Ayla

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Ehrenmorde: Ein bedauerlich aktuelles Thema, dem sich der bislang mit Fernsehfilmen und Werbespots in Erscheinung getretene Regisseur Su Turhan annimmt. Bisweilen gelingen ihm dabei interessante Einblicke in türkische Milieus, allzu oft aber wirkt die Geschichte um die schöne, unabhängige Ayla wie eine Soap-Opera, die ein heikles Thema auf melodramatische Weise angeht.

Webseite: www.zorrofilm.de

Deutschland 2009
Regie: Su Turhan
Drehbuch: Su Turhan, Beatrice Dossi
Darsteller: Pegah Ferydoni, Mehdi Moinzadeh, Saskia Vester, Timur Isik, Türkiz Talay, Sesede Terziyan
Länge: 85 Min.
Verleih: Zorro Film
Kinostart: 29. April 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Ayla ist das Musterbeispiel einer assimilierten Deutschen mit Migrationshintergrund, wie sie sich der tolerante, Links ausgerichtete Weltbürger vorstellt: Sie sieht gut aus, ein wenig exotisch, aber nicht so sehr, dass sie verschrecken würde, zieht sich den westlichen Gepflogenheiten nach an, arbeitet Teilzeit im Kindergarten und des nachts, in aufreizender Kleidung, an der Garderobe eines Clubs. Sie hat keine Scheu vor Männern und mag nicht, dass ihre große Schwester Kopftuch trägt. Dass diese Figur nicht von Beginn an zum absurden Klischee wird, liegt in erster Linie am Spiel der Hauptdarstellerin Pegah Ferydoni. Bislang vor allem aus der Fernsehserie „Türkisch für Anfänger“ bekannt, beeindruckt die in Teheran geborene Schauspielerin mit großer Natürlichkeit, die sich meist gegen die Künstlichkeit des Drehbuchs durchsetzen kann.

Bald lernt Ayla einen scheinbar ebenso assimilierten Mann kennen, den Fotografen Ayhan, der unweit der Schneiderei ihrer Schwester sein Studio hat. Eigentlich sollte Ayla ganz traditionell mit einem Mann aus der Heimat verkuppelt werden, doch Ayla trifft lieber selbst ihre Wahl. Kein Wunder, ist Ayhan doch gutaussehend, charmant und scheinbar ganz im westlichen Leben angekommen. Doch ähnlich wie in Aylas Familie, in der im Hintergrund der kranke Vater die traditionell-konservativen Zügel in der Hand zu haben scheint, kann sich auch Ayhan nur schwer von der Tradition lösen. Seine Schwester Hatice, die in der Heimat verheiratet wurde, ist mit ihrer kleinen Tochter von ihrem Mann geflohen und versteckt sich nun vor ihrer Familie. Was genau mit Hatice geschehen soll, wenn Ayhan, vor allem aber sein jüngerer, heißblütiger Bruder Mehmet, sie in die Finger bekommen, bleibt offen. Bedrohlich wird des Öfteren eine Pistole ins Bild gehalten, von Schande und Ehre gesprochen, die Hintergründe bleiben aber im vagen. Zufällig freundet sich Ayla im Kindergarten mit Hatices Tochter an und wird so unwissentlich in die Familienfehde hineingezogen. Als sie erfährt, was ihr Freund vorhat, stellt sie sich mit aller Macht auf die Seite der unterdrückten Hatice und kämpft für deren Freiheit.

Allzu oft wirkt „Ayla“ wie ein kolportagehafter Einblick in ein mysteriöses, archaisches Milieu, dessen Riten und Traditionen aber im Unklaren gelassen werden. Ansätze der Differenziertheit, etwa die selbstbewusste Schwester Aylas, die zwar Kopftuch trägt, aber ein eigenständiges Leben führt, verpuffen neben plakativen Momenten, in denen Familienehre und Tradition beschworen wird. Eine wirkliche Analyse dieser Strukturen, die sich unbeeinflusst vom Rest der Gesellschaft in vielen Städten breit gemacht haben, findet nicht statt. Es ist einfach wie es ist, warum manchen Deutsch-Türken die Assimilation gelingt, ohne sich dabei radikal von ihren Wurzeln zu lösen, andere dagegen in den archaischen Traditionen verhaftet bleiben, Su Turhans Film versucht gar nicht erst, eine Antwort anzudeuten. Und das ist dann doch ein bisschen wenig für einen Film, der viel verspricht, aber nur manches einlöst.

Michael Meyns


Bis die Integration der Türken in unserem Land abgeschlossen ist, wird es wohl noch eine Weile dauern. Hier ist wieder ein Film, der sich mit dem Thema beschäftigt.

Ayla ist eine emanzipierte junge Türkin. Sie lebt in München, hat eine eigene Wohnung, arbeitet in einem Club. Für ihren traditionalistisch eingestellten Vater ist so etwas auf keinen Fall nachvollziehbar. Er hat sich von seiner Tochter getrennt, verleugnet sie.

Ayla findet Gefallen an dem gut aussehenden Fotografen Ayhan. Doch es wäre ein Wunder, wenn dieser Liebe zwischen modernen jungen Türken nichts im Wege stünde. Ayhan hat nämlich eine Schwester, Hatice, die mit ihrem Töchterchen ihren Mann verlassen hat. Das muss sie büßen, denn mit ihrem Verhalten hat sie angeblich die Familienehre in den Schmutz gezogen.

Äußerst radikal verhält sich in der Angelegenheit Ayhans jüngerer Bruder Mehmet. Im Verein mit dem Vater wird beschlossen, Hatice zu töten.

Ayhan ist ebenfalls involviert, und Ayla stellt dies mit Schrecken fest. Wie soll sie einen Mann lieben, der bereit ist, die eigene Schwester umzubringen, obwohl er andererseits beteuert, er sei ihr gut?

Nun ist das Drama von Hatices Flucht, von Ayhans seelischer Selbstzerfleischung aus Gewissensnöten und von Aylas verzweifelter Trennung von ihrem Geliebten nicht mehr aufzuhalten.

Erneut das Problem des anscheinend tief verwurzelten, aber menschlich, rechtlich und modern gesehen völlig inakzeptablen Tötens zur angeblichen Rettung der Familienehre – ein juristisch nicht genug zu verfolgender Traditionalismus, der an Schwachsinn grenzt.

Geschrieben, geschildert und inszeniert ist das gut. Manches ist dramaturgisch ein wenig durchschaubar arrangiert, doch insgesamt ist überdurchschnittliches, immer wieder bedenkenswertes und leider auch aktuelles Kino herausgekommen.

Große darstellerische Anstrengungen unternahmen die meist türkischen Akteure (außerdem Saskia Vester als Münchner Kindergärtnerin). Ins Auge stechen vor allem Pegah Ferydoni als Ayla und Mehdi Moinzadeh als Ayhan. Sie machen ihre Sache vortrefflich.

Thomas Engel