Willkommen bei Habib

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Um Fragen von Identität, Zugehörigkeit und Heimat geht es in Michael Baumanns Film „Willkommen bei Habib“, der im filmisch eher unerschlossenen Stuttgart spielt. Bisweilen verfranst sich Baumann in zu vielen Nebenhandlungen, doch immer dann, wenn er sich auf Leben und Träume der deutsch-türkischen Hauptfiguren konzentriert gelingen ihm prägnante Momente vom Leben in Deutschland.

Webseite: www.farbfilm-verleih.de

Deutschland 2013
Regie: Michael Baumann
Buch: Sabine Westermaier, Michael Baumann
Darsteller: Vedat Erincin, Burak Yigit, Thorsten Merten, Klaus Manchen, Teresa Harder, Luise Heyer
Länge: 115 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih, Vertrieb: 24Bilder
Kinostart: 5.6.2014

PRESSESTIMMEN:

"Mit Hilfe der üppigen Bilder von Bernhard Keller ("Alle Anderen", "Die Wand"), der das bislang wenig abgefilmte Stuttgart mit großer Freude erkundet, gelingt "Willkommen bei Habib" eine Reihe stimmungsvoller Miniaturen, die wie der Spätsommer selbst von sanfter Melancholie durchdrungen sind."
SpiegelOnline

"Heiter-melancholische Short Cuts um deutsch-türkischen Heimatverlust und Lebenslügen."
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Stuttgart, Spätsommer. Die Müllabfuhr streikt, in den Straßen türmen sich die Abfälle und diverse Menschen ringen mit sich und ihrem Platz im Leben: Habib (Vedat Erincin), der vor vielen Jahren seine türkische Heimat verlassen hat, betreibt einen Imbiss, mitten in der Stadt. So integriert ist er inzwischen, dass er dort nicht nur Döner anbietet, sondern auch Wurst und gar mit dem Gedanken spielt, Sauerkraut im Döner zu verkaufen. Seine deutsche Frau Andrea (Teresa Harder) betreibt einen Telefonshop, wo Migranten aus unterschiedlichsten Ländern Kontakt in die Heimat herstellen.

Oft kümmert sich Andrea um den Enkel, denn Neco (Burak Yigit) ist alles andere als ein vorbildlicher Vater. Mit 24 wohnt er noch bei den Eltern, schlägt sich mit Jobs rum und hat hohe Schulden bei einem Geldverleiher. Während seine Frau Semra (Maryam Zaree) über ihren Büchern sitzt und fleißig studiert, treibt sich Neco mit der blonden, ausgeflippten Jona (Luise Heyer) rum und träumt davon, zurück in die Heimat zu gehen.

Doch welche Heimat soll das sein? Die Türkei ist es nicht, dort hat Neco höchstens mal den Urlaub verbracht, aber in Deutschland fühlt er sich ebenfalls zunehmend unwohl. Während Neco mit seinen vielen Problemen zu kämpfen hat, wird Habib von einem alten Freund zu einer Hochzeit eingeladen: Die Tochter seiner großen Liebe heiratet einen Deutsch-Türken, und so wird Habib nach Jahren noch einmal mit dem konfrontiert, was er einst in der Türkei zurückgelassen hat.

Mehrere Generationen deutsch-türkischen Lebens beschreibt Michael Baumann in seinem Film, belässt es aber nicht dabei: Neben Habib und Neco spielt der Geschäftsmann Bruno (Thorsten Merten) eine wichtige Rolle, der von seinen Partner des Betrugs verdächtigt wird und auf einer Verkehrsinsel eine Art Protestlager aufschlägt. Für Momente kommen seine und Habibs Geschichten zusammen, doch das eigentliche Thema des Films verwässert diese Episode nur. Ebenso wie die zweite größere, aber doch unwichtige Nebenfigur Ingo (Klaus Manchen), ein älterer Mann, der immer wieder in Andreas Telefonshop auftaucht, um mit seiner ihm entfremdeten Tochter Frieden zu schließen.

Zwar spiegeln diese beiden Erzählstränge Themen der Hauptgeschichte, doch sie wirken deutlich weniger zwingend als die Episoden aus Necos und Habibs Leben. Immer wenn sich „Willkommen bei Habib“ auf diese beiden Hauptfiguren konzentriert und vom schwierigen Suchen nach einem Platz in der Gesellschaft erzählt, gelingen Michael Baumann überzeugende Momente, vermitteln Vedat Erincin und Burak Yigit mit ihrem überzeugenden Schauspiel, wie schwierig es für Migranten oder auch Kinder von Migranten sein kann, sich heimisch zu fühlen. Dass dabei die Frauenfiguren ein wenig kurz geraten und kaum mehr als Stichwortgeber für die Probleme und Sorgen der Männer sind, ist allerdings schade. So ist „Willkommen bei Habib“ ein etwas zerfahrener Film, der bisweilen allzu sehr mäandert, doch immer dann, wenn er sich auf das Wesentliche konzentriert und vom Suchen nach Heimat zweier Deutsch-Türken erzählt, ein überzeugender Film.
 
Michael Meyns