Blue Note – A Story of Modern Jazz

Zum Vergrößern klicken

Ab den frühen 1940er-Jahren wandelte sich die traditionelle Jazzmusik. Simple Harmoniefolgen wurden von einer vielschichtigen Melodik und hohen technischen Standards abgelöst. Die Geburtsstunde des Modern Jazz und seiner wichtigsten Spielart, des Bebob. Einen wesentlichen Beitrag zu dessen Siegeszug um die Welt leistete das legendäre US-Plattenlabel Blue Note Records. Die mit viel Liebe zum Detail umgesetzte, mitreißende Musik-Doku „Blue Note“ widmet sich der Geschichte der Plattenfirma und ihrer beiden aus Deutschland stammenden Gründer.

Webseite: www.filmdisposition-kino.de

USA, Deutschland 1997
Regie: Julian Benedikt
Darsteller: Wayne Adams, Kareem Abdul-Jabbar, Bob Belden, Maurice Cullaz, Rudy Van Gelder, Herbie Hancock,
Länge: 90 Minuten
Kinostart: 07. November 2019
Verleih: Filmdisposition Wessel

FILMKRITIK:

Es ist der Inbegriff für Jazz-Musik und prägte ein ganzes Genre auf nachhaltige Weise: das 1939 in New York gegründete Plattenlabel Blue Note Records. Von den Einwanderern Alfred Lion und Francis Wolff ins Leben gerufen, veröffentlichte es unzählige stilbildende Alben der talentiertesten Musiker ihrer Zeit: von Herbie Hancock über Sonny Rollins bis hin zu John Coltrane. Dabei bewiesen Lion und Wolff großen Mut gleich in mehrfacher Hinsicht.

Denn die beiden kamen ohne finanzielle Rücklagen in ein fremdes Land, ohne sonderlich gut Englisch sprechen zu können. Und: Sie widmeten sich mit Hingabe sowie großer Leidenschaft dem „Modern Jazz“ und erschlossen dem Genre so völlig neue Hörerschichten. Einer musikalischen Sparte, die bis dahin als typische Musikrichtung der unterdrückten schwarzen Minderheit des Landes galt. „Blue Note – A Story of Modern Jazz“ erzählt ihre Geschichte.

Von der ersten bis zur letzten Szene dieser 90-minütigen Reise zurück in die Geschichte des amerikanischsten aller Genres ist die Bewunderung, die Regisseur Julian Benedikt den Blue-Note-Gründern entgegenbringt, offensichtlich. Benedikt betont die Lebensleistung der beiden jüdisch-deutschen, vor dem aufkeimenden Nazi-Terror geflüchteten Jazz-Liebhaber, die von Anfang an Vertrauen in die musikalischen Fähigkeiten ihrer unbekannten und oft sehr jungen Musiker setzten. Und ihnen die Möglichkeiten gaben, sich künstlerisch voll und ganz zu entfalten.

Einer der vielen Interviewten im Film fasst es wunderbar zusammen: Wie kaum jemand zuvor hätten Lion und Wolff  unerfahrene Jazz-Musiker unterstützt und sie zu kreativen Experimenten ermutigt. Nicht wenige von ihnen entwickelten sich später zu Weltstars und regelrechten Koryphäen auf ihrem Gebiet, darunter der prägende Jazz-Pianist Bud Powell oder Herbie Hancock, der mit seinen expressiven Funk-Elementen den Jazz in den 60er- und 70er-Jahren entscheidend um neue Facetten bereicherte.

Überhaupt stellt die hohe Zahl der informativen, immer wieder sehr unterhaltsamen Gespräche mit Kennern der Materie, Fans, Freunden der Gründer und langjährigen Musikern einen entscheidenden Vorteil für den Film dar: Alle Befragten wissen genau, wovon sie sprechen, sie kennen die Szene und können so manch heitere Anekdote – gerade auch aus den Anfangsjahren – zum Besten heben. Ergänzt werden die Interviews durch viele Konzertszenen und Live-Impressionen leidenschaftlich intonierter Jazzmusik. Darunter sowohl etwas angestaubte, dafür umso charmanter erscheinende frühe Aufnahmen aus den Archiven, als auch Mitschnitte von neueren Auftritten aktueller Künstler.

Ein Lob gebührt Benedikt, da er ebenso weit weniger bekannte Blue-Note-Mitwirkende und Label-Mitarbeiter aus ihrem Schattendasein befreit. Personen, die ganz entscheidend zum Image, dem exzellenten Ruf und der (akustischen wie visuellen) Wirkung von Blue Note beitrugen. Darunter Cover-Artwork-Gestalter Reid Miles und Tonmeister Rudy Van Gelder, der später sein eigenes, auf Jazz-Aufnahmen spezialisiertes Studio leitete. Und zuletzt huldigt der Regisseur den Label-Bossen Wolff und Lion noch auf eine andere Art. Durch eine ausgewogene, in sich stimmige und dynamische Schnittarbeit, passt sich Benedikt ganz der komplexen, abstrakten Musik des Modern Jazz und seinem treibenden Rhythmus an.

Björn Schneider