Wenn es um Leinwandhorror in den Weiten des Weltalls geht, kommt man an einem Film nicht vorbei. Ridley Scotts längst zum Klassiker gewordener Albtraum „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) setzte Maßstäbe in Sachen Intensität und inspirierte zahllose Regisseure. Drei Fortsetzungen und zwei Prequels samt der beiden Crossover-Arbeiten „Alien vs. Predator“ (2004) und „Aliens vs. Predator 2“ (2007) entsprangen bis heute dem Original, das mit Sigourney Weaver eine der ersten weiblichen Actionikonen in die Kinogeschichte einführte. Nachdem die von Scott höchstpersönlich verantworteten Vorgeschichten „Prometheus – Dunkle Zeichen“ (2012) und „Alien: Covenant“ (2017) gemischte Reaktionen hervorriefen, versucht Horrorspezialist Fede Alvarez („Evil Dead“) im neuen Reihenkapitel, wieder stärker an das Ursprungswerk anzudocken. „Alien: Romulus“ bietet einen handwerklich gutgemachten Überlebenskampf auf einer verlassenen Raumstation, lässt allerdings ganz große Visionen vermissen.
Originaltitel: Alien: Romulus
USA 2024
Regie: Fede Alvarez
Drehbuch: Fede Alvarez, Rodo Sayagues
Cast: Cailee Spaeny, David Jonsson, Archie Renaux, Isabela Merced, Spike Fearn, Aileen Wu, Rosie Ede u. a.
Länge: 119 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Walt Disney Pictures Germany
Kinostart: 15. August 2024
FILMKRITIK:
Was viele Fans der Reihe an Scotts philosophisch angehauchten Prequels störte, waren vor allem die Erklärungen zum Ursprung der furchteinflößenden, Xenomorph genannten Alien-Spezies. Dass die außerirdischen Erschaffer der Menschen eben jene mörderischen Kreaturen als eine Art Biowaffe entwickelt haben, um das Leben auf der Erde auszulöschen, konnte längst nicht alle Zuschauer überzeugen. Wie auch immer man dazu stehen mag – „Alien: Romulus“ macht sich von den Geschehnissen frei und kommt als eigenständiger Film daher, der zeitlich zwischen dem Original und dessen Nachfolger „Aliens – Die Rückkehr“ (1986) angesiedelt ist.
Im Mittelpunkt stehen gänzlich neue Figuren, wobei das Wiedersehen mit einem bekannten Gesicht unter Garantie für Diskussionen sorgen wird. Die Handlung setzt ein auf dem zum Weyland-Yutani-Konzern gehörenden Bergbauplaneten Jackson’s Star. Einer Kolonie, in der es, so erfahren wir dank einer Texteinblendung, nie hell wird. Kein Wunder also, dass sich die junge Arbeiterin Rain (Cailee Spaeny) nach einem Himmelskörper namens Yvarga sehnt, auf dem man die Sonne in ihrer ganzen Pracht bewundern können soll. Zusammen mit dem Androiden Andy (David Jonsson), der sich ihrem Wohlbefinden verpflichtet fühlt und den sie wie einen echten Bruder behandelt, träumt sie von einem Aufbruch in ein besseres Leben. Als Rain glaubt, ihre Schuldigkeit auf Jackson’s Star getan zu haben, wird sie zu weiteren Arbeitsjahren verdonnert.
Ausgerechnet in diesem Moment der Enttäuschung taucht ihr Ex-Freund Tyler (Archie Renaux) auf und erzählt ihr von seinen Plänen, ein im All schwebendes, verlassenes Raumschiff nach funktionierenden Kälteschlafkammern zu durchstöbern. Mit diesen könnte die Flucht zu einem lebensfreundlicheren Planeten gelingen. Tyler ist vor allem deshalb so erpicht auf Rains Mitwirken, weil Andy als ein von Weyland-Yutani entwickelter Roboter ihnen den Zugang ermöglichen kann. Anfangs zögert die junge Frau. Doch dann willigt sie ein, um schließlich festzustellen, dass es sich bei dem vermeintlichen Raumfahrzeug um die verwüstete, labyrinthische Raumstation „Romulus“ handelt. Dass in den dortigen Laboren aggressive, todbringende Alien-Kreaturen nur auf neue Opfer warten, bekommen die „Besucher“ irgendwann zu spüren.
