Regisseur Michael Klier schickt in seinem Indie-Drama „Zwischen uns der Fluss“ zwei Frauen auf eine Reise zu sich selbst. Dabei unterstützen sie sich und geben einander Halt – müssen zuvor aber vorgefertigte Einstellungen und Ressentiments abbauen. „Zwischen uns der Fluss“ ist ein sympathisch bescheidener, naturalistischer Film, der sich auf das Wesentliche besinnt. Im Leben an sich und im zwischenmenschlichen Miteinander. Ein sehr sehenswerter, symbolisch angehauchter Film, dessen Hauptdarstellerinnen im Zusammenspiel fabelhaft harmonieren.
Deutschland 2023
Regie: Michael Klier
Buch: Karin Aström, Michael Klier,
Lena Urzendowsky, Kotti Yun
Darsteller: Kotti Yun, Lena Urzendowsky, Laura Tonke,
Jeremias Meyer
Länge: 94 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 11. April 2024
FILMKRITIK:
Die Dresdnerin Alice (Lena Urzendowsky) wurde aufgrund ihrer Teilnahme an einer Umweltaktion des zivilen Ungehorsams angeklagt. Nun soll sie einige Stunden gemeinnützige Arbeit in einer psychiatrischen Klinik ableisten. Ihre Aufgabe ist es, sich um Cam (Kotti Yun) zu kümmern, die nach einem rassistischen Übergriff traumatisiert ist. Als Cam sich entscheidet, den Klinikaufenthalt nicht zu verlängern, lädt Alice sie ein, bei ihr zu wohnen. Solange bis sie eine eigene Wohnung gefunden hat. Doch Cam ist fest entschlossen, schnellstmöglich ihren eigenen Weg zu gehen und unabhängig zu werden.
Alles ist in Michael Kliers Drama zugeschnitten auf die beiden so grundverschiedenen Hauptfiguren, Alice und Cam. Die ausdrucksstarke, unverstellt aufspielende Lena Urzendowsky macht es einem zunächst leichter, für ihre Figur Sympathien zu entwickeln. Sie hat eine ausgeprägte soziale Ader (sie bietet der noch unbekannten Cam gleich zu Beginn an, ihr Geld zu leihen) und ist eine politisch engagierte junge Frau, die sich gegen die Verdichtung am Dresdner Elbufer einsetzt. Die Bebauung sowie Veränderungen auf den Elbwiesen und der nahen Umgebung dokumentiert sie mit ihrer Kamera akribisch.
Und dann ist da Cam, die erst mit der Zeit aus sich herauskommt. Es dauert, bis sie wieder Vertrauen zu den Menschen fassen kann. Zu Beginn ist sie schwer fassbar und hinter der Fassade scheint sich ein komplizierter Charakter zu vergeben. Das liegt vor allem daran, da das Drehbuch sie lange nicht sprechen lässt. Erst nach rund 20 Minuten hören wir sie erstmals ein paar Worte sagen. Im Laufe der Zeit offenbart sich ihr Wesen aber immer mehr. Kotti Yun agiert feinsinnig und besonnen – und entpuppt sich in der Rolle der Cam als aufmerksame Beobachterin, die Alices emotionale Fragilität erkennt und ihr schließlich Halt gibt.
Im Anfangsdrittel, der ausländerfeindliche Angriff auf sie liegt nicht lange zurück, macht Yun mit ihrer intensiven Darstellung den Schmerz ihrer Figur für den Zuschauer sichtbar. Auch ganz ohne Worte. Die Themenvielfalt des Films, der von einer schlichten und aufmerksamen Regie geprägt ist, ist außerdem sehr facettenreich. „Zwischen uns der Fluss“ handelt im Kern davon, Vorurteile sowie fehlerhafte Grundannahmen abzubauen und sich seinen Ängsten zu stellen. Weiterhin verhandelt das Drama gestörte Eltern-Kind-Beziehungen, die heilende Wirkung von Kunst, Freundschaft sowie Fragen der Selbstakzeptanz und (sexuellen) Selbstfindung. Und: die Herausforderung, eine stabile, glückliche Beziehung auf Augenhöhe mit dem Partner zu führen. Ohne sich erdrückt zu fühlen.
Dass diese thematische Bandbreite so gut in diesen Film passt und ihn nicht überfrachtet, liegt daran, da Klier bestimmte Fragestellungen oft nur kurz andeutet. Er verhandelt sie subtil und in wenigen, beiläufig geäußerten Sätzen. Ergänzend darf man sich über gefühlvolle (Natur-) Bilder und den unaufdringlichen Score freuen, der nicht nur aber vor allem aus zarten Pianoklängen besteht.
Björn Schneider