Beautiful Beings

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Mit „Beautiful Beings“ hat der Isländer Guðmundur Arnar Guðmundsson einen bemerkenswerten und herausragend besetzten Jugendfilm gedreht. Nach der Weltpremiere im Panorama der Berlinale und zig weiteren Festivalteilnahmen wurde das schroffe Coming-of-Age-Drama als isländischer Beitrag für die Oscar-Verleihung 2023 eingereicht.

Webseite: salzgeber.de/beautifulbeings

Island/Dänemark/Schweden/Niederlande/Tschechien 2022
Buch & Regie: Guðmundur Arnar Guðmundsson
Darsteller: Birgir Dagur Bjarkason, Áskell Einar Pálmason, Viktor Benóný Benediktsson, Snorri Rafn Frímannsson, Anita Briem, Ólafur Darri ÓlafssonLaufzeit: 123 Min.
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 10. November 2022

FILMKRITIK:

„Bist du nicht das Opfer aus dem Fernsehen?“ sprechen Addi, Konni und Siggi den schüchternen Balli an. Der Jugendliche aus einem isländischen Küstenort wurde so übel verprügelt, dass ein Lokalsender darüber berichtete. Auch Addi und seine Kumpels schlagen oft zu, vor allem „das Tier“ Konni tickt oft aus. Halb verächtlich und halb mitleidig nehmen die coolen Jungs die „arme Sau“ in ihre Clique auf. Die „Pennerbude“, in der Balli mit seiner Mutter haust, dient ihnen bald als Basis zum Chillen. Unbeschwerte Jugendtage erleben die seelisch ramponierten Teenager aber keineswegs. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Addis finstere Vorahnungen erfüllen.

„Wer ist die Hauptfigur der Geschichte?“ fragt eine Lehrerin zu Beginn. Anfangs sieht es so aus, als würde der Autor und Regisseur Guðmundur Arnar Guðmundsson den Außenseiter Balli ins Zentrum stellen, doch sukzessive rückt Addi in den Vordergrund, der sich als den „Normalsten“ der Freunde bezeichnet. Vor allem lebt „Beautiful Beings“ aber vom Zusammenspiel des starken Ensembles. Die Gruppendynamik ist jederzeit glaubhaft und bisweilen außerordentlich berührend. Auch wenn das im Original als „Albtraum“ betitelte Drama die Tristesse überspitzt, geht die emotionale Erdung dadurch nie verloren.

Der erste Laut, den der gemobbte Balli ausstößt, ist ein Schrei. Das passt zu seiner kaputten Welt. Der Junge lebt mit seiner meist abwesenden Mutter zwischen Müll und Kippenstummeln, der aggressive Stiefvater sitzt im Knast. Sein Erzeuger hat Balli mit einem Luftgewehr das Auge herausgeschossen, weshalb er ein Glasauge trägt. Auch der brodelnde Konni hat einen „Mordsschiss“ vor seinem Vater, was seine hemmungslosen Gewaltausbrüche erklärt. Letztere sind mit einer entfesselten Kamera auf sehr direkte Weise inszeniert. Vor allem Addi sieht die Brutalität zunehmend kritisch; einmal schießen ihm nach einer Schlägerei die Tränen in die Augen.

Am Ende blitzen fantastische Elemente auf, was die zeitweise Überzeichnung der Konflikte stimmig einordnet. So brilliert „Beautiful Beings“ als intensives Jugenddrama, das dokumentarisch wirkende Handkamerabilder mit übersinnlichen Einschüben kombiniert. Das absolute Herzstück ist dabei der ruppig-herzliche Umgang der Jugendlichen untereinander.

 

Christian Horn