Willkommen bei den Rileys

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Ein einfacher, schon älterer Handwerker nimmt sich während einer Geschäftsreise einer haltlosen und chaotischen Stripperin an. Seine Motive sind allerdings nicht die offensichtlichen, die auch die Ehefrau vermutet. Als diese ihre Ängste überwindet, findet ein seltsames Trio zusammen und eine traumatische Vergangenheit kann aufgearbeitet werden. Jake Scott, der Sohn von Ridley Scott, gelingt ein unterhaltsames und humorvolles Drama mit Tiefgang.

Webseite: www.arsenalfilm.de

Originaltitel: Welcome To The Rileys
USA 2009
Regie: Jake Scott
Darsteller: James Gandolfini, Kristen Stewart, Melissa Leo
Länge: 110 Min.
Verleih: Arsenal
Kinostart: 7.4.2011
 

PRESSESTIMMEN:

Regisseur Jake Scott, Ridley Scotts Sohn, ist mit dieser Mischung aus Liebesdrama, Komödie und Roadmovie nicht nur großes Schauspielerkino gelungen, sondern ein beglückender Film über Menschen, die sich wirklich umeinander sorgen.
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Wie in American Beauty ist auch bei den Rileys die Garage Ort für Trauer und Sublimation: Doug Riley („Soprano“ James Galdofini) muss dort rauchen und weinen. Seine Frau Loïs (Melissa Leo) bekommt dies mit, zieht sich jedoch zurück. Eher ängstlich als rücksichtsvoll. Irgendwann wird Doug schreien: „Ich bin noch nicht tot!“, denn die Riley leben nach dem Unfalltod ihrer Tochter vor acht Jahren wie im Mausoleum. Loïs verdrängt das tragische Geschehen, aber verlässt das Haus nicht. Als seine jüngere Geliebte ganz plötzlich an einer Herzattacke stirbt, bricht noch mehr in Doug zusammen. Bei einem Messebesuch in New Orleans trifft der kleine Geschäftsmann, der eher unfreiwillig in einer Strip-Bar landet, dort auf die ziemlich ordinäre Mallory (Kristen Stewart, „Twilight“). Irgendwas klickt bei ihm, nicht ganz ohne Widerstand quartiert er sich in Mallorys versiffter Bruchbude ein, repartiert, macht sauber und hängt sich voll rein, um das gefallene Mädchen wieder auf die rechte Bahn zu bringen.

Diese Rettungsaktion eines kleinen prolligen Mädchens ist eine verrückte Geschichte. Mallory und andere vermuten einen irgendwie perversen Hintergrund. Doch der kräftige und massige Doug Riley erweist sich nicht nur handwerklich als ganzer Kerl. Während er der Ersatz-Tochter etwas Erziehung im Schnelldurchgang angedeihen lässt, versucht seine Frau trotz heftiger Angstattacken zu ihm zu kommen. Obwohl die Tochter bei einem Autounfall starb, fährt Loïs schließlich selbst die gewaltige Strecke nach New Orleans. Was nicht ohne komische Momente bleibt.

Wie so oft im Leben passiert etwas, während eigentlich etwas anderes geschieht: Die Ripleys kümmern sich vermeintlich um eine hilflose junge Frau, doch diese gute Tat dient nebenbei der Bewältigung des eigenen Traumas. So kümmert sich das Ehepaar um die Geschlechtskrankheiten des leichten Mädchens und dieses sagt den Alten irgendwann, dass sie mal miteinander reden sollten...

Regisseur Jake Scott („Plunkett & Mclean“) ist der Sohn von Ridley Scott und der Neffe von Tony Scott – beide haben den Independent-Film mitproduziert. Da könnte man misstrauisch werden. Braucht man jedoch keineswegs, Scott Jr. gelingt die Gradwanderung der Geschichte. Er sorgt für Glaubwürdigkeit und vermeidet zu viel Kitsch. Die kuriose Situation sorgt immer wieder für komische Momente, in denen James Gandolfini ebenso glänzt wie in den gefühlvolleren. Der ehemalige Soprano-Boss erweist sich wieder einmal als großartiger Schauspieler, der solch einen Charakter-Part und auch so einen ernsthaften Film komplett tragen kann. Kristen Stewart zeigt, dass sie mehr kann, als neben Vampiren blass auszusehen. „Willkommen bei den Rileys“ ist ein Beispiel für eine gute Geschichte, die ohne überzogenes Drama leicht unterhält und dabei nicht auf Inhalt und Tiefe verzichtet.

Günter H. Jekubzik

Ein aufrechter Familienvater, der seine Tochter verlor, will eine minderjährige Prostituierte auf den rechten Weg zurückführen. Das klingt schwer nach Kitsch. Und die Geschichte, die Ridley Scotts Sohn Jake Scott in „Welcome to the Rileys“ erzählt, ist in weiten Teilen genau das. James Gandolfini und „Twilight“-Star Kristen Stewart machen aber das Beste daraus, so dass Scotts Werk als Schauspieler-Film leidlich funktioniert.

