An einem schönen Morgen

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Die französische Regisseurin Mia Hansen-Løve kehrt mit ihrem achten Spielfilm zu ihren Wurzeln zurück. In ein immer leicht melancholisch angehauchtes Paris, in eine Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen, auch in die eigene Biographie. Denn wie so oft stattet sie Figuren ihrer Geschichten mit autobiographischen Zügen aus, hier eine alleinerziehende Mutter, die als Übersetzerin tätig ist und ein Faible für deutsche Philosophie hat. Die Geschichte ist anrührend, und schön, aber man wird das Gefühl nicht los, dass Hansen-Løve sich diesmal keiner Herausforderung gestellt hat.

Webseite: https://www.weltkino.de/filme/an-einem-schoenen-morgen

Un beau matin
Frankreich 2022
Regie + Buch: Mia Hansen-Løve
Darsteller: Léa Seydoux, Pascal Greggory, Melvil Poupaud

Länge: 113 Minuten
Verleih: Weltkino Filmverleih
Kinostart: 8. Dezember 2022

FILMKRITIK:

Sandra (Léa Seydoux) ist alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Mädchens. Sie besucht regelmäßig ihre Uroma und sie kümmert sich um ihren Vater, der mental immer mehr abbaut und kaum noch im Leben zurechtkommt. Am besten wäre für ihn ein Pflegeplatz, aber einen solchen zu finden, wenn die finanziellen Möglichkeiten beschränkt sind, ist schwierig. Sandras Leben ist schwierig, und dann trifft sie einen alten Freund wieder. Der steckt zwar in einer Beziehung, aber das hält keinen von beiden davon ab, sich aufeinander einzulassen.

Mia Hansen-Løve ist derzeit so etwas wie der Liebling in Cannes. Im letzten Jahr lief dort ihr Film „Bergman Island“, dieses Jahr war es „An einem schönen Morgen“. Während sie mit ihren vorherigen Werken begann, ihren erzählerischen Horizont zu erweitern und auch nicht mehr auf Französisch, sondern Englisch gedreht hat, stellt ihr neuestes Werk eine Rückkehr zu den Wurzeln dar. Bei „An einem schönen Tag“ stellt sich das Gefühl ein, ein frühes Werk von Mia Hansen-Løve zu sehen. Das ist nicht per se schlecht, denn auch die waren schon gut. Es ist nur in gewisser Weise ein wenig unbefriedigend, weil man das Gefühl hat, dass sich die Autorin und Regisseurin in eine Komfortzone zurückgezogen hat.

Dabei ist es deutlich spannender, ihr zuzusehen, wenn sie sich und damit auch das Publikum herausfordert – so wie mit „Bergman Island“, der mit der erzählerischen Form spielte. Ihr neuestes Werk ist hingegen eines über die kleinen Geschichten, über Beziehungen, über das Leben, über die Liebe und die Schwierigkeiten, die mit ihr einhergehen. Das alles ist wundervoll erzählt, zumal Léa Seydoux auch eine filigran agierende Schauspielerin ist, aber neu ist daran eben nichts.

Es stört nicht, dass die Regisseurin in ihre Geschichte immer auch autobiographische Elemente einwebt. Im Gegenteil, das macht Mia Hansen-Løve mehr als viele andere zu einem echten Auteur und ihre Filme zu einer sehr persönlichen Angelegenheit – etwas, das man als Zuschauer durchaus schätzen kann. Man hätte sich nur etwas mehr erwünscht, auch wenn die Autorin mit ihrer Beschäftigung mit dem Älterwerden zumindest einen frischen Aspekt einbringt. Die Szenen mit Sandras altem Vater sind darum auch die anrührendsten, weil sie mehr als alle anderen ein Gefühl transportieren, dem man sich nicht entziehen kann. Es sind auch diese Szenen, die dem Film eine tragische Note verleihen.

 

Peter Osteried