Wenn ein so exaltierter Schauspieler wie Daniel Day-Lewis nach sieben Jahren des selbst gewählten Ruhestand sein Leinwand-Comeback gibt, verleiht das einem Film eine besondere Aufmerksamkeit. Vermutlich war das auch die Absicht, denn der Regisseur von „Anemone“ ist kein geringerer als Ronald Day-Lewis, der Sohn des dreifachen Oscar-Gewinners, der hier ein interessantes Regiedebüt vorlegt, in dem die Fähogkeiten des Vaters allerdings etwas verschenkt wirken.
Über den Film
Originaltitel
Anemone
Deutscher Titel
Anemone
Produktionsland
GBR, USA
Filmdauer
125 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Day-Lewis, Ronan
Verleih
Universal Pictures International Germany GmbH
Starttermin
27.11.2025
Seit vielen Jahren lebt Ray (Daniel Day-Lewis) allein in einer Hütte irgendwo in den irischen Bergen. Nicht, weil er die Einsamkeit so sehr schätzt, die augenscheinlich malerische, wenn auch sehr wilde Natur liebt, sondern weil es dunkle Geheimnisse gibt, die er tief hinter den Falten seines hageren Gesichtes verborgen hat.
Es scheint – ganz genau kann man es nicht sagen, denn das gemeinsam von Vater und Sohn Day-Lewis verfasste Drehbuch beschränkt sich diesbezüglich auf Andeutungen – als wäre Ray einst ein Soldat der britischen Armee gewesen, der während der sogenannten Troubles, dem irischen Bürgerkrieg, eine persönliche Entscheidung getroffen hat, die als Kriegsverbrechen angesehen wurde. Als Folge zog sich Ray ganz in die Einsamkeit zurück, was auch bedeutete, seine Frau Nessa (Samantha Morton) zurückgelassen zu haben. In Loyalität zu seinem Bruder hat sich Jem (Sean Bean) um Nessa gekümmert und auch um deren Sohn Brian (Samuel Bottomley). Der ist nun fast erwachsen, gerät zunehmend in Probleme und droht, auf die schiefe Bahn zu geraten.
So macht sich Jem auf, seinen Bruder zu besuchen, um zu versuchen, ihn aus seiner Isolation zu holen, ihm beim Reden und Teetrinken davon zu überzeugen, dass es auch abseits der Zivilisation Menschen und Dinge gibt, für die es sich zu lohnen gibt.
Nur gut 20 Filme hat Daniel Day-Lewis im Lauf seiner Karriere gedreht, wurde als einziger männlicher Schauspieler gleich mit drei Oscars als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet, für „Mein linker Fuß“, „There Will be Blood“ und „Lincoln“, drei mehr als exaltierte Rollen, die ihn für viele Beobachter zum Besten Schauspieler der letzten Jahrzehnte machte.
Nach seinem Part in Paul Thomas Andersons „Phantom Thread“ verabschiedete sich Daniel Day-Lewis vorübergehend von seinem Metier – und hilft nun dem Debütfilm seines Sohnes Ronan zu besonderer Aufmerksamkeit. Bislang hatte sich Ronan Day-Lewis – Sohn von Day Lewis und der Regisseurin Rebecca Miller, selbst Tochter des Dramatikers Arthur Miller – an der Malerei versucht, was sich nun auch in der größten Qualität von „Anemone“ zeigt: Den eindringlichen Bildern, die die karge, dramatische Landschaft der irischen Wälder in prägnanten Tableaus einfängt, neben denen selbst das Gesicht von Daniel Day-Lewis, das mit seinen Furchen und Falten auch einer Art Landschaft ähnelt, nur die zweite Geige spielt.
Was auch an der diesmal sehr zurückhaltenden Performance von Day-Lewis liegt, der ausnahmsweise mit seinem Spiel nicht alle Aufmerksamkeit auf sich selber zieht, sondern der Geschichte, den Dialogen den Vorrang lässt. Die haben Vater und Sohn in langjähriger Arbeit selbst geschrieben, wobei sie einen Hang zu langen, ebenso prägnanten wie prätentiösen Monologen haben, die vor Bedeutung ebenso triefen wie der Titel des Films selbst: Anemone, ausgesprochen uh-neh-muh-nee, bezeichnet eine Windrose oder eine Wildblume, die Konnotationen zu den Brüdern, die eine schwere Kindheit hinter sich haben – neben den Troubles darf auch sexueller Missbrauch durch Vertreter der katholischen Kirche nicht fehlen – liegen auf der Hand, die stilisierte Inszenierung lässt keinen Zweifel.
Schwer zu sagen, ob Daniel Day-Lewis seinem Sohn mit seinem Mitwirken an dessen Regiedebüt einen Gefallen getan hat. Für mehr Aufmerksamkeit als einem stilistisch interessanten, inhaltlich allerdings eher bemühten Film normalerweise entgegenschlägt, sorgt er in jedem Fall, und vielleicht war das ja auch die eigentliche Intention dieser Zusammenarbeit aus dem Hause Day-Lewis.
Michael Meyns

				