In „Twilight“ spielt Kristen Stewart die tugendhafte Bella, die sich das Credo „No sex before marriage“ zu Eigen macht. In „Welcome to the Rileys“ verkörpert sie die ziemlich verwahrloste Stripperin Mallory. Gegensätzlicher geht’s kaum. Vermutlich will die Schauspielerin der Gefahr entgehen, durch die Teenie-Vampir-Saga auf ein bestimmtes Image und dementsprechende Rollen festgelegt zu werden. Das ist klug, und Stewart zeigt in dem Independent-Film, dass sie mehr kann, als verdruckst mit einem Vampir durch die Wälder zu ziehen. Gegenüber einem amerikanischen Magazin äußerte sie zwar, sie finde es seltsam, dass es heiße: „Oh, lasst uns Bella in diesem Stripperfilm sehen.“ Aber das darf man getrost als gespielte Verwunderung auffassen. Denn genau darum geht es. Stewart möchte, dass man sie in diesem Stripperfilm sieht.

Die 20-Jährige macht ihre Sache ordentlich. Entscheidend sind dabei nicht ihre lasziven Darbietungen an der Stange, sondern dass sie ihre Figur in vielen Facetten ausgestaltet. Mallory ist abgebrüht, kaltschnäuzig, selbstzerstörerisch und in ihrer Verwahrlosung weit fortgeschritten. Andererseits blitzen in ihr Restbestände von echten Gefühlen auf, die die Hoffnung nähren, dass dieses verdorbene Biest noch nicht verloren ist. Stewart hat im Vergleich zu Filmpartner James Gandolfini die vielschichtigere und von der Entwicklung her interessantere Rolle. Auch der „Sopranos“-Star ist gegen den Strich besetzt. Er tappt als grundgütiger, aber weidwunder Bär durch die Szenerie. Seine Figur ist introvertierter angelegt als die der Stripperin. Dank kleiner effektvoller Gesten, die die Verzweiflung der Vaterfigur andeuten, gerät Gandolfini aber nicht ins Hintertreffen gegenüber seinem Film-Ziehkind.

Die Geschichte indes, die die beiden verbindet, ist recht angestrengt. Der anständige Mr. Riley gerät, seltsam genug, bei einer Reise mit Freunden nach New Orleans ins dortige Rotlichtviertel und stößt auf die junge Stripperin, die ihm eindeutige Angebote macht. Riley glaubt, in der minderjährigen Sexarbeiterin seine bei einem Autounfall gestorbene Tochter zu erkennen, und setzt nun alles daran, die junge Frau zu retten. Er zieht in die Bruchbude der Stripperin ein und teilt seiner Frau am Telefon mit, dass er vorerst nicht nach Hause komme. Regisseur Scott entfaltet die Geschichte, indem er vehement auf der Klaviatur des Gefühlskinos spielt. Dabei treten zwar die inneren Triebkräfte und Wünsche der Figuren zu Tage, doch Scott gerät auch tief in die Gefilde des Sentimentalen. Am undankbarsten ist das für Melissa Leo, die die Ehefrau spielt, welche durch anstrengendes Selbstmitleid und ewigen Klagegesang eher der Karikatur einer leidenden Mutter gleicht. Immerhin kommt die Geschichte zu einem plausiblen Ende, bei dem weder alles gut wird noch die Tränenschleusen allzu weit geöffnet werden.

Volker Mazassek

Die Rileys haben ihre Tochter früh verloren. Das hat sie offenbar aus der Bahn geworfen. Lois Riley verlässt das Haus kaum mehr, sie hat für sich und ihren Mann Doug sogar schon das Grab gekauft und Daten auf den Grabstein gravieren lassen. Wenigstens fehlt noch das Todesdatum.

Doug fährt zu einer Konferenz. Dort wird er seine Firma verkaufen. Er trifft per Zufall auf Mallory, die zwar erst 16 ist, jedoch schon dem horizontalen Gewerbe frönt. Er nimmt eine Auszeit von seiner Frau und von zuhause und bleibt bei dem Mädchen. Mit Sex hat das nichts zu tun, obwohl Mallory für die ihr reichlich bezahlte Miete sich immer wieder anbietet. Aber in Doug herrschen andere Gefühle. Sehr wahrscheinlich sieht er in der jungen Frau eine Art Tochterersatz.

Lois kommt ihn besuchen. Zunächst ist sie von Mallory und den Verhältnissen, unter denen sie lebt, entsetzt, nähert sich ihr dann aber an – und versucht, sie von ihrem „Beruf“ abzubringen, genauso wie es auch Doug schon mehr als einmal probiert hatte.

Die längere Zeit anhaltende Begegnung Dougs und Lois’ mit dem wilden rebellischen Mädchen bringt die beiden wieder zusammen. Mallory ihrerseits ist nicht zu halten. Aber ein wenig ziviler ist sie schon geworden. Und mit Lois und Doug bleibt sie in Verbindung. Das Beispiel, das die zwei ihr gaben, wird seine Wirkung nicht verfehlen.

Was Lois und Doug durchgemacht haben und was aus ihnen geworden ist, wird verdeckt spürbar, und auf welche Welt (der beiden) Mallory gestoßen ist, wird ihr Auftrieb geben.

Psychologisch wie filmisch ist die Dreiergeschichte ein guter Wurf Jake Scotts, des Sohnes von Ridley Scott.

Das gleiche gilt für die Besetzung. Wie James Gandolfini diesen suchenden und dann quasi ein Leben rettenden Mann spielt, ist von großer Klasse. Melissa Leo, frische Oscar-Preisträgerin, als Lois macht glaubhaft, wie sie nach einer schweren und unglücklichen Zeit ihre normale Existenz und ihren Mann wiederfindet. Und Mallory? Kristen Stewart ist diesem lebendigen aber mental kaputten Wesen darstellerisch voll gewachsen.

Thomas Engel