A long way down

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Virtuos bietet die charmant gefühlvolle Dramödie „A long way down“ trockenen britischen Humor vom feinsten. Kein Wunder, stammt der Roman um vier Selbstmordkandidaten doch vom beliebten englischen Popliteraten Nick Hornby. Seine unorthodoxe und unverkrampfte Herangehensweise samt pointierten Dialogen setzt Regisseur Pascal Chaumeil brillant um. Neben Ex-Bond-Darsteller Pierce Brosnan besticht vor allem Nachwuchsstar Imogen Poots mit ihrem komödiantischen Talent. Herrlich überdreht agiert die 24jährige Britin in absurd skurrilen Situationen. Endgültig überzeugt der gelungene Ensemblefilm durch seine lebensbejahende Botschaft.

Webseite: www.alongwaydown.de

Grossbritannien 2014
Regie: Pascal Chaumeil
Drehbuch: Nick Hornby, Jack Thorne
Darsteller: Pierce Brosnan, Toni Collette, Sam Neill, Rosamund Pike, Aaron Paul, Tuppence Middleton, Imogen Poots
Länge: 96 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 3. April 2014

FILMKRITIK:

Silvesternacht auf einem Hochhausdach im Londoner Norden. „Entschuldigung, brauchen Sie noch lange“, will die 51jährige Maureen (Toni Collette) wissen. Schüchtern nähert sich die alleinerziehende Mutter eines behinderten Sohnes dem Mann, der sich gerade hinunterstürzen wollte. Martin Sharp (Pierce Brosnan), der abservierte Frühstücksmoderator, ist entnervt. „Der beliebteste Ort in London für Selbstmorde, am beliebtesten Tag für Selbstmorde, ich hätte es wissen können, klar bin ich nicht allein“, schimpft der abgehalfterte Lebemann.  Nach einer Äffare mit einer Minderjährigen, durch die er Job, Ehefrau und Freiheit verlor, bleibt ihm wenig Hoffnung.
 
Tatsächlich taucht auch noch der erfolglose 31jährige Rockmusiker JJ (Aaron Paul) und die 18jährige Jess (Imogen Poots) auf. Das unerwartete Aufeinandertreffen vereitelt den Plan der vier Selbstmordkandidaten. Nachdem sie sich ihre Gründe erzählt haben, schließt das Quartett bei Sonnenaufgang einen Pakt. Bis zum Valentinstag, sechs Wochen später, wollen sie es mit dem Leben noch einmal versuchen und aufeinander achtgeben. Damit freilich  überschlagen sich die Ereignisse, ob beim gemeinsamen Kampf gegen die sensationsgierige Boulevardpresse oder beim Strandurlaub in Spanien.
 
Als Pierce Brosnans Engagement als 007 nach nur vier Filmen vorzeitig zu Ende ging, sagten manche dem gebürtigen Iren bereits das Ende seiner Schauspielkarriere voraus. Aber dann überraschte der eloquente Mime, den kein Geringerer als Tennesse Williams entdeckte,  in der ABBA-Musical-Verfilmung „Mamma Mia!“ als sangesfreudiger Ex-Lover von Meryl Streep. Zwei Jahre später lief der ehemalige Theaterwissenschaftler in Roman Polanskis düsterem Politthriller „Der Ghostwriter“ zu Hochform auf.  Auch in dem stimmigen Ensemblefilm entfaltet der sympathische 60jährige sehenswerten Charme gewürzt mit einer Brise Selbstmitleid.
 
Trotzdem stiehlt ihm Imogen Poots als unberechenbare, freche Politikertochter Jess mit ihren überraschenden Ausbrüchen und entlarvenden Kommentaren, immer wieder die Show. Die talentierte 24jährige englische Nachwuchsschauspielerin erinnert mit ihren furiosen Auftritten streckenweise an Hollywoods neuen Superstar Jennifer Lawrence. Die Tochter eines Fernsehjournalisten entdeckte ihre Liebe zum Schauspiel als Jugendliche im Theater. „Jesse ist ein Geschenk, ganz ehrlich, gerade weil man nicht vorhersagen kann, was sie als nächstes tun wird“, freut sich die blonde Aktrice über ihre rebellische Rolle in dem schwarz-humorigen Drama.
 
Regisseur Pascal Chaumeil gelingt mit der ironischen Fabel über vier verzweifelte Menschen eine gekonnte Gratwanderung zwischen bissigem Humor und beschwingtem Charme. Seine turbulente Inszenierung über Höhen und Tiefen des Lebens und die Kraft der Freundschaft überzeugt nicht zuletzt durch ihre lebensbejahende Botschaft. „Es ist Nick Hornby in Vollendung“, betonte Hauptdarsteller Pierce Brosnan auf der Berlinale, wo der Film seine Weltpremiere feierte, zu Recht.
 
Luitgard Koch