Manche Filme brauchen wohl einfach ihre Zeit: 18 Jahre nach „28 Weeks Later“, dem Nachfolger des Zombiekrachers „28 Days Later“ (2002), erreicht mit „28 Years Later“ ein neues Reihenkapitel die große Leinwand, das die kreativen Köpfe des Ursprungswerks wieder zusammenbringt. Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland legen einen zwischen den Extremen pendelnden Horrorstreifen vor: Von blutig-brutal bis zärtlich, reflektiert und lächerlich ist alles dabei.
Über den Film
Originaltitel
28 Years later
Deutscher Titel
28 Years later
Produktionsland
GBR
Filmdauer
126 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Boyle, Danny
Verleih
Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
Starttermin
12.06.2025
Nachdem im ersten Teil das sogenannte Rage-Virus aus einem Forschungslabor in die Welt gelangt war und Großbritannien binnen kurzer Zeit in eine Untergangskulisse verwandelt hatte, bestand im zweiten Film Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität. US-Streitkräfte kontrollierten eine in London errichtete Sicherheitszone, von der aus eine langsame Wiederbesiedlung beginnen sollte. Tragischerweise brach die eigentlich besiegt geglaubte Seuche jedoch abermals aus und verwandelte unbescholtene Bürger in wilde Bestien. Ganz am Ende von „28 Weeks Later“ sprang das Virus schließlich auf das europäische Festland über, wo es – so erfahren wir in „28 Years Later“ – erfolgreich eingedämmt werden konnte. Großbritannien hingegen ist nun ein gewaltiger Quarantänebereich, in dem die Überlebenden sich selbst überlassen sind.
Auf einer kleinen Insel, die mit der Küste über einen schmalen, bei Flut überschwemmten Damm verbunden ist, hat sich eine den Widrigkeiten trotzende Gemeinschaft zusammengefunden. Zu den Bewohnern, die sich strenge Regeln auferlegt haben, gehören auch der zwölfjährige Spike (Alfie Williams), seine bettlägerige Mutter Isla (Jodie Comer) und sein Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson).
Traditionell sollen junge Männer der Gemeinde ab einem gewissen Alter offenbar das Festland betreten, um sich mit dem Grauen des postapokalyptischen Lebens vertraut zu machen und ihre ersten Infizierten zu töten – eine Art Initiationsritus also. Obwohl Spike noch etwas zu jung ist, glaubt Jamie, dass sein Kind der Aufgabe gewachsen sei. Während die gesundheitlich angeschlagene, oft etwas verwirrte Isla zu Hause bleibt, ziehen Vater und Sohn unter dem Applaus der Dörfler los. Auf der anderen Seite des Damms kommt es schnell zu ersten Begegnungen mit Mutierten. Spikes Neugier weckt aber auch ein Feuer, über das Jamie ungern reden möchte.
Lange bevor Zombies – vor allem durch den Erfolg der Fernsehserie „The Walking Dead“ (2010-2022) – zu einem Standard im popkulturellen Mainstream avancierten, stellte der 2002 veröffentlichte Schocker „28 Days Later“ unter Beweis, wie eindringlich sich dieses schon von George A. Romero („Die Nacht der lebenden Toten“) beackerte Horrormotiv inszenieren lässt. Der erste Teil und auch das Anschlusswerk sind hochatmosphärische, fiebrig-intensive Filme, die keine Kompromisse kennen. Selbst prominenter besetzte Figuren sind hier nicht vor dem Tod gefeit.
„28 Years Later“ kann seinen Vorgängern in blutig-expliziter Radikalität durchaus das Wasser reichen, vermittelt Desorientierung und Panik in einigen Momenten erneut über wackelige Handkameraaufnahmen. Insgesamt wirkt der Look allerdings etwas weniger schmuddelig als in den früheren Arbeiten. Immer wieder rückt Bildgestalter Anthony Dod Mantle auch die sattgrünen Wälder und Wiesen, die blühenden Felder des Niemandslandes in den Blick. Eine urige Naturidylle, wenn da nicht die stets angriffslustigen Infizierten wären.
Auf Handlungsebene entfaltet sich zunächst ein klassischer Überlebenskampf auf gefährlichem Terrain. Etwa zur Mitte jedoch schlägt das von Garland verfasste Drehbuch eine andere Richtung ein, hinterfragt männliches Draufgängertum und überdrehtes Heldengetue. Zu Tage tritt plötzlich die Geschichte einer von Lügen zerfressenen Familie, die nicht nur auf einzelne Personen, sondern auch auf die gesamte Inselgemeinschaft ein ungünstiges Licht wirft. Die einstige Zivilisation mag durch die Seuche hinweggefegt worden sein. Alte Ordnungs- und Unterdrückungsstrukturen existieren aber nach wie vor.
Bemerkenswert ist allemal, wie der lange Zeit grimmige Film in der zweiten Hälfte Hoffnungsschimmer aufblitzen lässt, durch einen von Ralph Fiennes verkörperten Einsiedler eine spirituelle Note bekommt und ungeahnte emotionale Tiefe erreicht. Gleichzeitig reißen Abstecher ins Komödiantische und Trashige allerdings den starken Eindruck nach unten. Boyle und Garland verpassen irgendwie den richtigen Absprung, obwohl es eigentlich eine Einstellung gibt, die sich als Schlussbild geradezu aufdrängt. Irritierend sind vor allem die seltsam abrupten Tonwechsel im letzten Drittel. Gespannt sein darf man dennoch, wie es mit der Endzeitreihe weitergeht. „28 Years Later“ ist als Auftakt zu einer Trilogie geplant, die mit dem bereits abgedrehten „28 Years Later: The Bone Temple“ (Regie: Nia DaCosta, Drehbuch: Alex Garland) im Januar 2026 fortgeführt wird.
Christopher Diekhaus