„Black Tea“ – schwarzer Tee ist für viele Menschen nicht nur ein unverzichtbares Getränk, sondern sogar der Lebensinhalt. Zum Beispiel für Wong Cai, der in der Millionenstadt Guangzhou mit erlesenen Tees handelt. Cai weiht seine Angestellte Aya, die von der Elfenbeinküste nach China gekommen ist, in die Feinheiten der zahlreichen Teesorten und ihre Zubereitung ein, und dann kommt’s, wie’s im Kino kommen muss: Zwischen den beiden entwickelt sich eine bittersüße Liebesgeschichte, deren Komplexität Abderrahmane Sissako in seinem farbenfrohen Melodram in all ihren Verästelungen erkundet.
Über den Film
Originaltitel
Black Tea
Deutscher Titel
Black Tea
Produktionsland
FRA,LUX,TWN
Filmdauer
111 min
Produktionsjahr
2023
Regisseur
Sissako, Abderrahmane
Verleih
Pandora Film Medien GmbH
Starttermin
12.06.2025
Die selbstbewusste Ivorerin Aya tut etwas, was „man“ nicht tut. Vor dem Traualtar beschleichen sie Zweifel an der gemeinsamen Zukunft mit ihrem Zukünftigen, und deshalb sagt sie kurzentschlossen „Nein!“. Anschließend sieht man sie nach erfolgreicher Neuerfindung (neue Frisur, neuer Look) in „Chocolate City“, einem schwarzen Viertel in Chinas brummender Millionenmetropole Guangzhou. Dort findet sie in Wong Cais exquisitem Teeladen Arbeit. Cai ist ein Fanatiker in Sachen Tee, sowohl was die Qualität als auch was die Zubereitung anbelangt. Bereitwillig beginnt er, sein immenses Wissen über Tee und die Teezeremonie mit Aya zu teilen, die sich nicht nur als gelehrige Schülerin, sondern auch als Teeschwester im Geiste erweist. Zärtlich gibt er ihr den Spitznamen „Black Tea“ und zärtlich geht es weiter: die beiden verlieben sich ineinander. So weit, so konventionell, könnte man meinen, doch weit gefehlt: Jetzt kommen die Komplikationen und gleich knüppeldick. Cai war nicht nur verheiratet, sondern er hat auch eine Tochter aus einer anderen Beziehung mit einer Migrantin, die auf Kap Verde lebt. Seine Ex Ying ist verständlich von all dem wenig begeistert, und auch nicht von dem Flirt, den ihr und Cais Sohn Li-Ben, der ebenfalls im Teeladen arbeitet, mit der Rollkoffer-Verkäuferin von gegenüber begonnen hat, die sozial weit unterhalb von Cais Familie steht. Und dann kommen auch noch Cais rassistische Schwiegereltern ins Spiel …
Genuss und Liebe – das geht im Kino gut zusammen. Schokolade, Wein, die italienische oder französiche Küche haben schon einige Film-Liebespaare zueinander geführt, warum sollte das nicht auch mit Tee funktionieren? Doch „Black Tea“ ist mehr als nur eine Liebesgeschichte mit kulinarischem Hintergrund. Zu Beginn und zum Ende des Films zeigt Abderrahmane Sissako eine schwarze Ameise, die von einem weißen Seidenkleid gewischt wird. Damit macht er überdeutlich, worum es ihm geht: um Chinas neue Seidenstraße und um die Menschen mit dunkler Hautfarbe, deren Leben und deren kulturelle Identität von diesen Wirtschaftswegen beeinflusst werden – eine Art von selbstverständlichem kulturellen Austausch, der hier in ungewöhnlicher Form dargestellt wird. Dabei scheint es Abderrahmane Sissako, der mit dem Drama „Timbuktu“ 2014 einen großen Erfolg feiern konnte, besonders wichtig zu sein, der Geschichte jedes Menschen zu folgen und ihr Neugier und Respekt zu zollen. Dabei hat er es ein wenig übertrieben, denn gelegentlich verliert er sich im Geäst der Nebenhandlungsstränge, denen er allzu begeistert folgt.
Die durchaus bezaubernde Liebesgeschichte der Protagonisten und die vielen kleinen Geschichten, die um sie herumgerankt werden, hat Kameramann Aymerick Pilarski in kräftigen, leuchtenden Farben auf die Kino-Leinwand geworfen, als wäre Guangzhou tatsächlich der Sehnsuchtsort, in den sich viele afrikanische Migranten hineinträumen.
Schwarzer Tee ist in diesem Film nicht nur der Liebestrank von Aya und Cai, sondern er stellt auch die kulturelle Verbindung zwischen Asien und Afrika dar, zwei Kontinenten, zwischen denen Migrationsströme fließen mit allen menschlichen und kulturellen Verwerfungen, die dadurch ausgelöst werden. Dabei enthält sich Sissako weitgehend jeglicher Wertung oder Parteinahme. Dieses konsequente Einhalten einer Beobachterposition ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Sie ermöglicht Abderrahmane Sissako jedoch, einen nur scheinbar leichten, ambivalenten, manchmal verwirrenden Film zu realisieren. Über Liebe, Genuss, Politik und Kultur. Und Tee.
Gaby Sikorski