Amrum

„Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“ heißt es im Vorspann von „Amrum“, einem in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Projekt für den Hamburger Regisseur, der mit wildem, oft exzessivem Kino bekannt wurde, zuletzt einem Gangster-Rapper ein Denkmal setzte und sich nun, basierend auf den Erinnerungen seines Mentors und Freundes Hark Bohm, in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs begibt und mit kindlichem Blick vom Ende der Unschuld erzählt.

 

Über den Film

Originaltitel

Amrum

Deutscher Titel

Amrum

Produktionsland

DEU

Filmdauer

93 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Akin, Fatih

Verleih

Warner Bros. Entertainment GmbH

Starttermin

09.10.2025

 

Frühling 1945, noch tobt der Zweite Weltkrieg, doch auf der kleinen Nordseeinsel Amrum bekommen die Anwohner nicht allzu viel davon mit. Ja, es gibt nicht mehr ausreichend zu Essen, aber dank der rustikalen Bäuerin Tessa (Diane Kruger) werden die Felder noch bestellt und so gibt es zumindest Kartoffeln. Bei der Aussaat hilft ihr auch der 12jährige Nanning (Jasper Billerbeck), der mit seiner Mutter Hille (Laura Tonke), zwei kleineren Geschwistern und einem gerade geborenen Baby, aus seiner Heimatstadt Hamburg auf die Insel geflohen ist. Dort allerdings nicht in ärmlichen Verhältnissen lebt, denn der Vater ist ein hohes Tier im Nationalsozialistischen System, was noch Vor- aber auch schon Nachteile mit sich bringt: Die Familie hat genug Essensmarken, doch die vor dem Haus aufgezogene Hakenkreuzfahne macht sie auf der Insel zu Außenseitern. Denn die meisten der wortkargen Bewohner haben das Regime eher hingenommen, als aktiv unterstützt und sehnen das Ende des Krieges herbei.

Nicht so jedoch Hille, die nach der Nachricht, dass sich Hitler in Berlin das Leben genommen hat, ihren Lebenswillen verliert und aufhört zu Essen. Allein auf ein Weißbrot mit Butter und Honig habe sie Appetit und so setzt Nanning alles daran, um seiner Mutter eine Freude zu machen.

Der 1939 in Hamburg geborene Hark Bohm wuchs selbst auf Amrum auf, verarbeitete seine Kindheitserinnerungen in einem Roman, den er auch selbst verfilmen wollte. Doch sein hohes Alter verhinderten den Plan und so bat Bohm seinen Freund Fatih Akin – an dessen Drehbüchern zu „Tschick“ und „Aus dem Nichts“ Bohm mitgearbeitet hatte – das Projekt zu realisieren. Einfach ein fremdes Drehbuch, wenngleich das eines Freundes, zu verfilmen, kam für Fatih Akin jedoch nicht in Frage, erst nach einer starken Überarbeitung von Bohms Buch fand Akin einen persönlichen Zugang zur Geschichte, zu einer Welt, die er selbst nicht kennt.

Das Ergebnis ist ein Film, der unverkennbar verschiedene Perspektiven und Philosophien zu vereinigen sucht. Stilistisch zurückgenommen schildert Akin das Leben auf der Insel, schneidet immer wieder zu impressionistischen Bildern der Natur, von Insekten und Tieren. Ebenso lose wirkt die Erzählweise, die zwar einer gewissen Struktur folgt, vor allem aber durch lose Episoden das Bild einer zu Ende gehenden Zeit evoziert. Viele Figuren tauchen nur ein, zwei Mal auf, Bewohner der Insel geben Lebensweisheiten von sich, erzählen von Versuchen, in der Fremde ein besseres Leben zu finden, um dann wieder aus dem Film zu verschwinden. Selbst Diane Kruger, der nominelle Star von „Amrum“ hat nur wenige Szenen, überzeugt dabei vor allem durch ihren nordischen Akzent, bei dem Hochdeutsche Untertitel brauchen.

Die unterschiedlichen Dialekte von Einheimischen und Zugereisten verweisen auf einen der Versuche Akins, die Geschichte von „Amrum“ mit Bezügen zur Gegenwart anzureichern, darüber zu reflektieren, wer denn eigentlich wirklich Einheimischer und wer ein Fremder ist, vor allem aber, warum das wichtig sein sollte. Etwas kursorisch, fast didaktisch wirkt es da, wenn Flüchtlinge aus Schlesien oder Ostpreußen auf der Insel auftauchen, ein kurzer Konflikt entsteht, der in der nächsten Szene jedoch sofort aufgelöst wird.

Immer wieder scheinen Akins Hang zu stringentem Erzählen, seinem Hang zum bisweilen plakativen auf den Punkt bringen, mit Hark Bohms ruhigem, beobachtenden Ansatz zu kollidieren, der Dinge eher andeutet, als ausformuliert. So bleibt „Amrum“ am Ende vor allem ein Freundschaftsdienst, ein kleiner, ruhiger Film, der ein Bisschen Bohm und ein Bisschen Akin ist.

 

Michael Meyns

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