Acht Berge

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Einen Bergfilm der etwas anderen Art hat das belgische Regie-Duo Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch mit „Acht Berge“ gedreht, der in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Hauptsächlicher Schauplatz sind zwar die italienischen Berge, wo zwei Männer zu Freunden werden, doch Thema ist nicht das erklimmen von Gipfeln, sondern die Höhen und Tiefen des Lebens.

Le Otto Montagne
Italien/ Belgien/ Frankreich 2022
Regie: Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch
Buch: Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch, nach dem Roman von Paolo Cognetti
Darsteller: Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Filippo Timi, Elena Lietti, Elisabetta Mazzullo, Cristiano Sassella, Lupo Barbiero

Länge: 147 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 12. Januar 2023

FILMKRITIK:

Im italienischen Aostatal wächst Bruno (Cristiano Sassella) auf, der Sohn eines Kuhhirten. In einem Sommer in den 80er Jahren lernt er Pietro (Lupo Barbiero) kennen, ein Stadtkind, dass den Sommer in den Bergen verbringt. So unterschiedlich die beiden elfjährigen auch scheinen, schnell werden sie Freunde, nicht nur aber auch verbunden durch die Liebe zu den Bergen.
Das Angebot von Pietros Eltern, Bruno mit in die Stadt zu nehmen, um ihm eine bessere Ausbildung zu ermöglichen wird abgelehnt, der Kontakt bricht ab. Erst Jahre später, nach dem Tod seines Vaters, kehrt der nun Erwachsene Pietro (Luca Marinelli) in die Berge zurück. Er bittet Bruno (Cristiano Sassella) ihm dabei zu helfen, einen Traum seines Vaters zu erfüllen: Die Ruine einer Hütte zu renovieren, hoch oben in den Bergen ein Heim zu bauen, fern der Zivilisation, fern der Menschen.

Wie sich das für einen Bergfilm gehört wird in „Acht Berge“ wenig gesprochen, vertrauen die Regisseure mehr auf Bilder, auf die sich aufdrängenden Metaphern, als auf Worte. Ein filmischer Ansatz, der aus unterschiedlichen Gründen ausgezeichnet funktioniert. Zum einen der beiden Hauptdarsteller Luca Marinelli und Cristiano Sassella wegen, deren Freundschaft auch ohne viele Worte spürbar wird, die sich mehr über ihre Physis definieren, als durch Worte.

Unterschwellig werden Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten betont, vor allem das Verhältnis zu den Vätern, die aus unterschiedlichen Gründen oft abwesend sind. Die Leerstellen in ihren Leben, die Verluste, das Gefühl, etwas versäumt zu haben, versuchen beide mit den Bergen zu füllen, mit unterschiedlichem Erfolg. Auch ihre Freundschaft besteht nicht ewig, einer von ihnen wird erst in den Bergen Tibets wirklich zu sich finden.

Allzu leicht wäre es für van Groeningen und Vandermeersch nun gewesen, die Symbolik der Berge, die offensichtlichen Metaphern allzu sehr zu betonen, eine Versuchung, der sie zum Glück widerstanden haben. Schon das Bildformat deutet ein spezielles Verhältnis zu den Bergen an: Nicht im Breitwandformat wurde gefilmt, sondern im fast quadratischen 4:3-Format, das weniger die überwältigende Natur in den Mittelpunkt stellt, als die Enge der Hütte oder die Nähe der beiden Freunde, wenn sie am Feuer sitzen.

Statt das Pathos der Berge, der Natur zu betonen, bleibt die Kamera, bleibt der Film stets bei seinen Figuren. Ein intimes Epos ist „Acht Berge“ dadurch geworden, ein Film, der zwar fast ausschließlich in freier Natur spielt, aber von verschlossenen Charakteren erzählt, deren Kampf mit den Fragen und Problemen der menschlichen Existenz schwer wiegt – und auch durch noch so atemberaubende Berge nicht so einfach bewältigt werden kann.

 

Michael Meyns