Wir sind Champions

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Wer kennt noch die belämmerte Inklusionskomödie „Wo ist Fred?“ (2006) mit Til Schweiger in der Titelrolle als sportlicher Rollstuhlfahrer? Gewiss kaum jemand, verständlicherweise. Dem thematisch ähnlich gestrickten „Wir sind Champions“ über ein versehrtes Basketballteam bleibt dieses Schicksal wohl erspart. Nicht weil er viel besser ist als Fred, sondern, weil die Komödie von Javier Fesser in ihrem Produktionsland Spanien zum riesigen Publikumshit avancierte – ähnlich wie „Ziemlich beste Freunde“, der französische Arthouse-Hit von 2012, dem bis heute Nachahmerfilme folgen. Javier Fesser macht in seiner Dramödie viel richtig, viel falsch, insgesamt alles so, wie man es erwarten würde. Der solide Feelgood-Film lief 2018 beim Filmfest München.

Webseite: www.wirsindchampions.de

OT: Campeones
Spanien/Mexiko 2017
Regie: Javier Fesser
Drehbuch: David Marqués, Javier Fesser
Darsteller/innen: Javier Gutiérrez, Athenea Mata, Juan Margallo, José de Luna, Sergio Olmo, Jesús Vidal, Gloria Ramos, Julio Fernández
Laufzeit: 124 Min.
Verleih: Concorde
Kinostart: 20. September 2018

FILMKRITIK:

Am liebsten wäre Marco (Javier Gutiérrez) Profibasketballer geworden, doch das vereitelte seine geringe Körpergröße (nur 1,60 Meter). Nun ist er Zweittrainer der spanischen Nationalmannschaft und ein ziemlich ätzender Typ, der Alles und Alle mit Häme überzieht – kein Wunder, dass seine Frau Sonia (Athenea Mata) endgültig die Nase voll hat. Dann wird Marco aus dem Verein geschmissen, betrunken beim Autofahren erwischt, zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert.
 
Die Sozialstunden soll Marco zu seinem Verdruss in einem Sportklub für geistig behinderte Menschen ableisten. Die dortigen Sportler stottern, haben Down-Syndrom, einer ist dickleibig, der Mund eines Andern steht immer weit offen, eine Wirbelsäulenverkrümmung, alle tragen – warum, weiß nur der liebe Gott – schmutzige Leibchen. Anfänglich genießt nur der kluge Marin (Jesús Vidal) Marcos Respekt, alle anderen Schützlinge würde der ruppige Kerl am liebsten schnellstmöglich loswerden, denn die sind halt „nicht normal“. Trotzdem tut Marco so, als würde er die Chaoten für die anstehende Landesmeisterschaft vorbereiten. Dass er dabei sein Herz entdeckt, wundert kaum. Wider Willen – und wie zu erwarten – steigt Marco vom Saulus zum Paulus auf.
 
Dramaturgisch und inszenatorisch verläuft „Wir sind Champions“ in konventionellen Bahnen. Mitunter bleibt der Koautor und Regisseur Javier Fesser in Wiederholungen stecken und hangelt sich auf der Stelle tretend am klischierten Story-Skelett entlang. Hoch banal erscheint die Love-Story zwischen Marco und seiner Fast-Exfrau Sonia; spätestens wenn Marco zu Klaviermusik weint, möchte man ihm zurufen: „Sei halt nicht so ein Trottel, dann brauchst du nicht so rumzujammern!“
 
Dass „Wir sind Champions“ nicht komplett für die Katz ist, liegt am spielfreudigen Ensemble um Javier Gutiérrez, der hier in jeder Szene auftritt und viele ruhig gefilmte Dialoge stemmt. Außerdem ist der Film handwerklich gekonnt inszeniert. Matte Farben, fröhliche Musik. Teils erinnert das an Jeunets „Die fabelhafte Welt der Amélie“, wenn sich ein Funke Magie in den Alltag schleicht. Und ja, manche Gags sind lustig. Als Marco notgedrungen bei seiner Mutter übernachtet, stellt er sich nachts schlafend, als sie ins Zimmer kommt, und beteuert dann, bald ins Hotel zu gehen. Wo eine mütterliche Widerrede zu erwarten wäre, meint diese trocken: „Mach mir keine Hoffnungen.“
 
Die runter gerockte Sporthalle des inklusiven Sportvereins, wirkt fast wie ein eigener Charakter. Hier spielt ein Gutteil des Films. Bereits durch ihren maroden Zustand wirft die Halle einen flauen Blick auf den gesellschaftlichen Umgang mit versehrten Menschen. Von den Wänden platzt die blaue Farbe ab, Putz bröckelt hinterher, wenn ein Ball in die falsche Richtung fliegt, kracht schon mal eine Lampe von der Decke. „Normalos“ würden hier nie spielen – die „Behinderten“ sollen hingegen noch dankbar sein, dass sie überhaupt irgendwo spielen dürfen.
 
Weil die Komödie in diesem Punkt Partei für die gute Seite ergreift, die der Menschlichkeit, kann man den Macherinnen und Machern am Ende aller Peinlichkeiten zum Trotz kaum böse sein. Sie haben es ja nur gut gemeint – und der Erfolg gibt ihnen in gewisser Weise Recht.
 
Christian Horn