Air – Der große Wurf

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Ein Film über einen Schuh? Eher ein Film über eine wirtschaftliche und popkulturelle Revolution. Wie der zweitklassige Sportartikelhersteller Nike zum Marktführer wurde und mit Michael Jordan den idealen Repräsentanten einer noch nie dagewesenen Symbiose zwischen Sportstar und Produkt fand, davon erzählt Ben Affleck in seinem Film „Air – Der große Wurf“, der stilistisch eher dünn, aber voller Pathos erzählt ist. Aber auch: Eine Ode an den ungezügelten Kapitalismus der 80er Jahre.

Air
USA 2023
Regie: Ben Affleck
Buch: Alex Convery
Darsteller: Matt Damon, Ben Affleck, Jason Bateman, Chris Tucker, Chris Messina, Marlon Wayans, Viola Davis,

Länge: 112 Minuten
Verleih: Warner
Kinostart: 6. April 2023

FILMKRITIK:

1984: Das Orwell-Jahr, die Ära von Aerobic und Trivial Pursuit, von Eddie Murphy und den Ghostbusters. Vor allem aber die Zeit, als zunehmend schwarze Künstler begannen, die amerikanische und damit auch die globale Popkultur zu dominieren. Ein Teil dieser Kultur war immer auch der Sport, der damals noch nicht den Stellenwert einnahm, den er heute hat. Vor allem der Basketball war damals, trotz Superstars wie Magic Johnson und Larry Bird noch bei weitem nicht so populär wie heute, selbst die Finalspiele der amerikanischen Profilliga NBA wurden nicht Live im Fernsehen gezeigt. Ein Mann sollte die NBA, den Sport als Ganzes, die Vermarktung von globalen Superstars und in gewisser Weise auch die Popkultur für immer verändern: Michael Jordan.

Wie es dazu kam, davon erzählt Ben Afflecks Film „Air – Der große Wurf“, in dem Affleck selbst Phil Knight spielt, Gründer und Chef des Sportartikelherstellers Nike. Doch während Nike im Bereich der Leichtathletik zu den Marktführen zählt, läuft es für die Basketballabteilung deutlich schlechter. Hier beherrschen die Konkurrenten Adidas und Converse das Geschäft, doch das soll sich ändern. Der Marketing-Experte Sonny Vaccaro (Matt Damon in einer klassischen Matt Damon-Rolle als All American Jedermann) glaubt, dass nur ein Wagnis seine Abteilung retten kann. Nicht mehr mit Allerweltsspielern soll Nike ins Geschäft kommen, sondern mit einem Spieler, der als künftiger Superstar gilt.

Doch wie will man Michael Jordan ködern, einen 21jährigen, der Mitte 1984 das College verlassen und von den Chicago Bulls unter Vertrag genommen wurde, vor allem den Jordan, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, welche Schuhe er liebt: Die von Adidas. Doch so wie Michael Jordan nie aufgegeben hat und selbst mit Grippesymptomen legendäre Spiele fast im Alleingang gewonnen hat, so will sich Sonny Vaccaro nicht mit einem Nein zufriedengeben: Er setzt alles daran, Michael Jordan für Nike zu gewinnen.

Ob jedes Detail dieser Geschichte sich genauso zugetragen hat, wie es Affleck hier nach einem Drehbuch von Alex Convery erzählt sei dahingestellt, mitreißend ist die Geschichte ohne Frage. Noch nie zuvor war ein profanes Produkt wie ein Sportschuh so sehr auf eine Person zugeschnitten gewesen wie der Air Jordan auf seinen Träger und Namensgeber Michael Jordan. Welche Konsequenzen dieser Schritt hatte, den Nike eher aus der Not heraus einging, für die Welt des Sportmarketings hatte, deutet Ben Affleck eher nebenbei an. Meist haben er und sein alter Kumpel Matt Damon – die mit diesem Film auch das Debüt ihrer neuen Produktionsfirma geben – zu viel Spaß daran, die Macken von Nike-Chef Phil Knight und seinen Angestellten zu karikieren, mit Sportjargon um sich zu werfen und sich ganz nebenbei auch noch über die mutmaßliche Nazi-Vergangenheit von Adidas-Gründer Adi (eigentlich Adolf) Dassler lustig zu machen.

Ein Riesengeschäft war der Nike-Jordan-Deal für alle Beteiligten, hatte allerdings auch problematische Konsequenzen: Eine neue Ära der Vermarktung begann mit Michael Jordan, deren Folgen nicht nur im Sport und nicht nur in den USA zu beobachten sind. Zugespitzt könnte man vermutlich sagen: Ohne den Jordan-Deal keine Fußball-WM in Katar. Diese Aspekte werden nicht ausgespart, allerdings eher minimal angedeutet. In erster Linie will „Air – Der große Wurf“ eine sehr amerikanische, sehr kapitalistische Erfolgsgeschichte erzählen – Was ihm in jedem Fall gelingt, mit Pathos und Verve und dem Glauben an Konsum und Kapitalismus.

 

Michael Meyns