Before Midnight

Zum Vergrößern klicken

Nach „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ diskutieren die inzwischen 40jährigen Jesse und Celine in Richard Linklaters „Before Midnight“ über Beziehungen, die Liebe und das Leben. Nicht mehr so unbeschwert wie einst, aber immer noch mit jener Mischung aus Humor und Tiefsinn, die diese Trilogie zu den essentiellen Beziehungsfilmen der Filmgeschichte macht. Grandios!

Webseite: www.before-midnight.de

USA 2012
Regie: Richard Linklater
Buch: Julie Delpy, Ethan Hawke, Richard Linklater
Darsteller: Julie Delpy, Richard Linklater
Länge: 108 Minuten
Verleih: Prokino, Vertrieb: Twentieth Century Fox
Kinostart: 6. Juni 2013

PRESSESTIMMEN:

"Der dritte Teil einer wunderschönen Liebesgeschichte, die eine ganze Generation prägte."
STERN

"Das Paar (..) zu beobachten ist faszinierend und beängstigend zugleich. Auch nach all den Jahren ist es für Überraschungen gut. Linklater und seine Hauptdarsteller haben mit dieser Trilogie ein Meisterwerk geschaffen, vom Riesenrad in Wien auf den Boden der Tatsachen."
DER SPIEGEL

"So ehrlich, leicht und bitter poetich wie die beiden Vorgänger. Ein Traum von einem Film."
KulturSPIEGEL

"Erfrischend und wahrhaftig, wenn man die beiden noch nicht kennt - wunderschön, wenn man seit neun Jahren auf dieses Wiedersehen gewartet hat."
BRIGITTE

FILMKRITIK:

Wir erinnern uns: Am Ende von „Before Sunset“ fand sich der amerikanische Schriftsteller Jesse (Ethan Hawke) im Pariser Appartement der Französin Celine (Julie Delpy) wieder, mit der er Jahre zuvor (in „Before Sunrise“) eine Nacht in Wien verbracht hatte – und verpasste liebend gern seinen Rückflug. Neun Jahre später: Am Ende eines langen Sommerurlaubs auf der Peloponnes verabschiedet Jesse seinen Sohn, der zurück zur Mutter nach Amerika fliegt. Auf dem Rückweg vom Flughafen beginnt Jesse seiner Lebensgefährtin Celine (mit der er Zwillingstöchter hat) von seinem wachsenden Wunsch zu erzählen, mehr Zeit mit seinem Sohn zu verbringen. Celine jedoch, die gerade ein Jobangebot bekommen hat, ist wenig begeistert von der Vorstellung, die gemeinsame Heimat Paris mit Chicago auszutauschen, doch zunächst bleibt der Frieden erhalten.
Am Abend, beim gemeinsamen Essen mit befreundeten Paaren unterschiedlicher Alterschichten, wird in entspannter Runde über das Wohl und Weh von Beziehungen diskutiert, über Liebe und Romantik in der Zeit von Internet und Skype geredet, bis am Ende der Satz steht, dass es im Leben nicht darum geht, eine Person zu lieben, sondern das Leben an sich.

Der nächste Tag ermöglicht Jesse und Celine etwas ganz und gar Ungewöhnliches: Zeit für sich, ohne Kinder, ohne Ziel, ohne Druck. Wie so oft in den „Before…“-Filmen, läuft das Paar durch die Gegend – erst eine Ruinenstätte, später ein malerisches Dorf – und redet: Über ihre Beziehung, ihre Vorstellungen, die Zeit und Freiheit, die durch Beruf und Kinder praktisch nicht mehr existiert. Sie landen in einem Hotel, eine Flasche Rotwein auf dem Tisch, könnten zum ersten Mal seit langem eine völlig ungestörte Nacht miteinander verbringen, und geraten so heftig aneinander, dass am Ende gar ihre Beziehung in Frage steht.

