Gangsterdrama, period picture und Vampirschocker – „Black Panther“-Regisseur Ryan Coogler rührt in seiner fünften Leinwandarbeit einen ungewöhnlichen Cocktail an und zielt dabei nicht nur auf einfache Zerstreuung ab. Die Ausgrenzungserfahrungen von Afroamerikanern und ihre Musikkultur sind zentrale Bausteine eines mutigen Studiofilms, dessen unaufgeregter Erzählrhythmus wohl manchen Zuschauer überraschen wird.
Über den Film
Originaltitel
Sinners
Deutscher Titel
Blood & Sinners
Produktionsland
USA
Filmdauer
131 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Coogler, Ryan
Verleih
Warner Bros. Entertainment GmbH
Starttermin
17.04.2025
Die einleitenden Worte und ein anschließend enthüllter Vorausblick mit diffusen, beunruhigend-flashartigen Bildern zeigen an: In „Blood & Sinners“ – im Original bloß „Sinners“ betitelt – wird das Grauen Einzug halten. Nach dem Einstieg ist es für eine Dreiviertelstunde allerdings vorbei mit dem Horrorgeklapper. Denn Ryan Coogler widmet sich von nun an ausgiebig seinen Figuren und dem Setting des von ihm verfassten Drehbuchs, um das – so ist zu hören – ein regelrechter Bieterstreit entbrannte.
Wir schreiben das Jahr 1932: Die Zwillinge Smoke und Stack (beide verkörpert von Cooglers Stammschauspieler Michal B. Jordan) kehren in ihren Heimatort in Mississippi zurück, um nach Erlebnissen in aller Welt noch einmal neu durchzustarten. Aus Chicago kommend, wo sie zuletzt im Gangstermilieu mitmischten, möglicherweise sogar als Handlanger Al Capones, wollen sie nun in einer alten Scheune einen Nachtclub eröffnen, der sich voll und ganz der Blues-Musik verschreiben soll.
Am Tag der Einweihung gibt es für das berüchtigte Duo aber noch einiges zu erledigen. Während Stack mit ihrem Cousin, dem begnadeten Gitarristen und Sänger Sammie Moore (Miles Caton), nach weiteren Unterhaltungskünstlern sucht, wirbt Smoke seine frühere Partnerin Annie (Wunmi Mosaku) als Köchin an. Am Abend füllt sich das Lokal schließlich mit schwarzen Gästen, die ausgelassen tanzen. Was noch niemand ahnt: Vampire unter der Führung Remmicks (Jack O’Connell) streifen auf der Suche nach neuen Opfern durch die Gegend.
Coogler verortet seine Geschichte in einer Zeit, in der im Süden der USA die sogenannten Jim-Crow-Gesetze in Kraft waren. Auch wenn die Sklaverei offiziell schon lange nicht mehr existierte, ließen die Weißen nichts unversucht, um die Rechte der Afroamerikaner zu beschneiden und eine Rassentrennung durchzusetzen. Der von einer Musikerkarriere träumende und damit seinen Vater (Saul Williams) gegen sich aufbringende Sammie hat die Hoffnung, dass es im Norden, etwa in Chicago, anders sei. Doch Smoke und Stack haben, so hört man heraus, auch dort negative Erfahrungen gemacht.
Dass echte Freiheit für Schwarze im Jahr 1932 noch immer weit entfernt ist, daran lässt „Blood & Sinners“ keinen Zweifel. Ausbeutung und Diskriminierung sind ständige Begleiter. Mit ihrem Nachtclubprojekt wollen die Zwillinge einen Ort für Leidensgenossen schaffen, an dem die Menschen zumindest kurzeitig die Fesseln lösen und etwas Ausgelassenheit verspüren können.
Mit präzisem Blick für Details zeichnet der Regisseur ein Gesellschaftsbild der Zeit und stellt uns verschiedene interessante Aspekte des afroamerikanischen Alltags vor. So erfahren wir unter anderem, dass viele Schwarze für ihre Arbeit auf den Plantagen eine Holzwährung erhalten, mit der sie dann auch in Smokes und Stacks Lokal bezahlen – was die Besitzer nicht unbedingt erfreut. Richtige US-Dollar sind nämlich gefragt, um den Laden langfristig am Laufen halten zu können.
Ein starkes Ensemble macht aus den von Coogler erdachten Figuren aufregende Charaktere, denen man die Härten des Lebens teilweise deutlich ansieht. Hervorheben muss man neben Michael B. Jordan, der sich mit viel Inbrunst in seine Doppelrolle wirft, vor allem Wunmi Mosaku als Smokes dem Übernatürlichen zugetane Geliebte und Delroy Lindo als versoffener Mundharmonika- und Pianospieler Delta Slim, ein Haudegen, wie er im Buche steht. Ebenfalls sehr eindringlich: Kinoneuling Miles Caton, dessen Predigersohn mehr und mehr Gewicht bekommt. Die Zwillingsbrüder mögen die treibende Kräfte der Erzählung sein. Emotionaler Anker wird zum Ende aber Sammie, der sich entscheiden muss, ob er dem von seinem Vater als teuflisch gebrandmarkten Blues entsagen oder an seinem Traum festhalten soll.
Dass „Blood & Sinners“ zu einer atmosphärischen Angelegenheit gerät, dafür sorgen auch die prächtigen Bilder, die aufwendige Ausstattung und die wirkungsvolle Einbindung der Musik. Eine inszenatorische Meisterleistung ist eine zur Mitte einsetzende Plansequenz, in der Coogler mehrere Jahrhunderte schwarzer Musikgeschichte zusammenfließen lässt. Auf der Tanzfläche des Nachtclubs tummeln sich auf einmal nicht nur Personen aus der Handlungszeit. Auch Musiker aus früheren Epochen und späteren Dekaden sind in der feiernden Menge auszumachen. Warum sie plötzlich da sind? Weil Sammie mit seiner Gitarre und seiner Stimme derart begnadet ist, dass er, wie es in den Eröffnungsworten des Films heißt, den Schleier zwischen Leben und Tod lüften, die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einreißen kann.
Seine Performance ist indes auch das Einfallstor für die weißen (!) Vampire, die den Laden fortan belagern und mit einer verlockenden Aussicht um Einlass bitten. Sie allein hätten echte Freiheit und wahre Liebe zu bieten, behauptet Remmick. Jeder, der ihrer Gemeinschaft beitrete, könne davon profitieren. Bei Licht betrachtet bieten sie aber nur eine andere Form der Knechtschaft an. Der Umschwung zu einer Eskalation à la „From Dusk Till Dawn“ (1996) verleiht dem Film eine neue Dynamik. Allerdings bleibt der Regisseur dabei bekannten Horrortropen stark verhaftet – weshalb erfahrene Genregucker nicht voller Anspannung in den Sitz gepresst werden dürften. Auch wenn dieser Teil konventioneller daherkommt, bleibt „Blood & Sinners“ eine kühne, eigenwillige Hollywood-Produktion, die beweist, dass das US-Mainstreamkino nach wie vor für Überraschungen gut ist.
Christopher Diekhaus