Wilma will mehr

Fritzi Haberlandt, einer der Stars der deutschsprachigen Theater- und Filmszene zwischen Hamburg, Berlin und Wien, brilliert in Maren-Kea Freeses Film über eine rundum patente Frau, die sich von ihrem alten Leben im öden Brandenburger Osten verabschiedet, um in Wien noch einmal durchzustarten. 

Passend zum spröden Charme der Hauptdarstellerin ist auch der Film eine eher zurückhaltende Tragikomödie, in der es um Selbstfindung, Neuanfang und Optimismus geht. 

 

Über den Film

Originaltitel

Wilma will mehr

Deutscher Titel

Wilma will mehr

Produktionsland

DEU

Filmdauer

112 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Freese, Maren-Kea

Verleih

Neue Visionen Filmverleih GmbH

Starttermin

31.07.2025

 

Ende der 1990er Jahre sind nur wenige Bewohner in der brandenburgischen Lausitz übrig geblieben. Die Wende und der Strukturwandel haben hier überdeutliche Spuren hinterlassen. Hier lebt die Mittvierzigerin Wilma (Fritzi Haberlandt) mit ihrem Mann Alex (Thomas Gerber) in einem beinahe komplett menschenleeren Dorf. Zwischen leicht angegammelten Industriebauten und verlassenen Kohlegruben gibt es kaum noch Leben, außer wenn Wilmas Alpakas mal wieder ausgebüxt sind, weil Alex, wer sonst?, das Tor nicht verschlossen hat. Wilma ist ausgebildet als Schlosserin, Elektrikerin und Maschinenführerin. Sie ist eine Macherin, und sie redet nicht viel. Zusätzlich zu ihren beachtlichen handwerklichen Talenten hat sie über die Jahre – und nach der Wiedervereinigung – jede Menge Zertifikate erworben und sogar einen Kurs über Obstanbau und alte Apfelsorten hat sie absolviert. Doch all ihre Fähigkeiten nützen ihr nichts, auch wenn sie in der glücklichen Situation ist, im Gegensatz zu Alex einen Job zu haben. Doch der wird ihr gerade gekündigt, denn der Baumarkt, in dem sie arbeitet, schließt. Und zu allem Überfluss entdeckt sie auch noch, dass Alex sie betrügt, als sie ihn zusammen mit ihrer besten Freundin nackt am Herd beim Spaghetti-Kochen erwischt.  

 

Wilmas Reaktion ist ebenso typisch wie ungewöhnlich. Sie haut ab und fährt nach Wien, wo ihr alter Freund und Ex-Lover Martin (Stephan Grossmann) lebt und sich eine neue Existenz aufgebaut hat. Glücklicherweise hat Martin für sie eine Wohnmöglichkeit, weniger interessiert ist sie daran, wieder ein schwunghaftes Verhältnis mit ihm anzufangen. Zunächst aber muss die spröde Brandenburgerin den Kulturschock verkraften. „Eitrige mit Scharfem, Bugel und Blech“ – dass das eine Käse-Bratwurst mit Senf, Brötchen und Dosenbier ist, muss Wilma erst noch lernen, und auch die Jobsuche gestaltet sich schwierig. Doch Wilma gibt so schnell nicht auf. Sie denkt positiv, oder redet es sich zumindest ein, was ja ebenfalls hilfreich sein kann. „Allet wird anders“, sagt sie, und damit verabschiedet sie sich von ihrem früheren Leben. 

 

Maren-Kea Freeses Kinodebüt „Zoe“ über eine DJane in Berlin erhielt 1999 den Regieförderpreis, ihr zweiter Spielfilm erschien Anfang der 2000er Jahre – doch einige Tendenzen lassen sich dennoch erkennen. Die Lausitzer Handwerkerin Wilma ist (wieder) eine ungewöhnliche Hauptfigur, nach einer Berliner DJane und einer professionellen Taschendiebin. Wieder hat sie eine Frauengeschichte gewählt, und diesmal als Grundlage für eine Selbstfindungs-Story. Die handfeste, energische Brandenburgerin sucht für sich neue Wege, sie lässt sich nicht unterkriegen, sondern macht einfach weiter, so wie immer. Es ist nicht ihr erster Neuanfang, aber vielleicht der radikalste. Dabei hilft ihr ein unbeirrbarer Optimismus. Die wortkarge Wilma mit ihrem herben Charme ist eine Frau mit mehr Ecken und Kanten, als sich die meisten Frauen zubilligen. Beruflich ist sie auf Perfektion bedacht, aber ansonsten ist sie, ganz DDR-typisch, eine selbstbewusste und energische Frau, die sich wenig um ihr Image schert. Und wenn sie traurig ist, vergießt sie höchstens mal ein paar heimliche Tränen. Und dann geht’s gleich weiter.

 

Fritzi Haberlandt spielt die Wilma mit viel Verständnis und Feinfühligkeit als gar nicht mal so liebenswerte Persönlichkeit, die es sich manchmal schwermacht, aber einfach nicht aufgeben will. Die gebürtige Berlinerin ist die Idealbesetzung für Wilma: eine schweigsame, zurückhaltende Frau aus der Ex-DDR, die sich in Wien wiederfindet, von Job zu Job wechselt, als einzige Frau auf dem „Handwerkerstrich“ für Schwarzarbeiter landet und schließlich sogar Tanzunterricht gibt – Wiener Walzer für Touristen. Aber egal wie und wo: Wilma findet sich zurecht. Sie ist ein wandelndes Chamäleon, passt sich überall an und gibt sich niemals auf. Maren-Kea Freese reiht episodenhaft Wilmas Erlebnisse aneinander – da gibt es ein paar sehr komische Szenen, zum Beispiel in einem Wiener Baumarkt, wo Wilma gleich tolle Verbesserungsvorschläge hat, die allerdings sofort abgeblockt werden. Wilmas Begegnungen in Wien, darunter auch eine zarte Liebesgeschichte, haben einen gewissen zeitlosen Charme, bei dem bald in Vergessenheit gerät, dass der Film Ende der 1990er Jahre spielt. Insgesamt passt Wilmas Brandenburgischer Pragmatismus ganz gut zum Wiener Schmäh … besonders wenn sich beides mit lakonischem Flair vereint. 

 

Gaby Sikorski

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