Black Dog – Weggefährten

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Ein atmosphärisch starkes und sehr gelungenes Einzelgänger-Drama in der großen Tradition der Western-Klassiker, das auch so beginnt: Ein Fremder kommt in die Stadt. Hier spielt die Geschichte in einem unaufhaltsam zur Geisterstadt mutierenden Städtchen am Rande der Wüste Gobi. Der wortkarge Fremde, der in die Stadt kommt, entpuppt sich jedoch bald als alter Bekannter: ein Ex-Knacki, der soeben aus dem Gefängnis entlassen wurde. Bald teilt er seine Einsamkeit mit einem verwilderten schwarzen Hund, der ihm auf vertrackte Weise ähnelt.
Regisseur Guan Hu, der zuletzt den Weltkriegs-Blockbuster „The 800“ drehte, kehrt mit diesem Film zu seinen Wurzeln zurück und porträtiert ein Land auf dem Weg in eine Zukunft, in der es keinen Platz für Außenseiter gibt. Dafür gab es in Cannes 2024 den Hauptpreis in der Sektion „Un certain regard“.

Webseite: https://www.filmweltverleih.de/cinema/movie/black-dog

China 2024
Regie: Guan Hu
Drehbuch: Rui Ge, Guan Hu
Mitwirkende: Eddie Peng, Chu Bu Hua Jie, Youwei Da, Qiang Gao
Kamera: Weizhe Gao
Musik: Breton Vivian

Länge: 116 Minuten
Verleih: Filmwelt
Start: 12.12.2024

FILMKRITIK:

Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 kommt der ehemalige Rockmusiker und Motorrad-Stunt-Fahrer Lang in seine Heimatstadt am Rand der Wüste Gobi zurück. Lang hat zehn Jahre wegen Totschlags im Gefängnis gesessen, weil er den Neffen von Fleischer Hu erschlagen hat, einem örtlichen Schlangenzüchter und Gangster. Bei seiner Rückkehr erkennt Lang seine Stadt kaum wieder. Sie ist beinahe verlassen, denn viele Bewohner sind fortgezogen. Langs alkoholkranker Vater lebt in einem Zoo, in dem es kaum noch Tiere gibt. Dafür haben wilde Hunde Teile der Stadt übernommen, am schlimmsten wütet dort Xin, ein anscheinend tollwütiger Windhund. Lang schließt sich einer Gruppe von Hundefängern an, die im Auftrag der Regierung die wilden Hunde einfangen sollen. Doch statt seine Arbeit zu machen, freundet er sich mit Xin an. Er kümmert sich um ihn, kommt außerdem einer Zirkuskünstlerin näher, rettet Fleischer Hu das Leben und verlässt zu Beginn der Spiele wieder die Stadt. Vor ihm liegt eine ungewisse Zukunft.

Der Film erzählt die Geschichte zweier Außenseiter, für die es in ihrem Land scheinbar keinen Platz mehr gibt. Störrisch und mit geradezu enigmatischer Widerspenstigkeit weigern sich die beiden, einfach zu verschwinden, wie man es von ihnen erwartet. Diese tiefe innere Verbundenheit zwischen Mann und Hund spielen Superstar Eddie Peng („The Great Wall“) mit cooler Lässigkeit und sein tierischer Gefährte Xin ganz wunderbar. Man sieht förmlich, wie sehr sich beide aufeinander eingelassen haben. In einigen Szenen nehmen sie sogar – bewusst oder unbewusst – die gleiche Haltung und den gleichen Ausdruck an, was einen durchaus surrealen Effekt bewirkt. Ebenso surreal wirken auch einige der Bilder, die Kameramann Weizhe Gao mit großer Kreativität und Könnerschaft eingefangen hat. Dabei beschränkt er sich keinesfalls auf den üblichen Neo-Western-Bilderbaukasten, sondern er zeigt eine unbarmherzige und gleichzeitig wunderschöne Natur: Die schroffe, fremde Wüstenwelt erobert sich den Raum zurück, den der Mensch verlassen hat.

Es wäre für Regisseur Guan Hu sehr einfach gewesen, bei dieser epischen Außenseiter-Geschichte auf Pathos zu setzen. Er hat das Gegenteil getan und den Film mit lakonischem Humor und subversiver Komik durchsetzt, was ihm eine ganz besondere Qualität verleiht: Das ist der Stoff, aus dem unvergessliche Kinoerlebnisse werden.

Dabei ist „Black Dog“ keineswegs ein unpolitischer Film. Guan Hu zeigt China als Land, das beim Aufbruch in eine stromlinienförmige Zukunft daran glaubt, mit der Vergangenheit brechen zu müssen. Ein solcher Bruch ist natürlich nur für einen Preis zu haben, den – wie immer in autoritären Staaten – die Bevölkerung zahlen muss. Es sei denn, sie macht es wie Lang und geht freiwillig in die Wüste, bevor die Regierung ihn dorthin schickt.

Die einmalige Leinwandpartnerschaft zwischen Eddie Peng und Xin hat übrigens eine Fortsetzung gefunden: Xin wurde nach Abschluss der Dreharbeiten von Eddie Peng adoptiert.

 

Gaby Sikorski