, der in allerlei Variationen immer wieder zitiert wurde und nun den Beginn eines bunten, wilden, wirren Action-Spektakels bildet.

Vom finsteren habsburgischen Statthalter Gessler (Connor Swindells) gezwungen, steht der Schweizer Jäger und ehemalige Kreuzritter Wilhelm Tell (Claes Bang) seinem Sohn Walter (Tobias Jowett) gegenüber, der den Apfel auf dem Kopf trägt. Wie es zu dieser Situation kam wird nun in Rückblenden erzählt.

Albrecht, König von Habsburg (Ben Kingsley mit seltsamer goldener Augenklappe) hat es auf die durch die Berge geschützten Schweizer Kantone abgesehen und schickt seine Steuereintreiber zum Nachbarn. Dort wird geraubt und vergewaltigt, bis die Landbevölkerung genug vom Unheil hat. Die Rebellion gegen die Besatzer beginnt, ein Bauer, der einen Geldeintreiber ermordet, wird von Tell beschützt.

Der hatte nach den Erlebnissen während eines Kreuzzuges genug vom Krieg, auch wenn er im Heiligen Land immerhin seine neue Frau Suna (Golshifteh Farahani) kennengelernt hat, mit der er nun in den Schweizer Alpen in einer Art mittelalterlichen Patchwork-Beziehung lebt. Doch für die Freiheit seines Volkes ergreift der Haudegen noch einmal die Armbrust, spannt die Pfeile und beginnt, die disparaten Vorfahren der zukünftigen globalen Bankelite zu einen: Der Beginn der Eidgenossenschaft ist gemacht.

Die in der Vision des Briten Nick Hamm eine bemerkenswert weltoffene Gemeinschaft darstellt, erstaunlich progressive Multikulturell wirkt, sogar als proto-feministisch bezeichnet werden könnte, denn neben der kampfeslustigen Suna wirkt auch Gertrude (Emily Beechum), die Tochter Albrechts, federführend beim Kampf um die Freiheit mit.

Mit der historischen Realität hat das natürlich nichts zu tun, die Wahrheit hinter dem Mythos zu ergründen, wie es das Kino schon bei Figuren von König Arthur bis Jesus Christus versucht hat, muss bei Wilhelm Tell zwangsläufig schwerfallen, denn neuerer Forschung folgend hat der Schweizer Nationalheld nie gelebt. Was Nick Hamm nicht weiter stört, sondern dem Regisseur und Drehbuchautor nur die Freiheit ermöglicht, eine Abenteuergeschichte zu spinnen, die sich großzügig bei allerlei vergleichbaren Filmen bedient.

Mal wirkt dieser Tell wie eine Variation des selbstlosen Helden Robin Hoods, besonders in der Kevin Costner-Version, inklusive Ausflug ins Morgenland, dann wieder wie ein Wiedergänger von Mel Gibsons schottischem Freiheitskämpfer William Wallace, der in „Braveheart“ ein unterdrücktes Volk zur Rebellion anführte.

Ernst zu nehmen ist das nur bedingt, unterhält als überdrehtes, pathetisches Action-Spektakel aber durchaus, nicht zuletzt durch eindrucksvolle Landschaftsbilder. Gedreht wurde allerdings in Südtirol und nicht in den Schweizer Bergen, was wohl finanzielle Gründe hatte, wobei der Gedanke belustigt, ob die Schweiz der Produktion möglicherweise wegen des allzu freizügigen Umgangs mit dem Nationalhelden die Drehgenehmigung verweigerte.

 

Michael Meyns

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