Junge Menschen, die ihrem bedrückenden Leben entfliehen wollen, dafür kriminelle Dinge tun und sich unverhofft in Lebensgefahr wiederfinden – dieses Konzept spielte Fede Alvarez mit Ko-Drehbuchautor Rodo Sayagues bereits in „Don’t Breath“ durch. „Alien: Romulus“ wirkt ein bisschen wie eine Weltraumvariante des nervenaufreibenden Home-Invasion-Thrillers aus dem Jahr 2016, atmet aber von Anfang an den Geist der inzwischen 45-jährigen Reihe um das außerirdische Monster mit dem langen, gebogenen Kopf und dem ausfahrbaren zweiten Kiefer. Die Macher sind offenkundig große Fans und erweisen den vorangegangenen Filmen immer wieder ihre Reverenz. Eine Wendung zum Ende hin lässt an „Alien – Die Wiedergeburt“, den 1997 veröffentlichten vierten Teil, denken. Und ein spezieller Moment zwischen Rain und Tyler spiegelt eine Szene zwischen Ellen Ripley und Corporal Dwayne Hicks aus „Aliens – Die Rückkehr“. In abgewandelter Form tauchen regelmäßig bekannte Elemente auf.
Hauptbezugspunkt ist freilich Scotts Meisterwerk, dessen langsamen Spannungsaufbau Alvarez und Sayagues in ihrem Drehbuch imitieren. Die Eskalation setzt erst nach rund 50 Minuten ein. Und ähnlich wie Ripley ist Rain zunächst gar nicht so aktiv, wie man es von einer Hauptfigur erwarten würde. Während sich Tyler, Andy und der ebenfalls zur Gruppe gehörende Bjorn (Spike Fearn) in der menschenleeren Station langsam vortasten, verfolgt Rain zusammen mit Tylers Schwester Kay (Isabela Merced) und Pilotin Navarro (Aileen Wu) über Funk das Vorankommen vom eigenen Raumschiff aus. Erst als es den drei Eindringlingen in einem unter Wasser stehenden Bereich – eine wahrlich gruselige Passage! – an den Kragen geht, schreitet Rain zur Tat, sucht nach Lösungen, um ihre Freunde zu retten. Cailee Spaeny schlägt sich dabei wacker. Verletzlichkeit und Stärke verbindet sie in ihrer Performance allerdings nicht ganz so effektiv wie einst Sigourney Weaver.
Während ein Großteil der Figuren im neuen Film, vor allem der von Anfang an nervende Bjorn, eher in die Kategorie „Entbehrliches Kanonenfutter“ gehört, bringt die ungewöhnliche Bindung zwischen Rain und dem technisch lädierten Andy eine emotionale Komponente ein. Erstaunlicherweise hat der eine interessante Wandlung durchlaufende Androide, ein Maschinenwesen, das ihm auferlegte Direktiven befolgt, von allen Charakteren am meisten Profil, was mit den beiden Scott-Prequels korrespondiert. Auch dort hinterlässt der von Michael Fassbender gespielte Roboter mehr Eindruck als seine menschlichen Begleiter.
Verglichen mit dem vor allem in der Gestaltung der Gerätschaften etwas glatten und aseptischen Look von „Prometheus – Dunkle Zeichen“ und „Alien: Covenant“ verströmt Alvarez‘ Reihenbeitrag eine dem Originalfilm nachempfundene Abnutzung. Raumschiffe und Apparaturen erstrahlen nicht in einem schicken Apple-Design, sondern sehen teilweise recht klobig aus und haben etwas herrlich Haptisches an sich. Überhaupt ist die verwinkelte, in ihrer Geografie nie richtig durchschaubare Romulus-Station ein hübsch unheimlich gestaltetes und stimmungsvoll gefilmtes Setting. In diesem stechen jedoch CGI-Effekte manchmal umso deutlicher hervor. Nicht zuletzt beim Auftritt des oben schon erwähnten bekannten Gesichtes.
Das Spannungsniveau von „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ erreicht „Alien: Romulus“ nicht, auch wenn Alvarez die Schraube routiniert anzieht und die einmal mehr sexuell aufgeladenen Monsterattacken kompetent einfängt. Warum das so ist? Unter anderem, weil er seinen Film überfrachtet, unbedingt von klaustrophobischem Schrecken zu Actionspektakel schwenken möchte. Eine schon früh erwähnte Gefahr, die einen Wettlauf gegen die Zeit auslöst, hätte es zum Beispiel nicht gebraucht. So beeindruckend die Bilder im Schlussdrittel auch sein mögen, ziehen die Macher ihre Geschichte hier künstlich in die Länge. Eine alte Binsenweisheit findet damit mal wieder Bestätigung: Weniger ist häufig mehr! Das wusste Ridley Scott im Ursprungstitel offenbar nur zu gut.
Christopher Diekhaus