Zoomania

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Ein neues Disney-Animationsabenteuer: In der titelgebenden Wildtier-Metropole "Zoomania" leben alle möglichen Tierarten zusammen, verteilt auf sechs Stadtviertel mit simulierten Klimazonen von der Sahara bis zur Eiswüste. Die (freilich vermenschlichten) Tiere verhalten sich zwar im Großen und Ganzen ihrer Art gemäß, doch die Machtverhältnisse in der Metropole stehen auf dem Kopf, denn hier sind die Jäger die Gejagten: Während Raubtiere gesellschaftlich unterdrückt werden, besetzen die Pflanzenfresser die Machtpositionen als Polizisten, Verwaltungsbeamten oder Mafia-Chefs. Aus dieser durchaus interessanten Grundkonstellation heraus entspinnt sich ein vergnüglicher 3D-Animationsfilm, der einerseits viele Schauwerte bietet, andererseits aber auch eine anknüpfungsreiche Geschichte erzählt, die in Form einer Buddy Movie-Fabel gesellschaftliche Ungleichbehandlung thematisiert.

Webseite: filme.disney.de/zoomania

OT: Zootopia
USA 2016
Regie: Byron Howard, Rich Moore, Jared Bush
Stimmen: Idris Elba, Shakira, Ginnifer Goodwin, Jason Bateman, J.K. Simmons
Länge: 108 Min.
Verleih: Walt Disney
Kinostart: 03.03.2016
 

Pressestimmen:

"Sehenswert... erfrischend vielschichtig... Nach dem Oscar-Sieger 'Alles steht Kopf' ist es ein weiterer herausragender Kinderanimationsfilm von Disney/Pixar."
DIE ZEIT

FILMKRITIK:

Dass ein Fuchs detektivisch ermitteln kann, sieht jedes Kind auf Anhieb ein. Doch kann auch ein kleines, schnuckeliges Häschen als Polizistin reüssieren? Im neusten Disney-Streich "Zoomania" sieht die Welt ohnehin anders aus. Während die junge Häsin Judy Hopps ihren Traum lebt und als erste Häsin der Geschichte den Polizeidienst antritt, beißt sich der Fuchs Nick Wilde als Trickbetrüger auf den Straßen Zoomanias. Zwar hat auch Judy arge Probleme, sich in den Reihen ihrer bulligen Kollegen Respekt zu verschaffen, doch für Nick käme eine Polizeilaufbahn überhaupt nicht in Frage. In Zoomania sind Raubtiere nämlich verpönt, während Pflanzenfresser wie Ochsen, Schafe oder eben Hasen ihre einstigen natürlichen Feinde klein halten.
 
Die Prämisse mit der vertauschten Hackordnung etablieren Byron Howard ("Rapunzel – Neu verföhnt") und Rich Moore ("Ralph reichts") in einem charmanten Prolog, in dem Judy in einem Theaterstück auftritt, das die neue Ordnung des Tierreichs darlegt – und ihren Wunsch, der kleinen Hasenstatur zum Trotz als Polizistin zu arbeiten. Wie diese Eröffnung führt auch der restliche Film ein Gesellschaftstheater mit viel Humor und (harmlosen) satirischen Spitzen auf. Eine brüllend komische Szene verballhornt mit Hilfe des grotesk langsamen Faultiers Flash die sehr zäh mahlenden Mühlen der Bürokratie und der zeternde Polizeichef (ein Büffel) nimmt seine filmischen Vorgänger aus "Beverly Hills Cop" – und natürlich real existierende Schreihälse – aufs Korn. Sehr lustig ist auch der Ausflug in eine FKK-Oase, wo einige Tiere (darunter eine Elefantendame, die an "Dumbo" gemahnt) ganz ungeniert alle Hüllen fallen lassen.
 
Auf einer anderen Ebene funktioniert "Zoomania" als klassisches Buddy-Movie mit zwei unterschiedlichen Cops, die sich im Lauf der Handlung zusammen raufen. Nick dürfte ja eigentlich gar kein Polizist sein, wächst aber in seine Rolle als Ermittler, denn schlau und pfiffig ist er ja, dieser "Fantastic Mr. Fox". Dennoch misstraut Judy ihrem Partner mit der kalten Schnauze, denn schließlich könnte Nick sie jederzeit fressen, wenn ihn seine Triebe übermannen. Nick seinerseits zweifelt an, dass ein zarter Hüpfer wie Judy kompetente Polizeiarbeit leisten kann. Mit seiner Skepsis steht Nick indes nicht alleine da: Alle zweifeln an, dass Judy ein Cop sein kann, insbesondere ihr Chef und die testosterongeschwängerten Kollegen, aber auch Judys Eltern, die als Möhrchen-Bauern auf dem Land leben und erleichtert sind, als die Tochter zunächst nur als Politesse für Ordnung sorgen darf.
 
Wie man dieser Konstellation entnehmen kann, verkündet "Zoomania" dieselbe frohe (und immer wieder lohnende) Botschaft, die noch jeder zweite Kinderfilm verkündet: Glaub an dich und du kannst deine Träume verwirklichen. Die Frage ist nun vor allem, ob die filmische Umsetzung entsprechend unterhaltsam ausfällt.
 
Das auffälligste stilistische Merkmal von "Zoomania" sind die zwar an den realen Tiervorbildern orientierten, auf der Leinwand aber absurd wirkenden Größenverhältnisse, die den Stadtalltag in Zoomania prägen. So reicht Judy ihren Kollegen gerade mal bis zur Kniekehle und Nick ist so groß wie eine ganze Hochhaussiedlung voller Mäuse. Die teils grotesken Relationen prägen einerseits die Ästhetik von "Zoomania", finden zugleich aber auch im Plot Widerhall. Das kann man mit Fug und Recht als elegant bezeichnen – und als gelungenen Ansatz . Dennoch erreicht "Zoomania" nicht die visuelle und erzählerische Raffinesse von jungen Animationsfilm-Meilensteinen wie "Baymax – Riesiges Robowabohu" (2014) oder "Alles steht Kopf" (2015), was vor allem an der nicht gerade einzigartigen Trickfilm-Ästhetik und – vor allem – der recht zerfahrenen Storyline geschuldet ist. Als lohnend erweist sich hingegen die 3D-Technik, weil die Größenunterschiede in der Tiefe des Raums besser zur Geltung kommen.
 
Der Kriminalfall selbst, der sich um eine Mordserie an Raubtieren dreht, spielt in "Zoomania" letztlich eine Nebenrolle. Zwar jagen die Häsin und der Fuchs hinter Verdächtigen her und folgen diversen Spuren, doch Spannung kommt kaum auf. Zu konfus ist der Kriminalfall und letztlich auch zu austauschbar. Als Whodunit zum Miträtseln taugt "Zoomania" allein schon deshalb nicht, weil der Tierfabel-Kriminalfilmspaß keine klassischen Verdächtigen präsentiert, sondern von einer Station zur nächsten eilt.
 
Als Buddy Movie für jüngere Kinobesucher/innen sollte "Zoomania" dennoch hervorragend funktionieren, während sich die erwachsenen Begleitungen an locker eingestreuten Anspielungen auf "Der Pate" oder "Breaking Bad" laben können. Ob es indes eine kluge oder unkluge Entscheidung war, die klar beste Szene des Films bereits im Teaser zu ver(b)raten, sei dahingestellt.
 
Christian Horn