Die dunkelste Stunde

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Binnen Jahresfrist kommt mit „Die dunkelste Stunde“ nun schon der zweite biographische Film über Winston Churchill ins Kino, diesmal mit dem kaum zu erkennenden Gary Oldman in der Rolle des britischen Premiers, der sein Land durch den Zweiten Weltkrieg führte. Eine mitreißende Ode an traditionelle Werte hat Joe Wright inszeniert, die auf ebenso faszinierende wie befremdliche Weise die Stimmung spiegelt, die wohl zum Brexit führte.

Webseite: www.facebook.com/dunkelste.Stunde.DE

Darkest Hour
GB 2017
Regie: Joe Wright
Darsteller: Gary Oldman, Kristin Scott Thomas, Lily James, Ben Mendelsohn, Stephen Dillane, Ronald Pickup
Länge: 125 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 18. Januar 2018

FILMKRITIK:

Mai 1940. Auf dem Kontinent ist die Wehrmacht gerade dabei, Holland und Belgien zu überrollen, auch die Niederlage Frankreichs ist nur noch eine Frage von Tagen, in Großbritannien steht der Premier Neville Chamberlain (Ronald Pickup) vor dem Aus. Im Parlament wird eine große Koalition geschmiedet, die sich auf den umstrittenen Winston Churchill (Gary Oldman) als Premier einigt. Weder Außenminister Viscount Halifax (Stephen Dillane), noch der König George VI (Ben Mendelsohn) sind begeistert vom eigensinnigen, oft erratisch agierenden Churchill, der zudem jede Verhandlung mit Hitler ablehnt.
 
Selbst als die britischen Truppen in Dünkirchen eingekesselt sind, die totale Vernichtung der stolzen britischen Armee bevorzustehen scheint und anschließend die Urangst der Briten droht, die Invasion ihrer Insel, lehnt Churchill jede Verhandlung mit Herr Hitler – wie er den faschistischen Diktator despektierlich nennt – ab. Kämpfen bis zum Untergang – oder zum Sieg, das ist Churchills einfache Devise, mit der er seine Nation durch eine der dunkelsten Stunden ihrer Geschichte führen will.
 
Zum größten Briten aller Zeiten wurde Winston Churchill 2002 gewählt und nimmt man allein Joe Wrights „Die dunkelste Stunde“ als Maßstab besteht auch kein Zweifel an dieser Entscheidung. Als überlebensgroße Persönlichkeit spielt Gary Oldman unter augenscheinlich kiloweise Make Up den britischen Premier, legt ihn als aufbrausende, aber auch zweifelnde Figur an, die die drohende Gefahr durch Hitler früh erkannte und sein Land dazu drängte, lieber im heroischen Kampf unterzugehen, als sich zu ergeben.
 
Fraglos mitreißend ist es, wenn da Churchill im Parlament spricht, zunächst seine berühmte Antrittsrede, in der er sagte, dass er nichts anderes zu geben hätte als „Blut, Arbeit, Tränen und Schweiß“ und schließlich der Moment, in dem er gegen die Stimmen seiner politischen Gegner Chamberlain und Halifax, die auf eine Verhandlungslösung setzten, Parlament und Nation auf den harten Kampf gegen Deutschland einschwor und sagte, dass die stolze britische Nation lieber in ihrem eigenen Blut auf dem Boden liegen sollte, als aufzugeben.
 
Gerade durch die Inszenierung Wrights, der Churchill immer wieder isoliert zeigt, allein gegen alle kämpfend, als einziger die Notwendigkeit des Krieges erkennend, wird Churchill zu einer geradezu messianischen Gestalt stilisiert. Und die Geschichte hat ihm Recht gegeben, Großbritannien widerstand dem Versuch, sich wie Frankreich Hitler zu ergeben, harrte aus, überstand die Bombardierung seiner Städte und war am Ende – nicht zuletzt dank der Hilfe der USA – siegreich.
 
Dennoch mutet die Verklärung Churchills, die sowohl hier als auch in Jonathan Tepltzkis „Churchill“ zu spüren war und die auch Christopher Nolans „Dunkirk“ durchzieht, auch wenn dort Churchill gar nicht selbst auftauchte, etwas befremdlich an. Vielleicht nicht zufällig entstanden diese drei Filme praktisch zur gleichen Zeit, blicken zurück in die Vergangenheit, als Großbritannien noch Weltmacht war, ein Kolonialreich beherrschte, in dem die Sonne nie unterging, dessen Rassismus und diskriminierende Politik noch als selbstverständlich hingenommen wurde. Von dieser einstigen Glorie ist wenig geblieben, der Brexit, sollte er nicht rückgängig gemacht werden, wird Großbritannien weiter isolieren, da kommen Filme, die einen der letzten großen Triumphe der Nation beschreiben, ja verklären, gerade recht. Mitreißendes Kino ist das in jedem Fall, für seine Darstellung gilt Gary Oldman als großer Favorit auf den Oscar, die unterliegende Ideologie von „Die dunkelste Stunde“ mutet aus kontinentaleuropäischer Sicht jedoch befremdlich an.
 
Michael Meyns