Xoftex

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Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise verbrachte der Filmemacher Noaz Deshe Zeit in Griechenlands Flüchtlingslagern, veranstaltete Workshops vor allem mit Menschen aus Syrien und Palästina, die ihrer ungewissen Zukunft harrten. Aus den Erfahrungen machte er nun den hybriden Spielfilm „Xoftex“, in dem größtenteils (ehemalige) Flüchtlinge sich selbst spielen und von den vagen Träumen an eine bessere Zukunft erzählt wird.

Deutschland/Frankreich 2024
Regie: Noaz Deshe
Buch: Noaz Deshe und Babak Jalali
Darsteller: Mit Abdulrahman Diab, Osama Hafiry, Jalal Albaroudi, Hazem Saleh, Moutaz Alshaltouh u.v.m.

Länge: 99 Minuten
Verleih: port-au-prince
Kinostart: 13. März 2025

FILMKRITIK:

Auf ihrer Flucht vor dem Krieg in ihrem Heimatland sind die syrisch-palästinensischen Teenager Nasser (Abdulrahman Diab) und Yassin (Osama Hafiry) im Norden Griechenlands gelandet. Sie leben oder vielmehr hausen in einem Flüchtlingslager namens Softex, auch Xoftex genannt, und warten. Ewig lange Monate dauert es, bis eine Entscheidung über ihren Asylstatus gefällt wird, endlos lange scheint die Zeit des Nichtstuns, des Limbos vor einer ungewissen Zukunft.

Die Brüder und andere Flüchtlinge malen sich aus, wo in Europa sie gerne leben würden, Bulgarien etwa steht ganz unter auf der Liste, viel besser sei die Situation in Schweden, aber wie dort hinkommen? Manche wagen die riskante Flucht, andere verlieren sich in ihren Träumen, Nasser und Yassin beginnen, eine Art Camp-TV aufzuziehen: Mit ihren Handys filmen sie kurze Szenen, fangen teils dokumentarische Momente ein, doch bald werden ihre Filme surreal.

An einer Art Zombie-Film arbeiten sie, denn für sie fühlt sich das Leben im Flüchtlingslager nicht viel anders an, als die Existenz von lebenden Toten, Zwischenwesen, die nirgendwo wirklich hingehören.

Ein ambitionierter Film ist Noaz Desches „Xoftex“, dessen Ursprünge und Entstehungsgeschichte mindestens so spannend wie der Film selbst wirkt – was sich letztlich als größtes Problem des Projektes erweist.

Nach seinem 2013 im Kino gelaufenen Debütfilm „White Shadow“ verbrachte Noaz Desche viel Zeit auf dem Mittelmeer, arbeitete bei der Seenotrettung mit, die den zunehmend größer werdenden Flüchtlingsströmen aus Afrika und der arabischen Welt assistierten. Später führte der Wunsch zu helfen nach Griechenland, wo er in Flüchtlingscamp Workshops durchführte. Erst auf eigene Faust, nach langem Ringen mit der Bürokratie auch offiziell, arbeitete er mit Flüchtlingen, organisierte Theater-Workshops, später auch Übungen mit Filmkameras. Aus dieser Arbeit entstand nun ein Film, in dem sich die (ehemaligen) Flüchtlinge größtenteils selber spielen, selbst erlebtes nachstellen und weiterspinnen.

Disparates Material ist dabei zusammengekommen, das teils amateurhaft wirkt, mit wackeliger Handkamera gefilmt, dann wieder professionell, in Breitwand, Zeitlupe und stilistischem Bewusstsein. Viele, vielleicht zu viele Ideen und Ansätze finden sich in nicht immer kongruenter Form in „Xoftex“ wieder, man mag hier die chaotischen, unbestimmten Verhältnisse im Flüchtlingslager gespiegelt sehen, in denen Menschen auf schier endlose Zeit gefangen sind und einer ungewissen Zukunft harren.

Auch wenn die Realität diese Flüchtlingskrise schon überholt hat: Die nächste dürfte in absehbarer Zeit kommen. Insofern mag man Noaz Desches hybrider Spielfilm „Xoftex“ als Zeitdokument verstehen, das gleichermaßen von der jüngeren Vergangenheit berichtet und in eine unbestimmte Zukunft weiß.

 

Michael Meyns