Was das Trio Richard Linklater und seine Hauptdarsteller und Co-Autoren Julie Delpy und Ethan Hawke mit dieser Trilogie geschafft haben, kann man kaum hoch genug einschätzen. Seit sie 1995 als Anfang zwanzigjährige in „Before Sunrise“ durch eine Nacht in Wien liefen, sind Jesse und Celine so etwa wie alte Bekannte geworden, die man lange nicht gesehen hat. Mit all ihren Ecken und Kanten sind diese Figuren grundsympathisch und zeichnen sich nicht zuletzt durch die Umkehr der filmischen Stereotype aus: Denn in dieser Beziehung ist der Mann der Romantische, während die Frau realistisch und pragmatisch denkt.

Aus dieser Konstellation entwickeln sich die langen Dialoge, die oft beiläufig beginnen, mit hübschen Pointen aufwarten, und doch immer wieder beim essentiellen Thema landen: Der Liebe. Beziehungsweise der Frage, wie die Liebe im Alltag mit Kindern am Leben erhalten werden kann, welche Kompromisse man bereit ist, für eine Beziehung einzugehen, wie man damit umgeht, dass die einstige Leidenschaft nicht mehr so stark lodert.

Wie Linklater und seine Mitstreiter die Balance wahren, stets den richtigen Ton treffen, eine perfekte Mischung aus amüsanten und ernsten Momenten finden, ist außerordentlich. Mit größter Leichtigkeit, komplett auf inszenatorische Mätzchen verzichtend, ganz auf die beiden Hauptfiguren konzentriert, ist „Before Midnight“ zum grandiosen dritten Teil einer Reihe von Filmen geworden, die hoffentlich noch nicht zu Ende ist. Schon jetzt muss man die drei Filme der „Before…“-Reihe zu den ganz großen Filmen über Beziehungen zählen.

Michael Meyns

Die „Before“-Reihe geht weiter. Céline und Jesse leben seit vielen Jahren zusammen, haben Zwillinge. Verheiratet sind sie jedoch noch nicht.

Jesse hat damals seine Frau für Cèline verlassen; es war so etwas wie ein amour fou. Trotzdem gebar die Frau noch einen Sohn, Jesses Sohn. Henry, Hank genannt, ist jetzt etwa zwölf.

Er hat mit Céline, Jesse und den Zwillingen die Sommerferien in Griechenland verbracht. Nun muss Abschied genommen werden. Der fällt Jesse unheimlich schwer. Henry fliegt zurück in die Staaten zu seiner Mutter.

Auf der Heimfahrt vom Flughafen bricht es aus Jesse heraus: Jetzt ist die Zeit, wo er bei seinem Sohn sein müsste, die Pubertät, das Interesse für die Mädchen, der erste Kuss. Jesse wirkt niedergeschlagen. Céline versucht ihn zu trösten – noch.

Sie laden Freunde zum Essen ein, sie machen Spaziergänge, sie suchen sich für die letzte Nacht vor dem Urlaubsende in schönes Hotel. Denn bald geht es zurück in die französische Hauptstadt. Jesse ist Schriftsteller.

Wäre Cèline bereit, wieder in die Staaten nach Chicago zu ziehen, damit Jesse näher bei seinem Sohn sein kann? Nicht so ohne weiteres. Sie hat ein gutes Jobangebot.
Aus der Liebesnacht wird nichts. Die Diskussionen gehen weiter: über ihr bisheriges Leben, über die Zukunft, über die Frage, ob es einen Sinn habe, noch zusammen zu bleiben, über Hank, über Jesses Ex-Frau, die offenbar Alkoholikerin ist und Céline hasst.
Was wird aus alledem? Der nächste „Before“-Film muss es zeigen – auch wenn er erst in einigen Jahren kommt. Ethan Hawke in einem Interview: „Am besten würde der (Film) werden, der uns in unseren Siebzigern zeigt. Ich wäre einfach unglaublich glücklich, wenn wir in diesem Alter noch immer befreundet wären. Das wäre ziemlich aufregend.“

Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke, das ist ein Autoren- und Regisseurgespann, das mit diesem Film wieder Freude bereitet. Selten hörte man einen solchen Dialogwitz, eine solche Dialoggescheitheit wie hier. Und (an passenden Schauplätzen) gespielt ist es, wie es schlechthin nicht besser zu spielen war.

Thomas Engel