Auf Anfang REPRISE

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Gleich mit seinem Debütfilm nimmt sich der norwegische Regisseur Joachim Trier sehr viel – bisweilen zu viel – vor. Er erzählt auf verschachtelte, mit Rück- und Vorblenden arbeitende Weise über Freundschaft, die Suche nach künstlerischen Ausdrucksmitteln, Drogensucht und dem schmalen Grad zwischen Ironie und Haltungslosigkeit. Ein ambitionierter Film, der manchmal an seinen eigenen Anforderungen zu scheitert droht, durch seine Schauspieler aber immer wieder gerettet wird.

Webseite: www.mfa-film.de

Norwegen 2006
Regie: Joachim Trier
Buch: Joachim Trier, Eskil Vogt
Kamera: Jakob Ihre
Schnitt: Olivier Bugge Coutte
Musik: Ola Flottum & Knut Schreiner
Darsteller: Espen Klouman Hoiner, Anders Danielsen Lie, Viktoria Winge, Christian Rubeck, Pal Stokka
105 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: MFA+ Film Distribution
Kinostart: 2. August 2007

PRESSESTIMMEN:

 

Wäre Francois Truffaut noch am leben, würde er heute solche Filme drehen: in Joachim Triers "Auf Anfang" hadern zwei Jung-schriftsteller nach ihrem ersten Roman mit sich und der Literatur. Der norwegische Regie-Debütant hat dafür großartige Schauspieler und Bilder gefunden. Und eine emotionale Ehrlichkeit, die einem nahe kommt wie sonst nur ein guter Freund.
Stern

Ein vielversprechender, dynamischer Debütfilm, der sich auf souveräne Weise auch formal ganz auf den verspielten Umgang seiner Protagonisten einlässt, die er detailfreudig auf der Suche nach sich selbst beobachtet. Immer wieder bricht der Film dabei den linearen Erzählfluss auf und konterkariert melodramatische Entwicklungen geschickt durch eine auktoriale, ironische Erzählstimme und den Einsatz des Konjunktivs. - Sehenswert ab 16.
film-dienst

Regisseur Joachim Trier beweist in seiner Coming-of-Age-Geschichte außerordentliches Feingefühl für jene Phase des Erwachsenwerdens, in der die Wahrscheinlichkeit, dass man sich vor Verzweiflung vom Dach stürzt, etwa gleich groß ist wie die, sich Hals über Kopf zu verlieben.
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Erik und Phillip sind Freunde und teilen einen gemeinsamen Traum: Sie wollen Schriftsteller werden. Gleich zu Beginn des Films sieht man sie ihre Manuskripte in den Briefkasten werfen und folgt nun in einer furiosen Sequenz kurzen Momenten ihrer imaginierten Karriere. Dem schnellen Erfolg folgt die Schaffenskrise, die in Drogen und Alkohol ertränkt wird, ein Neubeginn, das Wiederaufleben der durch den Erfolg entzweiten Freundschaft, eine glückliche Zukunft. 

Doch das war nur ein Wunschtraum, zunächst heißt es zurück „Auf Anfang.“ Erneut werden die Manuskripte in den Briefkasten geworfen und die Wirklichkeit beginnt. Und diese weicht um einiges von den Wunschvorstellungen ab. Zwar hat Philip schnell Erfolg, doch den plötzlichen Erwartungsdruck verkraftet er nicht und bringt ihn vorübergehend in die Psychiatrie. Währenddessen hadert Erik, dessen Roman abgelehnt wurde, mit sich und der Welt, vor allem aber seinem Talent. Zusammen mit ihrer Clique hängen die beiden Freunde in Oslo rum, führen betont distanziert, ironische Unterhaltungen über alles und nichts, versuchen die richtige Frau zu finden und sich als Autoren zu etablieren. 

Dass alles hätte eine einfache, stringent erzählte Geschichte werden können doch Joachim Trier strebt nach viel mehr. Immer wieder bricht der Film aus seiner linearen Struktur aus hängt sich an eine Figur und erzählt in kurzen, oft aus Standbildern bestehenden Sequenzen deren Geschichte. Dem deutschen Publikum dürfte diese Technik aus Tom Tykwers Lola rennt bekannt sein, der auch mit seiner Erzählhaltung zumindest lose Inspiration für diesen Film gewesen sein dürfte. Oft sind diese zerstückelten Momente zwar amüsant, immer wieder fragt man sich jedoch, ob sie wirklich nötig gewesen wären und letztlich nicht sogar vom Zentrum des Films ablenken.

