Im Rahmen des Deutschen Produzententages gab Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Erhöhung des GMPF um 15 Millionen Euro bekannt. In einem offenen Brief äußerte sich der AG Verleih kritisch über die Maßnahme und bezeichnete sie als „massive Umgewichtung von Kulturfördermitteln“, für die man im FFG keinen Auftrag sehe. Weitere Argumente gegen die Stärkung des Fonds, der in erster Linie für die Produktion von Serien für den Streamingmarkt gedacht ist, beziehen sich auf die unterschiedlichen Situationen, in denen sich die Kino- bzw. Streamingmärkte momentan befinden sowie das grundlegend verschiedene Geschäft von Online-Streaming-Anbietern und Kinobetreiber*innen, die einen Kulturort am Leben halten. Der gesamte Brief kann in diesem Artikel nachgelesen werden.
Die Situation spiegelt eine vergleichbare Situation in der Kinoförderung wider, wo die Mittel des Zukunftsprogramms Kino nach nur kurzer Zeit stark überzeichnet waren. Der Vorstand der AG Kino – Gilde setzt sich weiterhin für eine Nachbesserung ein.
Der komplette offene Brief der AG Verleih:
Sonntagsreden auf der Berlinale – Subventionen für Streamer?
Sehr überrascht mussten wir am 6. Mai 2022 der Presse entnehmen, dass der hauptsächlich für Serienproduktion konzipierte German Motion Picture Fund (GMPF) aus Kulturfördermitteln der BKM erneut um 15 Mio Euro aufgestockt wurde und damit in diesem Jahr ein Fördervolumen von 90 Mio Euro erreicht. Dies entspricht beinahe dem Fördervolumen für Filmproduktionen von Filmförderungsanstalt (FFA) und Deutschen Filmförderfonds (DFFF) zusammen.
Wir sind äußerst irritiert über diese massive Umgewichtung von Kulturfördermitteln, für die wir im Filmförderungsgesetz keinen politischen Auftrag finden und die in eklatantem Widerspruch zur Berlinale-Antrittsrede der Kulturstaatsministerin Claudia Roth steht. Das Kino, insbesondere die deutsche, europäische und internationale Filmkultur, befindet sich seit Corona unverschuldet in einer schweren, andauernden Krise. Immer noch ausbleibende Besucher, wegbrechende Finanzierungspartner und der kreative Abfluss weg vom Kino hin zu Streamerproduktionen setzen ProduzentInnen, VerleiherInnen und Kinos massiv unter Druck. In intensiven Gesprächen mit den verantwortlichen Stellen der BKM haben wir diese Entwicklung bereits zum Jahreswechsel 2021/22 gemeinsam analysiert, ein Ad-Hoc-Förderprogramm erschien allen Seiten notwendig und befand sich im Prozess der Ausgestaltung. Dann allerdings brach die Kommunikation komplett ab, bis uns jetzt die Nachricht erreichte, dass für dieses Programm keine Mittel zur Verfügung stünden.
In dieser extrem fragilen Situation werden nun zusätzliche 15 Mio Euro in die Serienproduktion gepumpt – in einen durch die Pandemie geradezu gestärkten und bestens funktionierenden Markt, in dem weltweit Milliarden Euro privates Kapital zur Verfügung stehen. Einen Markt, der für einen eklatanten Fachkräftemangel in der Produktion sorgt und kreative Talente aus dem Kino abzieht, nicht zuletzt aufgrund sehr hoher Gagen und besserer Verdienstmöglichkeiten als in der inzwischen chronisch unterfinanzierten Kinoproduktion. Welche Lenkungs- und Steuerungsfunktion soll diese Förderung aus Steuermitteln durch die BKM haben? Welche Erfolgskriterien werden hier angelegt? Ist es als Erfolg zu werten, dass ein neues Serienprojekt überhaupt entsteht oder sollte auch ein Publikum erreicht werden? Hier findet eine eklatante Marktverzerrung statt, da zu allem Überfluss Serien mit Steuergeld gefördert werden, die auf Plattformen ausgewertet werden, die bekanntermaßen in Deutschland keine Steuern zahlen.
Die erneute Erhöhung des GMPF ist das denkbar schlechteste Signal für die Kino- und Filmkultur. Jetzt wären die Chance und die Notwendigkeit gewesen, in den mehr als zwei Jahren Pandemie zu agieren statt nur zu reagieren und das Kino und seine Partner proaktiv
auf weitere Monate der Corona-Nachwirkungen vorzubereiten. Diese Chance wurde durch die Aufstockung des GMPF vertan. Den leidenschaftlichen Reden für die Filmkultur müssen Taten folgen, sonst bleiben sie bloße Sonntagsreden. Wir fordern Staatsministerin Claudia Roth auf, dringend das Gespräch mit allen KinoakteurInnen, mit ProduzentInnen, VerleiherInnen und Kinos, wieder aufzunehmen, um neue Strategien für den Kinofilm zu diskutieren und dieser großartigen Kunstform, auch im Angesicht eines möglichen weiteren Corona-Winters, das Wiedererstarken zu sichern.
Der Vorstand der AG Verleih – Verband unabhängiger Filmverleiher e.V.