Die defekte Katze

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Erst heiraten, dann verlieben – kann das gut gehen? Es ist zumindest nicht ganz so einfach: Ein deutsch-iranischer Assistenzarzt lässt sich auf eine arrangierte Hochzeit mit einer Iranerin ein und holt sie nach Deutschland – um dann festzustellen, dass sie höchst unterschiedlich sind. Sensibel inszeniertes Drama, das eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt und gleichzeitig die kulturellen Gegensätze zwischen Deutschland und Iran verhandelt.

Webseite: alpenrepublik.eu

Deutschland 2018
Regie: Susan Gordanshekan
Darsteller: Hadi Khanjanpour, Pegah Ferydoni, Henrike von Kuick, Constantin von Jascheroff
Länge: 93 Min.
Verleih: Alpenrepublik
Kinostart: 4.10.2018

FILMKRITIK:

Kian (Hadi Khanjanpour) ist Deutsch-Iraner und arbeitet als Assistenzarzt in einem Krankenhaus. Beruflich läuft es gut. Nur privat könnte noch ein wenig mehr passieren, und so trifft sich der junge Mann übers Internet mit mehreren deutschen Frauen – die aber alle andere Vorstellungen von ihrem Traumprinzen haben. Darum erlaubt er es zähneknirschend, dass seine Eltern für ihn im Iran eine Heirat mit der schönen Mina (Pegah Ferydoni aus „Türkisch für Anfänger“) arrangieren. Doch kaum ist das Paar in Deutschland angekommen, beginnen die Probleme. Mina spricht kaum Deutsch, es hagelt Ablehnungen auf ihre Bewerbungen um einen Job, und auch an die Eigenarten deutschen Alltagslebens muss sie sich noch gewöhnen. Freunde zu finden, beim Sprachkurs etwa oder im Schwimmbad, ist auch nicht einfach. Noch schwerer aber wiegt, dass sich Kian und Mina fremd bleiben, auch körperlich. Intimität lässt sich nicht auf Knopfdruck herstellen. Nun kommt die Katze des Filmtitels ins Spiel, die an einem Gendefekt leidet und darum potthässlich ist, von der mangelnden Stubenreinheit ganz zuschweigen. Mina hat sie ohne Kians Einverständnis angeschafft, Kian ist genervt, auch wegen eines vermeintlichen Nebenbuhlers. Die Trennung scheint unvermeidbar…
 
Eine umgekehrte Liebesgeschichte, wenn man so will. Hier heiraten zwei Menschen und lernen sich erst dann kennen und – wenn alles gut geht – lieben. Und weil dies in Deutschland geschieht, wird hier auch ein tiefer Culture Clash verhandelt. Einen großen Teil des Films verwendet Regisseurin Susan Gordanshekan darauf, Minas Irritierung zu zeigen, von der Eile an der Supermarktkasse über die freizügige Bekleidung im Hallenbad bis zur kühlen Zurückhaltung ihrer Mitmenschen. Einmal lässt Kian sie in seinem Auto fahren. Rote Ampeln? Rechts vor links? Geschwindigkeitsbegrenzung? Mina lässt sich keine Vorschriften machen, und darum scheitert sie immer wieder an den kleinen Dingen des Alltags. Zuweilen erinnert diese Problemstellung an deutsch-türkische Filme, in denen türkische Mitbürger ebenfalls mit der deutschen Gesellschaft hadern oder türkische Frauen den Regeln ihrer patriarchalen Heimat unterworfen sind. Wenn Kian seine Frau in der Wohnung einschließt, weil er sie eines Seitensprungs bezichtigt und sie so vor allen Versuchungen abschotten  will, erinnert dies an „40 qm Deutschland“ von Tevik Baser. In dem Bemühen, die Konflikte griffig darzustellen, neigt Gordanshekan mitunter zu Vereinfachungen oder Überzeichnungen. So sind einige Nebenfiguren wie Kians Eltern mit ihrem strengen Traditionsbewusstsein viel zu eindimensional charakterisiert, die Figur von Kians Kollegen, der Mina an die Wäsche will, ist ebenso missglückt wie unnötig. Der Film ist immer dann am besten, wenn er sich auf seine beiden Hauptfiguren konzentriert, auf ihren Alltag, ihre Sorgen, ihre Annäherung. Auch umgekehrte Liebesgeschichten haben mitunter ein Happy End.
 
Michael Ranze