Und das besteht eben aus den unterschiedlichen Charakteren von Erik und Phillip, die von den Nachwuchsschauspielern Espen Klouman Hoiner und Anders Danielsen Lie mit viel Wärme und Sympathie gespielt werden. Eigentlich hätte es für einen interessanten Film mehr als ausgereicht, sich auf sie zu konzentrieren, zu zeigen, wie sie auf unterschiedliche Weise mit dem Wunsch zu schreiben, den ersten Erfolgen, den Forderungen der Mediengesellschaft umgehen und versuchen, in dem ganzen Chaos sie selbst und vor allem Freunde zu bleiben. 

Dass sich Joachim Trier nicht mit einer konventionellen Erzählung und einer linearen Struktur zufrieden gibt, kann man ihm natürlich schwer vorwerfen, schließlich geben sich heutzutage viel zu viele Regisseure damit zufrieden, Altbekanntes zu wiederholen. Und angesichts der Tatsache, dass es sich hier um einen Debütfilm handelt, überwiegt trotz der bisweilen arg ausgefransten Erzählung das Versprechen auf den weiteren Werdegang eines talentierten Regisseurs. Denn was er letztlich mit dem Prinzip der Reprise, des Auf Anfang-zurückspringen, anstrebt, ist faszinierend. Gerade zum Ende des Films muss man da schon sehr genau auf die grammatikalischen Formen der Voice-Over Narration achten, um zu realisieren ob das, was man gerade sieht, tatsächlich passiert oder doch nur eine imaginierte und somit rosigere Version der Wirklichkeit ist.

Michael Meyns
 
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Junge Schriftsteller haben es nicht leicht. Vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen und die Welt in Buchstaben und Wort fassen zu wollen oder gar zu müssen, erfordert neben dem Talent auch viel Geduld.

Die angehenden norwegischen Literaten Erik und Phillip erleben die Hochs und Tiefs dieser Situation. Phillip gelingt zwar mit seinem ersten Roman „Phantombilder“ ein Wurf und sogar ein geschäftlicher Erfolg. Aber er wird krank. Eine Psychose tritt ein. Und das heißt monatelange Therapie. Sie ist mit einer Schaffenskrise verbunden. Phillip bildet sich ein, gar nicht mehr schreiben zu wollen. Er klammert sich an die Liebe zur schönen Kari, die viel Geduld mit ihm hat. Beide wollen ein früheres Liebeserlebnis in Paris wiederholen. Doch es klappt nicht. Phillip bricht mehrere Male zusammen. 

Erik ist Phillips Freund. Er sieht besonders gut aus, und eigentlich könnte er schon deshalb ein Erfolgsmensch sein. Doch sein erstes Manuskript wird nicht angenommen. Er gibt sich viel mit seinen Freunden ab, Musiker und Texter. Seine Freundin verlässt ihn, weil er sich zu wenig um sie kümmert.

Sein Buch „Prosopopeia“, ein Werk über die Tiefe, die Geheimnisse, die Gewalt und die Möglichkeiten der Sprache, wird schließlich veröffentlicht. Die Kritik ist nicht gut. Sie spricht von „Sprachphantasien ohne Zusammenhang“. Erik wird jedoch sicherlich weiterhin schreiben. Ein älterer Schriftsteller ermuntert ihn. Er solle schreiben, wenn auch „ohne Poesie“. Erik will zuerst einmal verreisen.

Ist diese Reise echt, oder spielt sie sich nur in der Phantasie ab? Man erfährt es nicht präzise genug. Ganz besonders hier wird der Stil dieses Films wirksam. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft vermengen sich. Scheinwelt, Wirklichkeit und Phantasie ebenfalls – wenn auch filmisch mit Hilfe einer ausgesuchten Montage immer ziemlich real dargestellt.

Die angedeuteten Themen hängen mit der geistigen Situation dieser jungen Literaten zusammen: Schöpferisches und ins Auge Gefasstes, Suche nach dem richtigen Weg und Unsicherheit, Resignation und Wahnsinn.

Präsentiert ist das alles in einer ungewöhnlichen Dramaturgie. Sie ist experimentell und sporadisch, ziemlich willkürlich, aber auch bis zu einem gewissen Grad avantgardistisch – man weiß oft nicht, ob man verblüfft sein soll oder irritiert. Eine bestimmte Begabung steckt auf jeden Fall dahinter. Auf ein paar Festivals hat der Film auch bereits Preise eingeheimst.

Ein interessanter, wenn auch künstlerisch noch unfertiger Versuch, ein Langfilmerstling. Ein coming of age-Bild junger norwegischer Schriftsteller.

Thomas Engel