Berlin für Helden

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Durchgeknallt, wild und immer spannend. So stellt sich der Rest der Republik das Leben in Berlin vor. Zumindest für junge Leute vefügt die Hauptstadt über ein Image, das am ehesten an das London der Swinging Sixties erinnert – mit Smart Phones anstelle der roten Telefonzellen. Dabei wirkt Klaus Lemkes neuer Film beinahe so, als habe er das Schwabing der 70er Jahre nach Prenzlauer Berg verlegt. Die Geschichte über vier junge Leute auf Berlinbesuch könnte auch überall woanders spielen. Viel wichtiger sind die Personen selbst, zumeist gespielt von Laiendarstellern, die ihre anarchische Begeisterung fürs Spielen mit Originalität und Improvisationsfreude verbinden. Klaus Lemke bleibt sich also treu – und wer seinen Humor und den jungenhaften Charme mag, mit dem er sich lässig über Konventionen hinwegsetzt, der wird diesen Film mögen.

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Deutschland 2012
Drehbuch und Regie: Klaus Lemke
Kamera: Paulo da Silva
Darsteller: Saralisa Volm, Andreas Bichler, Anna Anderegg, Marco Barotti, Dagobert Jäger, Henning Gronkowski, Karl Schneider, Thomas Mahmoud
83 Minuten
Verleih: deutschfilm
Kinostart: 05.04.2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Das bekannte Bibelzitat von den Lilien auf dem Felde, die leben und wachsen, obwohl sie nichts dafür tun, gilt für beinahe alle Figuren aus Klaus Lemkes Filmen. Entsprechend auch für seine neuen, jungen Helden, die Berlin erobern wollen. Konservative Zeitgenossen würden sagen, dass es sich bei diesen Gestalten um eine Ansammlung notorischer Taugenichtse handelt, die ziellos in den Tag hineinleben. Wohlwollend könnte man sagen, dass diese jungen Menschen einfach noch nicht ihre Bestimmung gefunden haben, dass sie Suchende sind und in ihrer Irritation vieles ausprobieren müssen. Bis auf den Schauspieler Andreas haben Lemkes Lilien weder einen Beruf noch Pläne oder Ziele, sie kümmern sich kaum um die Dinge des täglichen Lebens, aber irgendwie schaffen sie es doch, Spaß zu haben und überall durchzukommen.

Henning und Anna kommen nur fürs Wochenende, aber sie bleiben gleich ein paar Wochen. Saralisa flüchtet vor ihrem Lover Andreas, der ihr nach Berlin folgt. Und der Italiener Barotti, in den sich Anna schnell und heftig verliebt, ist einer, der überall und nirgends zu Hause ist – vielleicht ein Gauner, sicherlich ein Schlitzohr, vor allem aber ein Teufelskerl, dem die schönen Mädchen nur so hinterherlaufen. Sie alle treffen, lieben, trennen und versöhnen sich vor der Kulisse Berlins.

All das hat durchaus seinen Reiz. Für Langeweile bleibt keine Zeit, jede Millisekunde scheint angefüllt zu sein mit Ideen und neuen Handlungssträngen. Es gibt ein paar coole Sprüche und einige sehenswerte Kurzauftritte von Berliner Originalen. Die verschachtelte, abstruse Geschichte zeigt hier und da ein Stückchen neues Berlin inklusive zwei bis drei angesagter Locations. In diesem Umfeld bewegen sich Lemkes Stars, von denen besonders die beiden Damen Saralisa Volm und Anna Anderegg mit viel Aufmerksamkeit bedacht werden. Sie sind hübsch anzuschauen, dürfen kess mit dem Popo wackeln und den Männern den Kopf verdrehen. Henning Gronkowski überrascht mit gelegentlich erstaunlicher Präsenz und Natürlichkeit, Marco Barotti gibt beherzt und authentisch den halbseidenen Westentaschen-Casanova. Hier und da wird geliebt, geprügelt und getrunken – also business as usual, Klaus Lemke, wie man ihn kennt.

Aber reicht all das schon aus für einen neuen Lemke-Boom? Ob die offenbar gewollt junge Zielgruppe diesen Film zu schätzen weiß und den Weg ins Kino findet, ist trotz Klaus Lemkes Erfahrung und Image als Filmrebell zu bezweifeln. Zuletzt sorgte sein medialer Einsatz während der Berlinale für milden Aufruhr. Er hatte bekanntlich angekündigt, Dieter Kosslick aus Protest gegen die Nichtberücksichtigung des Films sein entblößtes Hinterteil zu zeigen, und setzte das Vorhaben gemeinsam mit seinen Darstellern in die Tat um. Dabei hätte es – schon angesichts der Temperaturen – vollkommen ausgereicht, der Festivalleitung die kalte Schulter zu zeigen. Aber so ist er halt, der Klaus Lemke. Er übertreibt gern.

Gaby Sikorski