Berlin Nobody

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Ein religiöser Kult treibt mitten in Berlin sein Unwesen und will mit radikalen Mitteln einen gesellschaftlichen Umsturz herbeiführen. Mittendrin: die Stars Eric Bana, Sadie Sink und eine Reihe namhafter deutscher Darsteller. Die deutsch-amerikanische Co-Produktion „Berlin Nobody“ kombiniert geschickt Mystery mit klassischen Thriller-Drama-Elementen und verströmt dank des düsteren Looks eine unheimliche Atmosphäre. Leider zeichnet sich die Lösung zu schnell ab.

Deutschland, USA 2024
Regie: Jordan Scott
Buch: Jordan Scott
Darsteller: Eric Bana, Sadie Sink, Jonas Dassler, Sylvia Hoeks

Verleih: Square One Entertainment
Länge: 94 Minuten
Kinostart: 01. August 2024

FILMKRITIK:

Sozialpsychologe Ben Monroe (Eric Bana) zieht nach Berlin, um dort seine Arbeit, die Erforschung von Sekten, fortzusetzen. Über einen Bekannten wird er in die Ermittlungen rund um einen rituellen Selbstmord hineingezogen. Dort stößt er auf Nina Hoffmann (Sylvia Hoeks), eine Ermittlerin des Bundesverfassungsschutzes, die auf Sekten spezialisiert ist. Sie hoffen auf gegenseitige Unterstützung. Unterdessen kommt Bens Tochter Mazzy (Sadie Sink) nach Berlin, um die zerrüttete Beziehung zu ihrem Vater zu verbessern. Während sich Ben in die Arbeit vertieft, lernt Mazzy den charismatischen Martin (Jonas Dassler) näher kennen. Bald stellt sich heraus, dass Martin für eine Umwelt-NGO arbeitet, die von der mysteriösen Hilma (Sophie Rois) geleitet wird. Doch hinter der NGO steckt in Wahrheit eine religiöse Gemeinschaft, die Mazzy als jüngstes Opfer auserkoren hat.

Regisseurin und Drehbuchautorin Jordan Scott, Tochter von Altmeister Ridley Scott, mixt in ihrem ersten Film seit „Cracks“ (2009) traditionelle Mystery-Thriller- mit Drama-Elementen. Beide Anteile, die spannenden und die emotionalen, halten sich über die gesamte Laufzeit gekonnt die Waage. Eine Atmosphäre des Unheilvollen kreiert „Berlin Nobody“ in fast jeder Szene, in der Sophie Rois als rätselhaft-geheimnisvolle Sektenführerin zu sehen ist.

In den kühl wirkenden, sterilen Räumlichkeiten des „Zentrum“ genannten Hauptquartiers der Sekte schart sie ihre Glaubensbrüder und -schwestern um sich. Hinzu kommen ominöse Rituale und bizarre Handlungen, die man so zwar aus den meisten anderen Sekten-Thrillern kennt – die jedoch ihre Wirkung nicht verfehlen. Und das liegt neben der Ausdruckskraft von Rois vor allem am bedrohlichen Look des Films (viele Szenen spielen nachts oder in dunklen Räumen), der viel zur beklemmenden Gesamtstimmung beiträgt.

Dem Treiben der Sekte und den Ermittlungen im rituellen Selbstmord stehen die zwischenmenschlichen Aspekte und die charakterlichen Entwicklungen der Figuren gegenüber. Der Cast aus deutschen und internationalen Darstellern harmoniert gut, zudem haben die Charaktere alle eines gemeinsam: Sie alle sind traumatisiert. Und diese seelischen Wunden stehen direkt in Zusammenhang mit Verlust oder Tod. Unter den Darstellern stechen, neben Rois, vor allem Sadie Sink („Stranger Things“) als emotional instabile Teenager-Tochter und Eric Bana als renommierter Autor und Wissenschaftler hervor.

Bana spielt zurückhaltend und seine Figur ist eher distanziert angelegt. Gleichzeitig offenbart sich seine Sensibilität und Verletzlichkeit in einigen wenigen, dafür umso dringlicheren und expressiven Momenten, die seine ganze Sorge um Mazzy offenlegen. Weniger gelungen und glaubhaft ist die Liebesbeziehung zu seiner „Kollegin“ Nina. Ihrer Affäre fehlt es an Tiefe, sie wirkt zu aufgesetzt.

Schade ist zudem, dass sich die Auflösung zu schnell ankündigt. Vor allem Krimi- und Thriller-Kenner dürften früh ahnen, wie Martin, der Selbstmord und die Glaubensgemeinschaft miteinander zusammenhängen. Vieles wirkt zu durchsichtig und absehbar, weshalb nicht zuletzt das Finale an Spannung einbüßt. Dafür überzeugen die Aufnahmen und Bilder des Handlungsortes.

„Berlin Nobody“ präsentiert die deutsche Weltmetropole in all ihren Facetten und in ihrer Vielseitigkeit. Scott entführt den Zuschauer in die pulsierenden Techno-Clubs der Stadt, zeigt heruntergekommene Ecken in Kreuzberg und Friedrichshain und verzichtet ebenso wenig auf die ikonischen Sehenswürdigkeiten und markanten „places to be“. Darunter die Oberbaumbrücke, der Fernsehturm und der idyllische Liepnitzsee.

 

Björn Schneider